Russische Gastwissenschaftlerin Yulia Griber arbeitet am Hornemann Institut
Yulia Griber arbeitet jetzt für drei Monate als Gastwissenschaftlerin in Hildesheim. Ihr Ziel ist die Systematisierung und Synchronisierung von Begriffen der russischen Kunst- und Kulturgeschichte mit den europäischen Standards. Sie hat das Nachschlagewerk auch gemeinsam mit ihren russischen Kolleginnen und Kollegen ins Russische übersetzt.
EwaGlos steht für European Illustrated Glossary of Conservation Terms for Wall Paintings and Architectural Surfaces. Weil die Restaurierungswissenschaften bisher keine international einheitliche Fachterminologie besaßen, entwickelte ein europäisches Konsortium aus sieben wissenschaftlichen Institutionen – unter Leitung von Dr. Angela Weyer – das ursprünglich elfsprachige, reich illustrierte Glossar EwaGlos: 70 Expertinnen und Experten aus zwölf europäischen Ländern definierten hierbei im Rahmen eines von der EU mitfinanzierten Projekts 200 Fachbegriffe prägnant und illustrierten sie möglichst zweifelsfrei.
Yulia Griber hat in Smolensk Linguistik studiert, in Moskau in Philosophie promoviert, an der deutschen Fernuniversität Hagen einen Bachelor in Soziologie absolviert und schließlich in St. Petersburg im Bereich Kulturwissenschaften habilitiert. Heute leitet sie an der Universität von Smolensk den Studiengang Kulturmanagement und ist Direktorin des dortigen ColorLab. „Das Labor ist in Russland einzigartig“, erzählt die 43-Jährige, „wir erforschen die Reaktion von Menschen auf Farben. Reagieren Frauen anders auf Farben als Männer oder haben verschiedene Altersgruppen auch unterschiedliche Farbpräferenzen? Um diese Fragen drehen sich unsere Projekte.“
Mit dem Hornemann Institut kam Griber schon 2011 im Zuge ihres ersten Stipendiums für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden in Kontakt. Ihr betreuender Professor am Studiengang Restaurierung, Dr. Thomas Danzl, ermutigte sie, sich als Referentin für die Internationale Tagung „Geteilt – Vereint! Denkmalpflege in Mitteleuropa zur Zeit des Eisernen Vorhangs und heute“ 2013 in Hildesheim zu bewerben. Die Tagung war von Prof. Dr. Ursula Schädler-Saub und Dr. Angela Weyer von der HAWK organisiert worden. Yulia Griber wurde mit ihrem Thema „Zur Denkmalpflege an kirchlichen Bauten in der ehemaligen Sowjetunion am Beispiel Smolensk“ eingeladen. Weyer und Griber blieben danach in Kontakt.
2015 konnte das Hornemann Institut schließlich die Veröffentlichung des weltweit ersten Glossars für Fachbegriffe der Wandmalerei und Architekturoberfläche in elf Sprachen feiern. Heute steht es online in 11 Sprachen zur Verfügung, übersetzt ist das englische Werk in 14 Sprachen. Die jüngste - und damit die 15 Sprache insgesamt - ist bisher die persische Übersetzung. Anfang 2020 folgt eine weitere: die russische – erarbeitet von Yulia Griber und ihren Kolleginnen und Kollegen aus Smolensk. Angela Weyer hatte ein gedrucktes Exemplar von EwaGlos nach Smolensk geschickt – verbunden mit der Einladung, das Werk ins Russische zu übertragen. „Wir waren sehr stolz auf dieses Angebot. Mit sieben Kolleginnen und Kollegen dauerte es dann mehr als ein Jahr, bis wir fertig waren.“ Ein Stipendium des russischen Präsidenten ermöglicht jetzt sogar die Finanzierung des Druckes, der Ende Januar vorliegen soll.
Ein weiteres DAAD-Stipendium ermöglicht es Griber nun, für drei Monate als Gastwissenschaftlerin am Hornemann Institut zu arbeiten. Ihr Projekt ist, die Übersetzung zu kommentieren. Die in Russland vorhandenen Besonderheiten bei der Erhaltung von Kulturgut sind der europäischen Wissenschaft oft nicht bekannt, weil sie einfach nicht in andere Sprachen übersetzt wurden. Einzigartige Studien zu sozialen Themen, kulturellen Besonderheiten des Landes selbst und insbesondere seiner Architektur sind häufig nur national bekannt. Jetzt geht es bei Griber um die Synchronisierung und Interpretation der Begriffe, was vom heimischen Schreibtisch aus unmöglich gewesen wäre. Denn dazu gehört viel Literatur, die sie in Hildesheim findet. „In Russland hätte ich kein einziges Buch aus der EwaGlos-Bibliografie gefunden. Hier ist es wie im Paradies, alles, was ich brauche, bekomme ich in der HAWK-Bibliothek auf dem Campus oder in der wundervollen Dombibliothek.“ So ganz nebenbei „studiert“ Yulia Griber auch Landeskunde, indem sie die deutschen Weihnachtsbräuche und das leckere Essen genießt. „Aber auch in die Arbeitsweise des weltbekannten Hornemann Instituts habe ich Einblicke bekommen, den internationalen Wissenstransfer, die Online-Kurse und Tagungen. All das ist auch ein Modell für mein Labor in Smolensk“, betont sie.
Doch auch wenn die russische Übersetzung veröffentlicht, die Kommentierung fertiggestellt ist und Yulia Griber Ende Januar nach Smolensk zurückkehrt – das Nachschlagewerk EwaGlos für eine international einheitliche Fachterminologie wird Griber weiter beschäftigen und den Kontakt zum Hornemann Institut lebendig halten. Denn Angela Weyer plant EwaGlos II: „Wir werden das Glossar digitalisieren und dabei erweitern. Unser Ziel ist, eine App zu entwickeln, die Restauratorinnen und Restauratoren auf dem Gerüst auf ihrem Smartphone aufrufen können und Fragen zu Erhaltungsmaßnahmen direkt online klären können“, kündigt Weyer an: „Nahezu alle Partnerorganisationen haben schon zugesagt.“ Und Prof. Dr. Yulia Griber wird dabei sein.
Bild oben:
Dr. Angela Weyer, Leiterin des Hornemann Instituts der HAWK, und Gastwissenschaftlerin Prof. Dr. Yulia Griber arbeiten gemeinsam am Projekt EwaGlos II
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