Prof. Dr. Jürgen Erbach thematisierte die Herausforderungen, die Bevölkerungsrückgänge für Kommunen haben und stellte Lösungsansätze vor
„Pro- oder antizyklisch handeln? Senioren- oder Kindergärten?“ lautete der Titel des Vortrags, den Prof. Dr. Jürgen Erbach im Rahmen der Interdisziplinären Arbeitsgruppe (IAG) Demografie und Sozialer Raumjetzt an der HAWK präsentierte. Nach einem Problemaufriss, in dem wichtige Elemente demografischer Prozesse und traditionelle Gestaltungskonzepte vorgestellt wurden, erläuterte Erbach am Beispiel der Stadt Wetzlar, alternative Lösungen.
Im Zentrum stand dabei die Notwendigkeit, von der Außen- zur Innenentwicklung zu gelangen, also Versorgungs- und Bildungseinrichtungen nicht weiter auf die „grüne Wiese“ zu verlagern, sondern zur Belebung leer stehender Innenstädte zu nutzen. Statt nur auf die Ansiedlung von Senioren und Seniorinnen zu setzen, schlägt Erbach vor, für ein ausgewogenes und den Bedürfnissen unterschiedlicher Generationen angemessenes Verhältnis in den Städten zu sorgen. Mit dem Stichwort „Eine Stadt für alle“ forderte er eine barrierefreie Stadt, in der die Vielfalt der Bevölkerung und deren unterschiedliche Bedarfe Berücksichtigung finden.
In der angeregten Diskussion ging es um verschiedene Fragen, die der Vortrag aufgeworfen hat: Wie kann bei Wegzug der Kinder und Enkel die Betreuung der Älteren aufrechterhalten werden? Ist es nachhaltig, neue Flächen teuer zu erschließen und gleichzeitig noch funktionierende Gebäude in den Innenstädten abzureißen? Ist es tatsächlich die Arbeit(sstelle), die die Attraktivität eines Ortes ausmacht – oder ist Arbeit ein „flexibles Gut“ geworden, zu dem man hinfährt, um an einem anderen Ort zu leben? Wie kann mehr Beteiligung von Bürgern und Bürgerinnen ermöglicht werden? Ist Wettbewerb zwischen Kommunen sinnvoll – oder sollte es um eine „Zusammenschau der Region“ und ein Herausarbeiten der Vorteile in der Kooperation gehen? Welche Rolle spielen dabei Politik – welche Aufgaben haben auch die Besitzer von Immobilien?
Wer sich nun unter Seniorengärten etwa Parkanlagen vorstellt, liegt falsch. Erbachs Idee: Ähnlich wie in die Kindergärten werden Senioren und Seniorinnen in den Seniorengarten gebracht, wo sie tagsüber betreut und begleitet werden. Letzten Endes sind kreative Lösungen gefragt – und vor allem die Einsicht in die Notwendigkeit, dass die Politik die Augen vor den Herausforderungen nicht verschließt.
Die Reihe wird fortgesetzt mit dem Vortrag von Dr. Gerhard Litges zum Thema „Holzminden von unten. Das Fachkonzept Sozialraumorientierung und die Aktivierung ansässiger Armutsbevölkerung“, Dienstag 4. Januar 2012, 18 Uhr, Hafendamm Raum 202.