Promovieren in der Sozialen Arbeit

An der Fakultät Soziale Arbeit werden Promotionsvorhaben betreut. Während der Promotion bietet die HAWK Weiterbildungsangebote, Qualifizierungsmaßnahmen und gezieltes Coaching. Diese fächer- und standortübergreifenden Angebote sind in einem Promotionskolleg gebündelt. Promotionsinteressierten werden an der HAWK zudem durch das Graduiertenzentrum in der Exposé-Phase unterstützt. Mit dem eigenen Promotionsnetzwerk fördert das Zukunftszentrum Holzminden Höxter den wissenschaftlichen Nachwuchs mit gezielten Promotionsprogrammen und Möglichkeiten für Stipendien. 

Derzeitige Promotionsprojekte an der Fakultät Soziale Arbeit

Mein Name ist Anna-Carla Raddatz. Ich leite das anonyme Frauenhaus der AWO Region Hannover und promoviere berufsbegleitend an der HAWK, weil es mir ein besonderes Anliegen ist wissenschaftliche Forschung und die Praxis Sozialer Arbeit zu vereinen. 

Frauenhäuser bieten gewaltbetroffenen Frauen und ihren Kindern einen Schutzplatz. Eine besondere Relevanz in der Frauenhausarbeit hat der Kinderschutz, denn Kinder sind von Partnerschaftsgewalt immer mit betroffen. Die Umsetzung der Kinderschutzarbeit im Frauenhaus ist jedoch mit strukturellen Herausforderungen verbunden – in meinem Promotionsvorhaben zum Thema „Kinderschutz im Kontext eines Frauenhausaufenthaltes nach Partnerschaftsgewalt“, erarbeite ich, wie eine gelingende Kooperation zwischen Jugendämtern und Frauenschutzausrichtungen aussehen kann und was Fachkräfte für die Umsetzung des Kinderschutzauftrags benötigen. 

Promovend*in:
Anna-Carla Raddatz
Betreuung:
Prof. Dr. Leonie Wagner  

Eine Studie zur Bedeutung sozialpädagogischer Beziehungsgestaltung in Kinderschutzfällen der Allgemeinen Sozialdienste (ASD) der Jugendämter

Bundesweit befinden sich Mitarbeitende der Allgemeinen Sozialdienste (ASD) der Jugendämter unter einem hohen Verantwortungs- und Rechtfertigungsdruck. In Publikationen und Stellungnahmen unterschiedlicher Disziplinen und Professionen werden Verfahrensabläufe in Kinderschutzverfahren diskutiert und hinsichtlich der Fachlichkeit der einzelnen Verfahrensbeteiligten kritisiert. Im Rahmen der Evaluation und Reflexion (kritischer) Fallverläufe stellt sich u.a. die Frage, welchen Stellenwert die Fachlichkeit der ASD Fachkräfte und deren Fähigkeit zum Aufbau tragfähiger Arbeitsbeziehungen in der Arbeit im Kinderschutz einnehmen.

Die Untersuchung der Arbeitsbeziehungen im Kinderschutz ist der Inhalt eines Projekts, das seit März 2020 an der HAWK durchgeführt wird. Durch die Kooperation mit dem Landkreis Northeim konnte an der HAWK Holzminden eine anteilige Promotionsstelle für 4 Jahre geschaffen werden.

Ausgangspunkt der Untersuchung ist die These, dass ein nachhaltiger und wirksamer Kinderschutz eine tragfähige Arbeitsbeziehung erfordert, um Kenntnisse über die individuellen Lebenswelten der Adressat*innen zu erhalten und ausgehend davon, gemeinsam passgenaue sowie individuelle Hilfen und Schutzkonzepte erarbeiten zu können.

Ziel des Forschungsprojekts ist die Deskription und Analyse individueller Erfahrungen und Deutungsmuster der beteiligten Personen in Kinderschutzfällen, um professionelle Haltungen, Gelingensfaktoren, persönliche Kompetenzen und strukturelle Rahmenbedingungen identifizieren zu können, die für eine erfolgreiche Beziehungsgestaltung im Kinderschutz erforderlich sind. Davon ausgehend sollen fachliche Empfehlungen für eine gelingende Beziehungsgestaltung in Kinderschutzfällen formuliert werden.

Die Datenerhebung erfolgt durch Aktenanalysen und qualitative Interviews. 

Promovend*in:
Tina Conrad
Betreuung:
Prof. Dr. Leonie Wagner  
Prof. Dr. Gunther Graßhoff
Finanzierung:
Sonstige Drittmittelgeber öffentlich
Projektträger: 
Landkreis Northeim
Projektkosten:
60.000 €
Dauer:
01.03.2020 – 29.02.2024

Thema des Projektes

Promovieren an Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAWs) ist noch ein relativ neues Feld – insbesondere für die Soziale Arbeit. Das Promotionsprojekt widmet sich der Frage, wie Gleichstellung in der Promotionsförderung an HAWs im Bereich der Sozialen Arbeit gestaltet wird. Im Fokus steht die Analyse von geschlechterspezifischen Bedarfen und Herausforderungen für Promovierende – insbesondere für Frauen – sowie die Betrachtung gleichstellungsorientierter Maßnahmen und Unterstützungsangebote an HAWs mit Promotionsrecht. Dabei betrachte ich sowohl strukturelle Rahmenbedingungen als auch die Perspektiven von Verantwortlichen aus der Promotionsförderung sowie Hochschul- und Organisationsentwicklung und von Gleichstellungsexpert*innen.

Vor dem Hintergrund einer historisch gewachsenen Geschlechterordnung in der Sozialen Arbeit, die bis heute als „Frauenberuf in Männerregie“ beschrieben wird, rückt das Projekt die Promotionsförderung an HAWs als wichtigen Baustein der Akademisierung der Profession in den Mittelpunkt. Die Arbeit verknüpft dabei Perspektiven der Geschlechterforschung, Hochschul- und Organisationsforschung sowie Gleichstellungspolitik.

Zentrale Fragestellungen

Die Arbeit basiert auf folgenden Leitfragen:

  • Inwieweit werden geschlechterspezifische Bedarfe und Ungleichheiten in der Promotionsförderung in der Sozialen Arbeit an HAWs berücksichtigt?
  • Inwieweit offerieren vorhandene Unterstützungsangebote und –strukturen an HAWs mit Promotionsrecht, fördernde und unterstützende Bedingungen für Promovierende und insbesondere für weibliche Promovierende (bzw. Promotionskandidatinnen)?

Und im Besonderen: 

  • Inwieweit präsentieren sich die Förder- und Unterstützungsstrukturen als gendersensibel?
  • Mit welchen Maßnahmen wird versucht Gleichstellung zu erreichen?
  • Welche Maßnahmen sind geeignet sowie welche sind eher ungeeignet, um das Ziel Gleichstellung zu erreichen?
  • Wie ist der gegenwärtige Stand der Gleichstellung im Kontext der Promotionsförderung an HAWs der Sozialen Arbeit vor dem Hintergrund der Förder-und Unterstützungsstruktur zu bewerten?
  • Wie kann gendersensible Promotionsförderung an HAWs der Sozialen Arbeit zukünftig aussehen? Welche Herausforderungen können auftreten und wie lassen sich diese kritisch einordnen? 

Methodik

Das Forschungsdesign basiert auf einem qualitativen, explorativen Ansatz. Zentrale Säulen bilden die Dokumentenanalyse sowie leitfadengestützte Interviews mit Expert:innen aus den Bereichen Promotionsförderung sowie Hochschul- und Organisationsentwicklung sowie Gleichstellung. Die Auswertung erfolgt nach den Prinzipien der Reflexiven Grounded Theory (R-GTM). Die Datengrundlage bilden:

  • Dokumentenanalyse (Gleichstellungspläne und -konzepte etc.)
  • Interviews mit Expert:innen aus der Promotionsförderung sowie Hochschul- und Organisationsentwicklung an HAWs
  • Interviews mit Gleichstellungsexpert*innen aus den Gleichstellungsbüros der HAWs

Ergebnis: Gleichstellung in der Promotionsförderung an HAWs: Zwischen Anspruch und Realität

Die Einführung des Promotionsrechts an HAWs wird hochschulpolitisch als wichtiger Schritt zur Profilschärfung und Akademisierung dieser Hochschulen gesehen. Für die Soziale Arbeit als traditionell an HAWs verortete Disziplin ergibt sich daraus die Chance, die eigene wissenschaftliche Identität weiterzuentwickeln. Doch wie die Ergebnisse meines Promotionsprojekts zeigen, bleibt dabei eine wesentliche Dimension unterbelichtet: die Frage der geschlechtergerechten Gestaltung der Promotionsförderung.

Besonders alarmierend ist der in den Dokumenten sichtbare und von Gleichstellungsexpert*innen beobachtete Rückgang weiblicher Promovierender nach Einführung des eigenständigen Promotionsrechts. Diese Entwicklung widerspricht den Erwartungen, dass eine Profession mit hoher Frauenquote auch eine geschlechtersensible Promotionskultur etabliert. Vielmehr zeigt sich: Gerade der Übergang in die Promotion wird zu einer neuen Selektionsschwelle, an der sich ungleiche Zugangschancen und Betreuungsverhältnisse manifestieren.

Was zu tun ist 

Gleichstellung in der Promotionsförderung kann nicht dem Zufall überlassen werden. HAWs mit Promotionsrecht haben die Chance – und die Verantwortung – ihre Promotionskultur von Anfang an gendersensibel zu gestalten. Dazu gehören:

  • Die systematische Verknüpfung von Gleichstellungsarbeit und Promotionsförderung in den neuen Promotionskollegs.
  • Die Entwicklung transparenter Zugangswege und gendersensibler Auswahlverfahren.
  • Eine klare Verankerung von Vereinbarkeitsfragen in den Promotionsstrukturen.
  • Die Förderung von gendersensibler Betreuung durch Qualifizierungsangebote für Betreuende.
  • Regelmäßige Monitoring- und Feedbackprozesse, um die Geschlechterverhältnisse in der Promotionsförderung sichtbar zu machen.

Die Einführung des Promotionsrechts an HAWs bietet die Chance, Gleichstellung von Anfang an mitzudenken – eine Chance, die bislang weitgehend ungenutzt bleibt. Mein Promotionsprojekt zeigt: Wer Geschlechtergerechtigkeit in der Promotionsförderung will, muss mehr tun als Gleichstellung auf die Frage der Zahlenverhältnisse zu reduzieren. Es braucht eine Kultur der Reflexion, die strukturelle Barrieren sichtbar macht, gendersensible Betreuung fördert und die Gleichstellungsarbeit aktiv mit der Promotionsförderung verknüpft.

Nur wenn Gleichstellung als integrale Dimension von Qualitätssicherung begriffen wird, kann sich an HAWs eine Promotionskultur entwickeln, die den Anspruch auf Chancengleichheit auch wirklich einlöst.

Promovend*in:
Maren Lange
Betreuung:
Prof. Dr. Leonie Wagner  
Prof. Dr. Meike Baader (Universität Hildesheim)