Studierende aus Deutschland und Kanada planen Tiny Houses

Erscheinungsdatum: 15.12.2020

Es waren exakt zwei Wochen, in denen HAWK-Studierende zwölf Tiny Houses in Australien, Brasilien, Finnland und Spanien planten. Was auf den ersten Blick wie eine Wette anmutet, ist mittlerweile Realität der Online-Lehre an Hochschulen. Trotz oder  gerade wegen der Coronavirus-Pandemie haben 40 Studierende und sechs Lehrende der HAWK in Hildesheim und des British Columbia Institute of Technology (BCIT) in Kanada in fachübergreifenden Teams individuelle Lösungen gefunden, um, ohne ihren Arbeitsplatz zu verlassen, rund um den Globus Häuser zu entwerfen und das mit erstaunlichen Ergebnissen.

Gewünscht hatten sich natürlich alle ein gemeinsames Projekt mit echten Begegnungen, neuen Eindrücken vor Ort und der Möglichkeit, sich beim Arbeiten gegenseitig auch mal auf die Schulter zu klopfen. Doch weder das BCIT noch die HAWK gestatten in Zeiten wie diesen Dienstreisen ins Ausland. Entsprechend machten die Hochschulen aus der Not eine Tugend. „Wir haben uns einfach gefragt, ob wir nicht ein gemeinsames Online-Projekt via Zoom mit den Studierenden in Vancouver und Hildesheim organisieren können“, erinnert sich Dipl.-Ing. Thomas Kauertz, Studiendekan Architektur der Fakultät Bauen und Erhalten. Er hat zusammen mit Jody Patterson, Matthew Woodruff und Michel Labrie vom BCIT sowie Pia Danner und Prof. Günter Weber, Koordinator des Kompetenzfelds Innenarchitektur und Studiendekan Bachelor der Fakultät Gestaltung, das internationale Seminar geleitet. Die Voraussetzungen dafür waren für alle gleich. Sämtliche Studierende wie Lehrende haben sich ausschließlich über die Videokonferenz-software Zoom und die Kollaborationsplattform Miro getroffen.

 

Arbeiten bis spät in die Nacht

Die Grundstücke, auf denen die Studierenden ein Tiny House entwerfen sollten, liegen an besonderen Orten in Australien, Brasilien, Finnland und Spanien. Niemand hatte einen direkten Zugang zu den Projektgrundstücken, die Informationen mussten sich die Studierenden komplett über das Internet besorgen. Doch es galt noch eine weitere Schwierigkeit zu meistern: Für jeden Ort und jedes Tiny House mussten die Studierenden die speziellen Bedürfnissen eines fiktiven Auftraggebers erfüllen. Das war aber die letzte Herausforderung. Wollte man zusammenarbeiten, so lief es aufgrund der unterschiedlichen Zeitzonen für die sechs Studierende aus Innenarchitektur und Produktdesign und den sieben Studierenden aus dem Studiengang Architektur auf Nachtschichten hinaus. „Wir simulieren damit einen Büroalltag im digitalen Zeitalter in unterschiedlichen Zeitzonen und damit eine Arbeit rund um die Uhr. Es ist sehr schön zu sehen, dass auch hier gilt, wenn man ein wenig von seiner Routine abgelenkt wird, steigt die Arbeitsfreude wieder. Die Studierenden sind mit strahlenden Augen und mit sehr viel Engagement bei der Sache, auch wenn es für die deutschen Studierenden bedeutet, bis sehr spät in die Nacht zu arbeiten“, erklärt Prof. Günter Weber.

Auszüge aus den Ergebnissen

Bei der ebenfalls natürlich online stattfindende Präsentation hatten die Studierenden exakt zehn Minuten Zeit, ihren Entwurf auf genau einer Folie, einem White-Board, zu präsentieren. Eingeloggt war hier unter anderem der deutsche Generalkonsul Dr. Klaus Otto Schmidt, der sich von den Ideen sichtlich begeistert zeigte: „Spätestens, wenn die Kinder aus dem Haus sind, fällt einem auf, wie viel Platz man auf einmal hat. Deswegen ist die Idee des Tiny House am Zahn der Zeit. Man sieht es in Zeitschriften und Magazinen, es ist im Trend.“ Insgesamt präsentierten die Studierenden zwölf verschiedene Lösungen – es folgen vier Beispiele:

Laaksodal in Helsinki, Finnland

Eine Tiny House namens „Studio Korhonen” plante HAWK-Studentin Alina Winterhoff, Studiengang Architektur, zusammen mit Lauren Venhola und Fran Vukonic, beide eingeschrieben am BCIT im Studiengang Architectural Science, in Finnland für ein Paar aus Helsinki. Da die beiden den Großteil ihres Tages an Dokumentationen arbeiteten, war es wichtig, zwei Arbeitsplätze zu schaffen, in denen sie jeweils individuell, selbstständig und in Ruhe arbeiten können.

 

Da Finnen außerdem von Natur aus sehr reserviert sind und ihre Ruhe schätzen, haben die Studierenden die zwei Arbeitsplätze voneinander getrennt. Das gelingt, indem die Arbeitszimmer jeweils an einer Seite des Tiny Houses sitzen und das Badezimmer und die Küche voneinander trennen. Die Küche ist zudem von beiden Seiten verschließbar, um die Privatsphäre der Arbeitsbereiche zu unterstützen. Am Abend, wenn das Paar wieder zusammenkommen möchte, sind beide Arbeitsräume durch herausziehbare Möbel jeweils in ein Esszimmer und ein Wohnzimmer transformierbar.

Meilahti in Helsinki, Finnland

In einem Naturreservat in Meilahti, einem Teil der finnischen Hauptstadt Helsinki, entwarfen HAWK-Studentin Alyssa Nüse, Studiengang Architektur, sowie Sachi Sharma und Harper Sherman, beide im BCIT-Studiengang Bachelor Architektur, das perfekte Tiny House für Sam, einer 26-jährigen Medizinstudentin, die an dem 15 Minuten entfernten Universitätsklinikum arbeitet. Sam benötigt einen Platz zum Lernen und Arbeiten, aber auch zum Wohnen und für Unterhaltung.

 

Ein minimales Design verbindet eine Anpassung an öffentliche und private Plätze und Situationen, eine Funktionalität des Raumes für verschiedenen Nutzungen wie Lernen und Entspannen, eine Verbindung zwischen dem Haus und der Natur sowie eine Inspiration aus traditioneller finnischer Kultur und Architektur. Prägend sind sechs transformative Einzelteile: Schiebeblenden für Privatsphären der Außenseite, eine ausklappbare Terrasse, ein mobiler Zaun, eine interne Modulwand mit Schiebetüren, ein ausklappbarer Schreibtisch und eine ausziehbare Treppenleiter.

Danforth in Toronto, Kanada

Yun Zhou studiert im Bachelorstudiengang Gestaltung im Kompetenzfeld Produktdesign, Amelie Wenzel im Bachelorstudiengang Architektur und Trent Woida und Tony Yue studieren im Studiengang Architektur am BCIT. Gemeinsam planten sie ein Tiny House auf einem sehr offenen, großen Park in der Nähe zur belebten Straße in Danforth für ein junges Ehepaar, das in Toronto arbeitet, 25 und 30 Jahre alt ist und keine Kinder hat.

 

Wichtig war es dem Entwurfsteam, viel Platz und den Bezug zur Natur in diesem Tiny House und seiner Umgebung zu integrieren. Dafür schuf es durch eine Aussparung in der Fassade einen kleinen Garten für Gemüse und Kräuter, der sich immer mittransportieren lässt. Platzsparend gestalteten sie das Innenleben. Ein Beispiel dafür ist ein Badezimmer, das in seiner Gänze eine Dusche darstellt, oder Kacheln im Boden, die viel Stauraum bieten. Ein weiteres Highlight ist die selbstentworfene Couch, die unterschiedliche Nutzungsmöglichkeiten bietet. Es eignet sich als Sofa, es ist aufklappbar als Stauraum, es ist umklappbar als Schreibtisch und sogar umbaufähig zu drei Hockern.

Morumbi in Sao Paulo, Brasilien

Im Stadtviertel Morumbi in der Stadt Sao Paulo entwarfen HAWK-Student Gerrit Kilian Gronau, Studiengang Architektur, Zachariah Lemdersi-Filali und Essence Morgan vom BCIT, Studiengang Architectural Science, die ideale Behausung für ein junges Pärchen mit Berufen im Bereich der Meeresbiologe. Das Paar hat eine besondere Verbindung zum Meer und reist daher jedes Wochenende aus der hektischen Großstadt an die Küste.

 

Ein mobiles Haus, was sie an die Zeit auf See erinnert, entspricht ihren Bedürfnissen optimal. Als Designidee wurde entsprechend die Form eines Schiffes aufgegriffen. Der Bug ist ausgestattet mit einer passenden Schlafkoje. In dieser lässt sich mit wenigen Handgriffen das Bett verstauen und ein Tisch ausfahren, der sich zur Arbeit oder zum Essen nutzen lässt. Dazu bietet sich neben dem Schranksystem der Schlafkoje auch Stauraum unter den Treppen. Trotzdem ist das Haus so klein und mobil wie möglich, damit es sich ohne Probleme zwischen Morumbi und dem Meer verlegen lässt.

Kontakt

Profil
Kompetenzfeldkoordination Innenarchitektur
Profilbild Thomas Kauertz
CAD, Beauftragter für Internationales
  • +49/5121/881-245
  • +49/5121/881-200245
  • Hohnsen 2
    (Raum HID_203)
    31134 Hildesheim
Pia Danner/ Foto Markus Windus
Materialbibliothek, Baukonstruktion
  • +49/5121/881-535
  • +49/5121/881-200535
  • Hohnsen 2
    (Raum HID_313 / 325 Turmzimmer)
    31134 Hildesheim