Eine Vielzahl deutscher Kindertagesstätten arbeitet derzeit auf der Basis eines pädagogischen Konzepts aus Schweden, dem sogenannten „Baum der Erkenntnis“. HAWK-Professorin Dr. Ruth Jäger und ihre wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin MA Raya Wolgem haben die „Baum“-Praxis im Rahmen eines EU-geförderten Forschungsprojektes in neun niedersächsischen Kindertageseinrichtungen unter die Lupe genommen. Bei der Tagung „Vom Papier in die Praxis – zehn Jahre ‚Baum der Erkenntnis‘“ werden jetzt Ergebnisse in Hildesheim vorgestellt.
Der „Baum der Erkenntnis“ erschien in Oktober 2003 in deutscher Sprache. Gerade hatten die Ergebnisse der ersten PISA- und IGLU-Studien eine bundesweite Diskussion über das Bildungswesen in Deutschland ausgelöst. Man fragte sich, was die skandinavischen Länder anders machen, um zu solch guten Ergebnissen zu gelangen. Entwicklung und Lernen mussten neu gedacht werden. Die Bedeutung frühkindlicher Bildung rückte in den Fokus.
Der „Baum der Erkenntnis“ verdeutlicht in hervorragender Weise die ganzheitliche Sicht auf das Kind und das Bild vom aktiven Kind, welche das schwedische Bildungswesen kennzeichnen. In ihm werden die Lehrpläne für die schwedische Vorschule und die Schule in Form eines Baumes dargestellt. Mit diesem „Baum“ lassen sich somit Entwicklung und Lernen von Kindern vom ersten bis zum sechzehnten Lebensjahr verfolgen und dokumentieren. Idee und Gestaltung überzeugte in allen Bundesländern viele Pädagoginnen und Pädagogen: Sie benutzen den „Baum der Erkenntnis“ als Beobachtungs- und Dokumentationssystem in ihren Einrichtungen. Darüber hinaus ist der „Baum“ präsent in vielen Fachdiskussionen, die die Stärken der Kinder in den Mittelpunkt stellen.
Die Herausgeber des „Baums“, Marianne und Lasse Berger , berichten immer wieder von positiven Rückmeldungen aus den Einrichtungen, die längere Zeit mit dem „Baum“ arbeiten. Sie hören,
- dass sich die pädagogischen Gespräche in den Teams veränderten,
- dass der Blick auf die Stärken der Kinder gerichtet werde, und nicht auf das, was sie nicht können,
- dass die Kinder motiviert würden, über ihre eigene Entwicklung zu reflektieren und
- dass Eltern über die Dokumentationen im Baum besser zur Mitarbeit angeregt würden.
Solche und andere Erfahrungen, die Kindertagesstätten mit dem „Baum“ machen, interessieren die HAWK-Professorin Dr. Ruth Jäger und ihre wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin MA Raya Wolgem. Mit ihren nüchternen wissenschaftlichen Blicken haben sie die „Baum“-Praxis in neun niedersächsischen Kindertageseinrichtungen unter die Lupe genommen: Interviews geführt, Teams von pädagogische Fachkräften zum Diskutieren gebracht, Eltern befragt.
Sie wollen das Rad nicht neu erfinden, sondern zur Nachhaltigkeit von pädagogischer Arbeit beitragen. Und so stellten sie sich folgende Fragen:
- Wie kommt der Baum der Erkenntnis in die Praxis?
- Wie wird das Verfahren eingeführt und eingesetzt?
- Welche Erfahrungen sammeln die pädagogischen Fachkräfte mit dem Verfahren?
Das Forschungsprojekt der beiden Wissenschaftlerinnen wird durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und das Land Niedersachsen gefördert. Im Rahmen der Fachtagung werden nun erstmals Forschungsergebnisse der Fachöffentlichkeit vorgestellt.
Der „Baum der Erkenntnis“ kommt aus Schweden und auch die Fachtagung wird schwedische Gäste begrüßen können:
Göran Frisk von der Kinder- und Jugendbehörde in Halmstad, Schweden, wird über die Entstehungsgeschichte des „Baums der Erkenntnis“ berichten und darüber, welche Bedeutung er damals in der bildungspolitischen Debatte in Schweden hatte.
Leif Strandberg, aus Söderhamn, Schweden, wird ein Referat mit dem Titel „Wygotzki in der Vorschule – Spiel und Lernen von Kindern im Baum der Erkenntnis“ halten. Er arbeitet seit vielen Jahren in Schweden als Projektleiter an der Entwicklung von Vorschulen und Schulen.
Fachtagung
Vom Papier in die Praxis – zehn Jahre „Baum der Erkenntnis“
09:30 bis 16:00 Uhr, HAWK, Goschentor 1, Hildesheim
Die Tagung richtet sich an pädagogische Fachkräfte von Kindertagesstätten und Schulen, ist aber auch offen für weitere Interessierte.
Anmeldung bis 25. September 2013 per Mail an <nelly.desfeux@verdi.de>
Tagungsgebühr 35,00 € ( am Tagungsort zu zahlen)
Prof. Dr. Ruth Jäger
Der Tagungsflyer