Erscheinungsdatum: 02.07.2009

Best practice-Club - Familie in der Hochschule tagt in Hildesheim / HAWK und MHH gehören dazu

Das Angebot eines gut strukturierten und finanziell stabil abgesicherten Teilzeitstudiums könnte vielen Menschen helfen, ihre Ziele zu erreichen – auch mit Familie. In diesem Punkt waren sich die Bildungsexpertinnen und -experten bei der politischen Runde der HAWK einig. So einfach das Projekt Teilzeitstudium klingt, so kompliziert ist es allerdings in die Tat umzusetzen. Auf der einen Seite fehlt das Geld, auf der anderen behindert restriktive Regelauslegung neue Entwicklungen. Die Hochschulen selbst, die Bafög-Ämter, die Gesetzgeber ebenso wie die Länder und der Bund sind an unterschiedlichen Stellen beteiligt, was erfahrungsgemäß nicht ganz einfach unter einen Hut zu bringen ist.

Als Gastgeber der vierten Sitzung des „best practice-Clubs – Familie in der Hochschule“ hatten die HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim / Holzminden / Göttingen und die Medizinische Hochschule Hannover (MHH) nach Hildesheim ins Tagungshaus St. Vinzenz eingeladen: Auf dem Podium saßen die ehemalige Bundeswissenschaftsministerin Edelgard Bulmahn (SPD / MdB), die Referatsleiterin Gleichstellung im Niedersächsischen Wissenschaftsministerium, Dr. Barbara Hartung, Brigitte Pothmer (Bündnis 90/Die Grünen / MdB), Jens Nacke (CDU /MdL) und Christian Grascha (FDP / MdL) sowie Moderator Prof. Dr. Frank Ziegele vom Centrum für Hochschulentwicklung (CHE).

Das Publikum oder - besser gesagt – das Diskussionsforum war nicht irgendwer, sondern eine Reihe höchst versierter Hochschulvertreter und -vertreterinnen. Den „best practice-Club“ bilden nämlich die acht Sieger des Bundeswettbewerbs „Familie in der Hochschule“, den die Robert Bosch Stiftung (RBSG), der Bundesverkehrsminister als Beauftragter für die neuen Bundesländer und das Centrum für Hochschulentwicklung 2007 ausgeschrieben hatten. Die Siegerhochschulen waren für ihre hervorragenden Konzepte ausgezeichnet worden und hatten den Club gegründet, um Erfahrungen auszutauschen und Entwicklungen künftig auch gemeinsam vorantreiben zu können, wie HAWK-Präsident Prof. Dr. Martin Thren bei seiner Begrüßungsrede hervorhob. Zum Club gehören die Freie Universität Berlin, die Beuth-Hochschule für Technik Berlin, die Friedrich-Schiller-Universität Jena, die Philipps-Universität Jena, die Fachhochschule Potsdam, die Hochschule Wismar, die MHH und die HAWK.

So sah sich Edelgard Bulmahn geballtem Fachwissen gegenüber, als sie betonte, die gesetzlichen Regelungen aus ihrer Amtszeit zu Finanzierung und zu Altersgrenzen ließen Teilzeitstudium längst zu, man müsse sie nur anwenden. Die Gesetze seien den Hochschulen durchaus bekannt, betonte Profin. Dr. Barbara Buschmann von der Beuth-Hochschule in Berlin. Sie nützten den Studierenden nur gar nichts, wenn sie kein Geld vom Bafög-Amt bekämen, weil diese die gesetzlichen Regelungen restriktiv auslegten. Hier sei das Umsteuern eine Aufgabe der Politik, betonte auch Ingrid Haasper, Gleichstellungsbeauftragte der HAWK.

Die HAWK hatte den Bundeswettbewerb mit ihrem Konzept für die Entwicklung von Teilzeitstudiengängen als zentrale Säule der Familiengerechten Hochschule gewonnen. Im Rahmen eines Projektes werden jetzt Studienstruktur und -organisation entwickelt, die ersten Studiengänge starten zu diesem Wintersemester 2009/2010 (siehe Kasten unten). Mit dem Teilzeitstudium müsse auch der weitere Ausbau der Kinderbetreuung einhergehen, forderten Politiker wie Hochschulen einhellig. Die HAWK setzt neben der Modellkrippe in Hildesheim oder der Notfallbetreuung auch auf die Unterstützung von Studierenden und Mitarbeiter(inne)n bei der Betreuung der eigenen Eltern.

Teilzeitstudium sei sicher erstklassig für Berufstätige geeignet, betonte Brigitte Pothmer von den Grünen. Sie wolle aber warnen: „Für Frauen mit Kindern kann das Teilzeitstudium schnell zur Karrieresackgasse werden, weil sie einfach sehr viel später fertig werden.“ Pothmers Forderung: „Wir müssen insbesondere für Frauen das Vollzeitstudium mit Kind möglich machen. Dazu gehören die entsprechenden Studienbedingungen, die Finanzierung und die Kinderbetreuung.“ Ganz so offensiv äußerte sich Dr. Barbara Hartung vom Niedersächsischen Wissenschaftsministerium nicht. Sie hob aber die Notwendigkeit von Fördermaßnahmen hervor, die das Land zum Beispiel bei dem Programm Familienfreundliche Hochschule schon aufgelegt habe. Hier geht es um die Kinderbetreuung für Wissenschaftlerinnen mit Kindern unter drei Jahren. „Wir müssen dafür sorgen, dass solche Programme nicht immer nur zeitlich begrenzt laufen“, unterstützte Jens Nacke (CDU) die Argumentation von Barbara Hartung.

Die Medizinische Hochschule habe ein ganz anderes, neues Problem, warf MHH-Präsident Prof. Dr. Dieter Bitter-Suermann in die Runde. Die MHH bekomme für ihre inzwischen drei Kinderbetreuungseinrichtungen nicht mehr genügend qualifiziertes Betreuungspersonal. Die Ausbildung der Erzieherinnen und Erzieher müsse dringend aufgewertet und auf Hochschulniveau etabliert werden, forderte Bitter-Suermann. Qualifizierte Betreuung brauche eben eine entsprechende Ausbildung und später auch angemessene Bezahlung.

Noch gar nicht wirklich überschaubar sind die Auswirkungen der neuen Bachelor- und Master- Studienstruktur auf das Thema Teilzeitstudium und Familiengerechtigkeit, war sich die Runde einig. Die Studienpläne seien derart prall, dass Studierende gar keine Freiräume mehr hätten – weder zum Arbeiten nebenher, noch zur Kinderbetreuung, beklagen Fachleute in der ganzen Republik.

Ein Bachelor-Studium beinhalte 45 Wochen à 40 Stunden Studium pro Studienjahr, erinnerte HAWK-Vizepräsident Prof. Dr. Georg Klaus auch die Politiker. Dieser Tatsache müsse bei allen Überlegungen Rechnung getragen werden. So sehr sich die Hochschulen auch um Familiengerechtigkeit bemühten und fürs Studieren mit Familie würben – wer effektiv studieren wolle, könne beides nicht so einfach in Einklang bringen. Bachelor und Master zu studieren sei einfach ein anderes Studieren, mahnte er und warnte vor dem „Studium à la carte“, das viele Hochschulen jetzt auf den Weg brächten. Wer sich seinen ganz speziellen Studienverlauf zusammenstellen wolle, müsse mit einer längeren Studiendauer rechnen – zumindest solange die Hochschulen keine sehr viel bessere personelle Ausstattung bekämen.

Alle einzelnen Aspekte der Diskussion seien miteinander verwoben, fasste Moderator Prof. Dr. Frank Ziegele zusammen. Die Beteiligten müssten in einen wechselseitigen Check ihrer Ziele eintreten, forderte Barbara Hartung vom Niedersächsischen Wissenschaftsministerium. Dabei dürften auch die Schulen nicht außer Acht gelassen werden, betonte Christian Grascha (FDP). Hier müsse in Kooperation mit den Hochschulen sehr viel mehr und differenziertere Beratung der Schülerinnen und Schüler angeboten werden.
Fazit der Diskussion: Alle Beteiligten müssen noch an vielen Schrauben drehen, um Familie in der Hochschule möglich zu machen. Das richtige Ziel sei es allemal und einer der Wege dorthin sei auch unbedingt das Teilzeitstudium mit den passenden Rahmenbedingungen.

Teilzeitstudium startet an der HAWK

Zum Wintersemester 2009/2010 können in Hildesheim erstmals acht Studiengänge in Teilzeit studiert werden. Das sind Architektur (Bachelor), Präventive Konservierung (Bachelor), Konservierung und Restaurierung (Master), Baudenkmalpflege (Master), Gestaltung mit seinen acht Studienrichtungen (Bachelor und Master), Soziale Arbeit (Bachelor) sowie Ergotherapie, Logopädie, Physiotherapie (Bachelor).

In Göttingen bieten die Bachelor-Studiengänge Präzisionsmaschinenbau, Elektrotechnik/Informationstechnik, Physikalische Technologien sowie Wirtschaftsingenieurwesen die Möglichkeit, in Teilzeit zu studieren. Auch der Master-Studiengang Regionalmanagement und Wirtschaftsförderung bietet Teilzeit an.

In Holzminden starten die Bachelor-Studiengänge Immobilienwirtschaft und -management und Soziale Arbeit auch als Teilzeitstudium ebenso wie der Master-Studiengang Soziale Arbeit. Die Einschreibung für ein Teilzeitstudium ist für mindestens zwei aufeinander folgende Semester verbindlich. Mit den speziellen Ansprechpartner(inne)n jedes Studienganges wird für diese Zeit ein Studienprogramm geplant und im Rahmen eines so genannten „Learning Agreements festgeschrieben.

Weitere Informationen dazu unter: www.hawk-hhg.de/flexibelstudieren

Spitzenplatz beim Hochschulranking Gleichstellung


Die HAWK hat jetzt beim dritten bundesweiten Hochschulranking nach Gleichstellungsaspekten einen Spitzenplatz belegt und ist damit die einzige niedersächsische Fachhochschule, die acht von zehn möglichen Punkten in der Gesamtwertung erreicht hat. Zusätzlich bemerkenswert: Erkennbar ist, dass Hochschulen wie die HAWK, die sowohl erfolgreichen Gleichstellungskonzepte als auch familiengerecht sind, im Ranking quantitativ messbar bessere Ergebnisse erreichen.

Das Kompetenzzentrum Frauen in Wissenschaft und Forschung (CEWS) Bonn hat die aktuellen Rankingergebnisse dieses Jahr erstmals in Beziehung zu anderen gleichstellungspolitischen Bewertungen gesetzt, wie sie beispielsweise durch das Professorinnen-Programm von Bund und Ländern, dem Total E-Quality Prädikat und dem "audit familiengerechte hochschule" vergeben werden.

Unter die Lupe genommen worden sind Universitäten, Fachhochschulen, Verwaltungshochschulen und Künstlerische Hochschulen. Neben der Gesamtbewertung bietet das Ranking eine differenzierte Auswertung verschiedener Bereiche der einzelnen Hochschulen: Es werden Zahlen für die Bereiche Studierende, Promovierende, Habilitationen, wissenschaftliches und künstlerisches Personal und Professuren veröffentlicht.

Gute Ergebnisse im Bereich Gleichstellung zahlen sich auch in barer Münze aus. So hat die HAWK dieses Jahr wieder den Titel „Formelgewinnerin“ der niedersächsischen Fachhochschulen bekommen. Zehn Prozent der Landesmittel für Hochschulen werden derzeit nach einer speziellen Formel leistungsbezogen vergeben. Kriterien sind dabei die Studierendenzahl, die Zahl der Absolventinnen und Absolventen in der Regelstudienzeit, die für die Forschung eingeworbenen Drittmittel und die Erfolge in der Frauen- und Gleichstellungsförderung. Die HAWK ist so gut positioniert, dass sie aus dem zur Verfügung stehenden Topf prozentual die höchste Summe zugewiesen bekommt, während andere Hochschulen Abzüge hinnehmen müssen.

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