Prof. Rosemarie Meyer von der Fakultät Soziale Arbeit und Gesundheit an der HAWKist jetzt im Rahmen einer Feierstunde in den Ruhestand verabschiedet worden. „Als Vertreter seines Vorgängers“ übergab Prof. Dr. Johannes Kolb, ehemaliger Rektor und Präsident der HAWK die Verabschiedungsurkunde. Prof. Christel Öhlmann hielt die Laudatio. Die ehemalige Kollegin erinnerte an gemeinsame Jahre und viele wegweisende Entwicklungen am damaligen Fachbereich. Außerdem richteten HAWK-Vizepräsident Prof. Dr. Hubert Merkel und die Dekanin der Fakultät, Prof. Dr. Maria Busche-Baumann, herzliche Dankesworte an die scheidende Professorin. Zu den Festgästen gehörte neben vielen Hochschulangehörigen auch der ehemaliger Kanzler der HAWK, Gerd Sutor.
Käme jemand auf die Idee, Rosemarie Meyer als tugendhaft zu beschreiben, die 65-Jährige würde vermutlich energisch widersprechen. Es sei denn, dieses ‚tugendhaft’ sei im Sinne des Philosophen Wilhelm von Humboldt gemeint. Dieser hat nämlich einmal gesagt: „Meiner Idee nach ist Energie die erste und einzige Tugend des Menschen.“ Und Energie ist das Markenzeichen der Professorin an der Fakultät Soziale Arbeit und Gesundheit der HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst. Rosemarie Meyer geht nach 34 Jahren in den Ruhestand. Sie war von Anfang an dabei, hat gelehrt, gestaltet und die Hochschule von 1990 bis 1996 auch als Prorektorin mit geführt.
Sie ist temperamentvoll, präsent und konzentriert. Dürften die Eigenschaften von Sekt zum Vergleich herangezogen werden, der Sekt schnitte als Schlaftrunk ab. Rosemarie Meyer hat 1971 als Professorin für die Fächer Pädagogik und Psychologie an der damaligen Fachhochschule Hildesheim begonnen. Ihr Schwerpunkt war die Vorschulpädagogik. Und ihre hellblauen Augen leuchten heftig, wenn sie sagt: „Nach den Ergebnissen der Pisa-Studie wird heute dringend mehr Vorschulpädagogik und die akademische Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern gefordert. Und das zu Recht. Ärgerlich ist nur, dass es das in den 1970er Jahren schon gab und dann kurzsichtig wegen Geldmangels zurückgefahren wurde.“
Die Professorin nimmt kein Blatt vor den Mund. Sie mischt sich ein. Das hat sie auch an der Hochschule getan: Sie war maßgeblich am Aufbau und der Gestaltung des Studiengangs Sozialpädagogik beteiligt und hat im und auch nach dem Boom der Bildungsreform in den 70ern Generationen von Sozialpädagoginnen sensibel und fit gemacht für die Förderung von Vorschulkindern. Wichtig waren ihr dabei insbesondere Aspekte von Lernfähigkeit, Integration und Prävention von Sucht und Aggression im Elementarbereich, auf die die heutige Politik im Pisastress zurückgreifen könne.
„Ich war in allen Gremien“, sagt sie lachend. Als Dekanin hat sie von 1979 bis 1981 die Geschicke des damaligen Fachbereichs geleitet, dessen Bibliothek sie in den Anfängen auch aufgebaut hat. Der Fachbereich startete seine Lehre 1971 in zwei damals nicht ganz wasserfesten Pavillons, die die Stadt in einen Ochtersumer Rübenacker gestellt hatte. „Ich habe mich um die Bücher gekümmert und musste sie nächtens inventarisieren, weil sie mir tagsüber von den Kollegen aus den Händen gerissen wurden.“ Rosemarie Meyer hat anfangs ohnehin viel nachts gearbeitet, denn tagsüber forderte die Tochter ihren Einsatz, wenn die Vorlesungen vorüber waren.
„Beruf und Kind konnte ich nur vereinbaren, weil ich als Professorin vergleichsweise flexible Arbeitzeiten hatte. Aber ich wollte eben alles: Nutzen, was ich gelernt hatte und trotzdem Mutter sein.“ Damals sei dies noch weniger selbstverständlich gewesen als heute, erinnert sich Rosemarie Meyer, zumal sie im klassischen Mädchenbild frei nach dem Motto „Hauptsache, sie findet einen Mann“, erzogen worden sei. Aber sie habe schon gegen den Widerstand ihrer Eltern Abitur gemacht und gegen deren Widerstand studiert – Diplom-Pädagogik in Bielefeld, Münster und Dortmund.
Geboren wurde Rosemarie Meyer 1940 in Crossen an der Oder und kam 1947 mit ihrer Familie über die „Grüne Grenze“ in den Westen.
In Westfalen und Niedersachsen ist sie später wenigstens zwölf Mal umgezogen bis sie sich 1971 in Hildesheim niederließ. Und immer gab es Entwicklung in ihrem Leben. Ihren fachlichen Schwerpunkt an der Hochschule richtete sie nach der Zeit als Prorektorin neben Rektor und späterem Präsidenten Prof. Dr. Johannes Kolb völlig neu aus: Ihren ausgeprägten Gestaltungswillen manifestierte sie auf handfeste Art in dem Themengebiet Ästhetik und Kommunikation, zwei- und dreidimensionales Gestalten mit dem Schwerpunkt Textil. Dabei ging es darum, fachdidaktische Modelle und Konzepte für die sozialpädagogische Arbeit mit unterschiedlichen Zielgruppen zu entwickeln. Das sagt sie streitlustig, denn bis heute habe sich unter Gestaltern und vielen Künstlern die Ansicht gehalten, man bastele am Hohnsen 1 mit Klorollen. Dies sei mitnichten so.
Privat hat sich Rosemarie Meyer 1980 ihr eigenes Atelier in Diekholzen eingerichtet. 1985 war sie Mitbegründerin der Künstlergruppe „Aktion Textil“. In rund 30 Ausstellungen hat sie unterdessen ihre Werke gezeigt, die sich mit sozialkritischen Themen auseinandersetzen. Nach der Verabschiedung aus der Hochschule wird sie ihre Energie in die künstlerische Leidenschaft stecken, so wie immer – temperamentvoll, präsent und konzentriert.