Wie HAWK-Studentin Sandra Holzinger dem Projekt „Leuchtfeuer“ in der Sigwardskirche ein Gesicht gibt
Die kleine romanische Kirche, erbaut im 12. Jahrhundert durch Bischof Sigward von Minden und mit einer noch in Teilen im Original erhaltenen Ausmalung gilt als einer der bedeutendsten sakralen Kleinbauten der Romanik.
Über 10.000 Besucher*innen lockte das kunstgeschichtliche Kleinod in den letzten drei Jahren an. Rund zehn Prozent der Gäste erhielten eine Führung. Durchschnittlich 200 bis 300 Kirchenführer werden pro Jahr verkauft.
„Eine besondere Herausforderung war es, dass wir hier nicht nur im physischen Raum stehen, sondern durch den Multimedia-Guide auch immer den digitalen Raum mitdenken müssen“, so Holzinger, die selber aus der Innenarchitektur kommt, über ihren Projektauftrag: „Im besten Fall sollten beide Räume natürlich miteinander verschmelzen.“
Insgesamt vierzig kleine Sendeeinheiten, sogenannte „beacon“, sind im Kirchenraum versteckt installiert. Die App zeigt über Bluetooth, sobald das Handy in die Nähe der beacon bewegt wird, entsprechende Inhalte an, aus denen Besucher*innen auswählen können. Die Wahl erfolgt ähnlich wie bei einer Zeitung nach den Überschriften. Nach dem Klick erscheinen Texte und Videos. Vor dem Besuch muss die kostenlose App installiert werden. In der Anwendung sind auch alle Inhalte vorhanden, so dass es keiner direkten Datenverbindung während des Besuches bedarf. Es braucht keine feste Route, sondern der Ablauf ergibt sich intuitiv durch die Bewegung im Raum sowie auf der Freifläche der Kirche.
Die meisten Menschen, darunter Pilger*innen, Kunstinteressierte, Tourist*innen, Einheimische und einfach Neugierige, kommen, schauen sich um – und gehen wieder, berichtet Jörg Mecke vom „Freundeskreis Sigwardskirche“ und Projektleiter von „Leuchtfeuer“. Sie finden keine Erklärungstafeln, weil aufgrund des Denkmalschutzes nichts an die Wände der Sigwardskirche geschraubt oder geklebt werden darf. „Und dann kam die Idee, wie man diesen Menschen die Kirche näherbringen kann, ohne dass wir irgendwie die Wand beschädigen und mithilfe von Geräten, die die Menschen selbst mitbringen“, so Mecke über die Projektanfänge. Die Kirchenleitung entscheid, auf ein Medium zu setzen, das sehr viele Menschen nutzen: ihr eigenes Smartphone. Mecke ist sich sicher, dass diese Lösung Schule machen wird und betont: „Dieses Projekt, das die Romanik mit modernster Technik verbindet, ist dahingehend besonders, als dass es in Deutschland nach unserer ausgiebigen Recherche keine andere Kirche gibt, die eine solche Technologie im Einsatz hat.“
Doch wie entdecken die Besucher*innen das Angebot? An dieser Stelle kam die Innenarchitektin Sandra Holzinger ins Spiel. Die HAWK-Studentin im Masterstudiengang Gestaltung gestaltete im Bereich UI/UX-Design die intuitive Nutzung der Inhalte der App. Sie entwickelte das Branding Design vom Logo bis zum gesamten Auftritt. Sie entwarf alle Grafiken für die Kommunikationsmittel, die als Orientierungshilfen vor Ort einen wichtigen vermittelnden Zweck erfüllen, vom Flyer für den Innenbereich bis zu den Schildern auf den Stelen – die sie übrigens als gelernte Tischlerin ebenfalls entwarf und sogar produzierte. „Das Projekt an sich ist ein Paradebeispiel für die interdisziplinäre Gestaltungslehre an der HAWK“, erklärt Sandra Holzinger.
„Das Projekt Leuchtfeuer ist für die Hochschule besonders interessant, weil es Neues und Altes zusammenbringt, moderne Digitalisierung und ganz altes Kulturgut – wie hier die Wandmalerei in der Kirche durch digitale Medien“, so Dr. Marc Hudy, HAWK-Präsident. „Das finde ich großartig und es spricht auch wieder für das, was uns ausmacht: interdisziplinär arbeiten und vernetzt mit unserer Region.“
Genauso sieht es auch Patrick Pütz, betreuender Professor und Dozent für Innenarchitektur an der HAWK: „Es ist ein Projekt, das sehr interdisziplinär laufen konnte und wofür gerade wir an der Fakultät Gestaltung stehen: Wir konnten auf der digitalen und auf der gestalterischen Ebene von Print bis zur Skulptur unterstützen und helfen – und das Ganze zum Leben erwecken.“
Sandra Holzinger wünscht sich vor allem, dass das Projekt funktioniert und von Besucher*innen angenommen wird: „Ich hoffe, dass es auch die Strahlkraft besitzt und
anderen Vereinen, Kirchen, Institutionen zeigt, dass dies eine sehr gute Art und Weise ist, um Geschichten weiter zu erzählen“.