HAWK-Studentin entwickelt künstliches Bein für ihren Hund
Frodo wurde in Rumänien als Straßenhund geboren und als Welpe von einer Tierschutzorganisation aufgenommen. Doch als die Helfer ihn fanden, war seine Vorderpfote zertrümmert. Bevor er nach Deutschland kam und von Salges Familie adoptiert wurde, wurde ihm das Bein mit der verletzten Pfote fast vollständig amputiert.
Das Leben mit drei Beinen ist für Hunde zunächst einmal kein Problem. „Generell lebt er eigentlich wie jeder andere Hund“, sagt Salge über Frodo. Doch mit zunehmenden Alter wurden die Auswirkungen der Amputation deutlich: Inzwischen seien lange Spaziergänge für ihn nicht mehr so einfach zu bewältigen. „Viele Hunde, die diese Art von Amputation haben, erkranken sehr früh an Arthrose“, erklärt Salge. „Und wir haben nach ein paar Jahren festgestellt, dass er angefangen hat, stärker zu hinken und nicht mehr richtig laufen konnte.“ Das Problem: Das verbliebende Vorderbein wird bei Hunden mit Amputation besonders stark belastet. Die Folgen sind Gelenkerkrankungen wie Arthrose und damit verbundene Schmerzen. Die Prognose der Tierärztin: Mit dieser Amputation kann Frodo nicht so alt werden wie ein gesunder Hund.
Für Salge stand fest, dass sie ihrem Hund helfen muss. Eine Prothese könnte Frodos Vorderbein ein wenig entlasten. Doch für Hunde sind bislang ausschließlich analoge Prothesen erhältlich, die sich nicht aktiv mitbewegen. Sie kommen nur für Tiere in Frage, die noch einen Beinstumpf haben, den sie selbst bewegen könne. Frodo wurde das Bein jedoch fast vollständig abgenommen. „Eine Prothese für diese Art von Amputation gibt es so noch gar nicht für Hunde“, berichtet Salge von ihrer Recherche. Analoge Prothesen würden die Hunde eher zusätzlich behindern. „Deswegen ist relativ schnell die Entscheidung gefallen, […] dass es eine Prothese sein muss, die wirklich aktiv mitarbeitet. Also eine robotische Prothese, die sich mitbewegt“, erinnert sie sich.
Als Anne Sophie Salge beschloss, eine Roboterprothese für Frodo zu entwickeln, befand sie sich gerade mitten in ihrem Bachelorstudium im HAWK-Studiengang Gestaltung mit dem Kompetenzfeld Digitale Medien. Sie hatte sich auf Interaction Design spezialisiert und konnte ihr Know-how aus dem Studium direkt für ihr Projekt nutzen. Interaction Designer/innen gestalten die Schnittstelle zu dem Betriebsystem der modernen Welt, der Digitalität. Sie entwerfen die notwendigen mentalen Modelle und machen diese durch Interface Design sichtbar und verständlich. Dazu lernen die Studierenden nicht nur die visuelle Gestaltung, sondern auch technische Grundlagen und Programmierung. Seit neuestem können sie dabei auch das Robotic-Lab der Fakultät Gestaltung nutzen. Unterstützung bei ihrem Projekt erhielt Salge von Prof. Stefan Wölwer, der an der HAWK-Fakultät Gestaltung das Fach Interaction Design lehrt und die Projektbetreuung übernahm. „Das ist ein besonders schönes Beispiel, wie an unserer Fachhochschule hoch aktuelle Praxisprojekte entstehen“, lobt er. „Studierende bringen ihre ganz persönlichen Interessen und Talente mit ins Studium und entwickeln eigene Projekte, in denen sie unsere Lehr- und Forschungsinhalte direkt anwenden.“
Da Frodo die Prothese nicht selbst steuern kann, muss sie durch ein Computerprogramm bewegt werden. Zurzeit entwickelt Anne Sophie Salge einen Code, der die Bewegungen des vorhandenen Beins mit Hilfe von Sensoren ausliest und dann zeitversetzt das Prothesenbein bewegt. Die Prothese „beobachtet“ also das gesunde Bein und errechnet daraus die passende Bewegung. „Die Idee ist durch einen Animationskurs im Studium entstanden“, berichtet Salge. „Wir haben erst die eine Hälfte von Game-Charakteren bewegt und dieses Bewegungsmuster dann zeitversetzt auf die andere Hälfte des Charakters übertragen.“
Zwei Elektromotoren am Schultergelenk und am Ellenbogen sollen die Prothese antreiben. „Sie soll dem natürlichen Hundebein so nah wie möglich kommen und die Funktion des Beins so gut wie möglich widerspiegeln“, erklärt Salge. Um Druckstellen beim Anbringen der Prothese vorzubeugen, entwickelte Salge außerdem eine Art gepolsterten Kokon aus Kunststoff, der den Brustkorb des Hundes umschließt. An diesem Kokon wird die Prothese dann befestigt. Zurzeit ist Salge noch auf der Suche nach geeigneten Motoren für die Roboterprothese. Die Motoren ihres ersten Prototyps erwiesen sich als zu schwer.
Inzwischen hat sie ihr Masterstudium an der HAWK begonnen und investiert weiter viel Zeit in ihr Herzensprojekt. Sie hofft, dass ihre Prothese nicht nur ihrem, sondern auch anderen Hunden helfen kann. „Bei Frodo ist schon eine Arthrose vorhanden. Aber bei jüngeren Hunden hätten wir die Chance, dass es gar nicht erst dazu kommt.“ Und Salge ist zuversichtlich, dass ihr Hund bald die erste Roboter-Hundeprothese testen kann: „Wenn alles gut geht, haben wir am Ende des Jahres einen neuen Prototypen, mit dem Frodo seine ersten Schritte wagen kann.“
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