Projekt Migrantische Ökonomie in ländlichen Regionen geht in die zweite Runde

Erscheinungsdatum: 11.12.2017

Das Projekt „MIGOEK - Migrantische Ökonomie für ländliche Kommunen“ geht in die zweite Phase. Im ersten Schritt waren Regionalanalysen in den Landkreisen Cloppenburg, Holzminden und Werra-Meißner durchgeführt, ausgewertet und anschließend in Auftaktveranstaltungen vorgestellt worden. Jetzt sollen Unternehmerinnen und Unternehmer mit Migrationshintergrund befragt werden. Dabei geht es neben der Identifizierung von Hürden auch darum, Erfolgsfaktoren herauszufinden und  Gründungswilligen gute Beispiele zu präsentieren. Zudem sind unterschiedliche Veranstaltungsformate geplant.

Vorgesehen sind Informationsveranstaltungen in den jeweiligen Regionen, die Multiplikator/inn/en, das heißt, Migrant/inn/enorganisationen, mit Integrationsförderung befasste Personen sowie wichtige Netzwerker/innen über die Möglichkeiten von Gründungsberatung informieren.

 

 

Darauf aufbauend sollen in enger Zusammenarbeit mit den Gründungsberater/inne/n der Wirtschaftsförderungen Informationsveranstaltungen für potenzielle Gründer/innen mit Migrationshintergrund abgehalten werden, die über die Rahmenbedingungen von Gründungen in Deutschland informieren. Einen Erfolg kann das Projekt aber bereits jetzt verbuchen: Durch die Präsenz der Mitarbeiterinnen in den Landkreisen sowie die ersten Interviews und die Auftaktveranstaltungen hat bei einer Reihe von Akteur/innen eine Sensibilisierung für eventuell vorhandene spezifische Bedarfe von Gründungswilligen mit Migrationshintergrund sowie eine stärkere Beachtung der Zielgruppe insgesamt stattgefunden.

Migrantische Unternehmen und Gründungen werden in ländlichen Regionen kaum wahrgenommen, dabei stellen sie wichtige Potenziale für die Entwicklung der Innenstädte, für die Integration, für die Aufrechterhaltung der Versorgung, für die Nachfolge bestehender Unternehmen und für viele weitere Bereiche dar. Zudem sind in den nächsten Jahren vermehrt Existenzgründungen von Geflüchteten zu erwarten. Ziel des Projekts „MIGOEK - Migrantische Ökonomie für ländliche Kommunen“ ist es deshalb, Gründerinnen und Gründern sowie Unternehmerinnen und Unternehmern mit Migrationshintergrund eine adäquate Ansprache, Beratung und Unterstützung zu bieten. Darunter werden sowohl bereits seit langer Zeit hier lebende als auch gerade erst zugewanderte Migrant/innen sowie deren Nachkommen verstanden. Ein weiteres Ziel ist, durch Beratung und Workshops die interkulturelle Öffnung und Kompetenz von Verwaltung und Wirtschaftsorganisationen zu steigern.

Das Vorhaben hat im April 2017 planmäßig begonnen. In den ersten Monaten wurden entsprechend des Arbeitsplanes Regionalanalysen in den beteiligten Landkreisen (Cloppenburg, Holzminden und Werra-Meißner) durchgeführt. Hierfür wurden verschiedene Daten ausgewertet (u.a. Gründungsgeschehen, Wirtschaftssituation, Erwerbs-(losen-)quoten) und vor allem Interviews mit Expert/inn/en aus den Bereichen Wirtschaftsförderung und Beratung für Gründungsinteressierte, Integrationsförderung, Banken und Migrant/inn/enorganisationen (ca. 50) durchgeführt und zunächst auf die zentralen Inhalte (Ist-Stand, Bedarfe, Herausforderungen und Handlungsempfehlungen) ausgewertet. Mit den Ergebnissen aus diesen Analysen wurden anschließend in den Landkreisen Auftaktveranstaltungen mit zentralen Akteur/inn/en (Gründungsberatungseinrichtungen, Ämter der Landkreise, Einrichtungen der Integrationsförderung, Wirtschaftsorganisationen und Politik) durchgeführt. Dabei standen neben einer Information über das Vorhaben und die Ergebnisse der Regionalanalysen wiederum Fragen nach Bedarfen und Herausforderungen im Zentrum. Eröffnet wurden die Veranstaltungen jeweils durch die Landräte und Landrätinnen, die die große Bedeutung des Projekts für die Entwicklung der Landkreise hervorhoben. Anschließend stellte das Projektteam erste Ergebnisse zur Diskussion. Im November 2017 fand die erste Sitzung des Projektbeirats in Holzminden statt. Nach einer Vorstellung des Projektstandes und der Diskussion der bisher ermittelten Herausforderungen stand hier die Diskussion um die nächsten Schritte im Projekt im Vordergrund.

Diese ersten Analysen deuten darauf hin, dass es zwar eine Vielzahl von Beratungseinrichtungen in den Landkreisen gibt, diese aber von Gründungswilligen und auch Unternehmer/innen mit Migrationshintergrund aus unterschiedlichen Gründen nicht oder nur wenig genutzt werden. Ein wesentlicher Grund hierfür liegt in der geringen Bekanntheit der Angebote bei migrantischen Gründungswilligen, aber auch bei den Vertreter/inne/n von Migrant/inn/enorganisationen und Einrichtungen zur Integrationsförderung. Deshalb werden Informationen meist im eigenen Umfeld, der Familie oder Vereinen gesucht: „Im Verein wird dann jemand gefragt, der schon Erfahrungen hat, aber der sagt auch nur das, was er selber weiß und dies kann unzureichend oder auch falsch sein“ (Interviewauszug Unternehmer). Migrantische Unternehmer/innen sind zudem selten Mitglied in Wirtschaftsorganisationen: „Wir haben viele Ausländer, die Gastronomen sind, aber die werden kein Mitglied. Warum? Weswegen? Ich weiß es nicht“ (Interviewauszug Wirtschaftsorganisation).

Wichtig erscheint deshalb eine stärkere Vernetzung zwischen den bestehenden Organisationen der Wirtschaftsförderung, der Integrationsberatung und der Migrant/inn/en selbst, um das Wissen über die Arbeit der jeweils anderen zu verbessern. Hierzu sind niedrigschwellige, aber auch proaktive Angebote (Informationsveranstaltungen) erforderlich. Es geht darum, Hürden ab- und Vertrauen aufzubauen. Beratungsangebote sollen auch von Menschen mit Migrationshintergrund vermehrt genutzt werden, um damit letztlich den Geschäftserfolg zu erhöhen. Sinnvoll wäre zudem, Unternehmen (mit Migrationshintergrund) nach der Gründung weiter zu begleiten. Hierzu können beispielsweise Mentor/innen beitragen. Insgesamt sind auch eine Verbesserung der interkulturellen Kompetenzen von Berater/inne/n und eine interkulturelle Öffnung der Organisationen angezeigt.

Das Verbundprojekt wird in Zusammenarbeit der HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim/Holzminden/Göttingen mit den Landkreisen Cloppenburg, Holzminden und dem Werra-Meißner-Kreis durchgeführt. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert das Vorhaben im Rahmenprogramm Forschung für Nachhaltige Entwicklung (FONA), Fördermaßnahme „Kommunen innovativ“ seit dem 1. April 2017 für insgesamt drei Jahre mit rund 450.000 Euro. Die Projektarbeit in den Landkreisen wird von Jackelinne Gomes de Alvarenga (Landkreis Cloppenburg), Julia Yildiz (Landkreis Holzminden) und Sarah Metz (Werra-Meißner-Kreis) durchgeführt. Die Projektleitung an der HAWK nehmen Prof. Dr. Jörg Lahner und Prof. Dr. Leonie Wagner wahr, Projektkoordinatorin ist Dr. Anke Kaschlik.