Eine Ausstellung über intelligentes Spielzeug

Erscheinungsdatum: 28.03.2019

Was macht ein gutes Spielzeug aus? Mit dieser Frage haben sich rund 20 Studierende der Fakultät Gestaltung der HAWK in Hildesheim auseinandergesetzt. Unter Leitung von Prof. Andreas Schulz und Prof. Hartwig Gerbracht ging es um die Entwicklung von Spielzeug für Menschen genauso wie für Vögel in Bezug auf Material und Anwendung. Das Ziel dabei war, eine Idee über das Modell bis zum fertigen Produkt zu entwickeln. Eröffnet wird die Ausstellung am Mittwoch, 03. April, um 18:00 Uhr im Foyer von Haus E im Campus Weinberg in Hildesheim.

Das Thema konnte vollkommen offen bearbeitet werden. Vorgegeben wurde nur, Möglichkeiten wie Lernen, Beschäftigung, Nachdenken, Geschicklichkeit und Motorik fördern, Kontakt aufnehmen und integrieren in die Ideenfindung einfließen zu lassen. Der Prozess wurde begleitet mit Diskussionen um die Materialgerechtigkeit des Entwurfes. Dazu wurde viel Eigenständigkeit gefordert – die Studierenden sollten ihre Entwürfe stets selbstkritisch auf Innovation, Spielwert und Machbarkeit überprüfen.

Entsprechend attraktiv gestaltet sich die Auswahl der Spielzeuge für Menschen. Das ganze Jahr Spaß verspricht Joana Franke mit EGG. Im Sommer ist die Schale aus Kunststoff ein Hängesessel, im Winter ein Schlitten. Der verfügt vorne über eine Ablage für die Füße, die mit den Kufen an den Seiten verbunden ist. Um komfortabel in der Sitzschale zu sitzen, gibt es für den Schlitten ein Sitzkissen, das herausnehmbar ist. Um EGG das ganze Jahr über nutzen zu können, ist das Gestell für den Schlitten so konstruiert, dass man die Sitzschale entfernen kann. Die Sitzschale kann nun mit einem Seil, welches durch das Loch vorne gefädelt wird, aufgehängt werden. Für den Hängesessel gibt es ein weiteres Kissen, das dafür sorgt, dass das Kind beim Benutzen nicht herausrutscht.

 

Sehr futuristisch mutet das orthetische Exoskelett Mani von Konstantin Goertz an. Mit diesem können motorische und haptische Fähigkeiten eingeschränkter Personen spielerisch wiederhergestellt und gefördert werden - bei einer gleichzeitigen Entlastung der Muskeln und Gelenke. Verbunden mit einem kollaborierenden 6-Achs-Roboter ermöglicht Mani zu greifen, zu heben, zu schreiben, Brettspiele oder Klavier zu spielen oder sogar Modelle mithilfe eines 3-D-Stifts zu generieren. Mani richtet sich an Opfer von Schlaganfällen, Patient/inn/en mit Multipler Sklerose und Parkinson und unterstützt die Heilung von Bänderrissen und Knochenbrüchen. Da viele Teile des Exoskeletts günstig im 3-D-Druckverfahren hergestellt werden können, überzeugt Mani durch geringe Größe und Kosten sowie natürlich durch das adaptive Design.

Einbruchsicher und formschön überrascht der Mini-Tresor von Tom Müller. Der metallene Zylinder mit der fünfstelligen Zahlenkombination in der Mitte gehört zur Familie der Trickboxen und Taschenrätsel. Die richtige Zahlenreihenfolge öffnet den Tresor, doch eine einzelne Kombination alleine wird nicht ausreichen. Dieses Spielzeug ist mit einem Durchmesser von vier Zentimetern und einer Länge von zwölf Zentimetern klein genug, um in der Tasche mitgeführt zu werden. So kann das Rätsel nach und nach beim Warten auf den Bus gelöst werden.

Eher klassisch und ebenfalls mit viel Metall löst Deniz Köse mit Messing around die Aufgabe. Der Name ist Programm bei dem kleinen Kreisel aus Messing, dem großen Kreisel aus Baustahl als Körpermitte und einem Messing-Standfuß, der gleichzeitig Skulptur wie Spielzeug ist. Durch das Arrangieren eines harmonischen Gesamtbildes, der gründlichen Materialpolitur und den bauchigen Formen wirkt das Modell edel in der Erscheinung und gleichzeitig leicht im Gewicht. Trotzdem ist es eine spielerische Herausforderung, die Kreisel mit dem richtigen Feingefühl der Motorik zum Rotieren um die eigene Achse zu bringen. Ein echter Hingucker für den Schreibtisch.

Mit Shift hat Dennis Rezvan zwei Spieleklassiker geschickt kombiniert. Sein Ansatz war: Menschen aller Altersgruppen spielen – nur leider selten zusammen. Mit dem Ziel, Jung und Alt an einen Tisch zu bekommen, ist das Brettspiel Shift entstanden. Es ist ein Mix aus Schach und Das verrückte Labyrinth. Die Spielfiguren bewegen sich ganz nach den Regeln des Schachs. Mit dem Unterschied, dass sich die einzelnen Reihen des Spielbretts selbst verschieben lassen. Dadurch bekommt das Spiel eine ganz neue Dynamik, da mit einem Zug mehrere Figuren nach vorne oder zur Seite verschoben werden können. Den Schachfiguren hat er ein zeitgemäßes Design verpasst. Wer gerne denkt, wird Shift lieben.

Auf ähnlichem Terrain schreitet Simon Haueis mit seiner Kollektion Damass. Er entschleunigte die Grundform von Schachfiguren, indem er durch die Reduzierung auf das Wesentliche die einzelnen Spielfiguren in ihrer Exklusivität betont. Seine Materialwahl fiel auf Damaszenerstahl, weil der aus zwei verschiedenen Stahlsorten besteht. Dadurch befinden sich in den schwarzen Figuren silberne Streifen und umgekehrt. 

Ebenfalls auf Spielfiguren basiert die Kollektion recombination. In einer Welt, die zum großen Teil aus Konsumgütern mit definierten Funktionen besteht, stellen Verena Witthuhns Objekte aus Holz einen Gegenentwurf dar, der mit Erwartungen an Form und Funktionen spielt und bricht. Sie geben keine Regeln vor und wollen vielmehr dazu anregen, eigene Spielbedingungen und Systeme zu denken. Anstatt zu reglementieren, darf sich die Kreativität frei entfalten. Wer möchte, wird sich entgegen der Gewohnheit, die Dinge schnell und gezielt zu konsumieren, weiter mit ihnen beschäftigen und lässt sich in neue, gedankliche Erlebniswelten entführen.

Leah Kiehne fühlt in den Raum mit ihrem funktionsfähigen Prototyp namens Leitstein. Entwickelt werden sollte ein Spielkonzept, das junge Menschen mit der Sinneseinschränkung Gehörlosigkeit einbezieht. Es wird also unabhängig von auditiven Signalen kommuniziert. Während andere Spiele für Gehörlose sich visuell die Gebärdensprache zunutze machen, spricht Leitstein explizit die Sinne an, die viele Menschen verbindet: den taktilen Sinn in der Handinnenfläche und die Fantasie. So werden Spielende, die der Gebärdensprache nicht mächtig sind, ebenfalls einbezogen. Es ergibt also keinen Unterschied, ob die Spielenden hören können oder welche Sprachen sie beherrschen. Deshalb ist es denkbar, dass das Spiel auch von Menschen mit Sehbehinderung gespielt werden kann.

Leitstein funktioniert wie folgt: Es eröffnet sich ein geheimer Raum, der vom Spielenden erforscht und erkundet wird. Der Spielende trainiert, sich per Vorstellungskraft zu orientieren. Je nach Spielmodus werden die Spielenden zum Beispiel durch ein Labyrinth geleitet – möglichst ohne die Wände zu berühren werden Formen, versteckte Schätze oder Punkte vor dem Gegenspielenden oder dem gegnerischen Team entdeckt. Alles, was man braucht, ist die Bereitschaft, ein Feingefühl für die Impulse des Leitsteins zu entwickeln, der in einer Hand gehalten,  der Wegweiser ist. Der Leitstein gilt als Medium zwischen realer und virtueller Welt und kann sowohl vom Spielenden befasst, als auch von der Software erfasst werden. In Echtzeit teilt der Leitstein der Software seine Position mit, sodass diese den Weg des Spielenden registrieren kann. Wird eine Spielwand übertreten, gibt es ein haptisches Feedback in Form einer Vibration im Leitstein. Soll ein Zielpunkt auf der Spielkarte gefunden werden, so wird durch ansteigende Vibration signalisiert.

Für gehörlose Kinder konstruiert ist Helro, ein Helm, der Schutz bietet für kleine Helden im Alter von drei bis fünf Jahren. Die Entwürfe von Giraldo de la Mata vermitteln Coolness und schützen gleichzeitig bei ungewollten Stürzen oder Kollisionen mit Hindernissen des Alltags.

PS-Fans werfen ihr Auge sicherlich auf das RC-Motorrad. Per Fernsteuerung lässt Jonas Fey drei Elektromotoren bedienen, die über einen aufladbaren Akku mit Strom versorgt werden. Das alles rollt im Maßstab 1:18 vorbei.

Für die Vögel sind ebenfalls äußerst spannende Ideen entstanden. Anne Feldhof hat mit Yngste einen Vogelnestplatz für Gartenvögel im Stadtraum geschaffen. Damit wird verhindert, dass sich Vögel beispielsweise in Dachnieschen niederlassen. Yngste wird im oberen Drittel einer Straßenlaterne oder Ampel angebracht, um das Ungestörtsein des Vogelnests zu gewährleisten und damit die Aufzucht der Vogeljungen zu erleichtern. Henrike Joana Cohrs entwickelte mit Birds Nest aus drei Millimeter starkem Acrylglas einen skulptural anmutenden Spender für Streufutter. Die aus Dreiecken zusammengesetzte Trichterform, die darin enthaltenen schrägen Linien und verdrehte Hängung sowie der Formkontrast zwischen Silo und kreisrunder Plattform verleihen dem Futterspender eine dynamische Ästhetik.

Die Vogelbude Bibo verfolgt das Ziel, ein Vogelhaus anzubieten, das ohne Werkzeug oder Klebstoff zusammengesetzt werden kann. Johannes Hermanns setzt bei der Gestaltung auf eine hängende Tropfenform mit viel Platz im Inneren, gute Anflugmöglichkeiten und diverse Möglichkeiten zur Platzierung von Futter. Vivien Rödiger bietet mit Diflu Vögeln mehr Möglichkeiten und Plätze zur Nahrungsaufnahme in Städten. An Laternen oder Verkehrsschilderstangen wird es mit einem cleveren Stecksystem befestigt, was den Eindruck vermittelt, es würde schweben.

Öffnungszeiten

Die Ausstellung „Vom Spielen und Fliegen“ ist montags bis freitags, 4. bis 12. April, von 09:00 Uhr bis 18:00 Uhr geöffnet. Sie findet statt im Foyer vom Haus E im Campus Weinberg, Renatastraße 11 in 31134 Hildesheim. Der Eintritt ist frei. Die Eröffnung findet am 3. April um 18:00 Uhr statt.

Kontakt

Hartwig Gerbracht
Metallgestaltung / Geräte und Gefäße der Tischkultur, Architektur- und raumbezogene Arbeiten, Studiendekan Bachelor Gestaltung