Vier Studierende suchen verschollene Steine aus St. Michael: Nicole Knobloch, Marko Götz, Josephin Rösler und Franziska Wellner vom Fachbereich Konservierung und Restaurierung an der HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst, Fachhochschule Hildesheim/Holzminden/Göttingen halten es für möglich, dass sich Fragmente des aus dem 12. Jahrhundert stammenden Chorraumes der ehemaligen Benediktiner-Abteikirche St. Michael in Hildesheim unerkannt in privatem Besitz befinden.
Zu Beginn des 11. Jahrhunderts hatte der Hildesheimer Bischof Bernward St. Michael als Klosterkirche errichten lassen. Heute gehört die Kirche in die UNESCO-Liste der Weltkulturdenkmäler, denn der Kirchenbau wie auch Teile der romanischen Ausstattung gelten als Schlüsselwerke mittelalterlicher Kunst.
Im Zuge der Heiligsprechung Bernwards 1192 waren in dem Gotteshaus umfangreiche Umbau- und Erweiterungsmaßnahmen des Mönchschores durchgeführt worden. Dieser Chorraum war durch eine nördliche und südliche Chorschranke, sowie einen so genannten Lettner, eine Abgrenzung, vom restlichen Kirchenraum abgetrennt und nur den Mönchen vorbehalten. Um diesen Chorraum geht es den vier Studierenden aus Hildesheim. Davon erhalten ist bis heute nur noch die nördliche Chorschranke.
Während der Zeit der Reformation war es zu Auseinandersetzungen zwischen dem Konvent des katholischen Benediktinerklosters und der lutherischen Kirchengemeinde gekommen, die am Ende dazu führten, dass die Kirche St. Michael von beiden Konfessionen genutzt wurde. In dieser Zeit wurde der Bau stark vernachlässigt. Die Kirche wurde baufällig und herabstürzende Baumassen zerstörten große Teile der südlichen Chorschranke. Schließlich ist die Choranlage abgerissen worden, nur der nördlich Teil blieb erhalten, da der dahinter liegende Teil vom angrenzenden Kloster weiterhin als Kapelle genutzt wurde.
Bis jetzt gibt es kein genaues Bild mehr davon, wie die Choranlage einst ausgesehen haben könnte. Die heute noch erhaltene Chorschranke kann nur einen ungefähren Eindruck von der ehemals glanzvollen und aufwendig geschmückten Choranlage vermitteln. Viele Fragmente der zerstörten Choranlage waren einfach zur Auffüllung des Fußbodens verwendet worden und blieben Jahrhunderte lang verborgen. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts und Anfang des 20. Jahrhunderts wurden bei Baumaßnahmen in der Westvierung einige zufällig wieder entdeckt. Aber auch dieser Fund hatte keinen Bestand:
In den Wirren des Zweiten Weltkrieges sind Teile dieser Fragmente, die wichtige Erkenntnisse über historische und technische Aspekte liefern könnten, wieder verschollen, wie Dr. Michael Brandt, der Direktor des Dommuseums in seinem 1995 erschienen Katalog „Der vergrabene Engel“ ausführlich schildert.
Im Rahmen ihrer Fach- und Diplomarbeiten untersuchen und inventarisieren die vier Studierenden der HAWK jetzt die noch vorhandenen Fragmente. Dabei stellt sich ihnen stets aufs Neue die Frage nach dem Verbleib der verschollenen Fragmente. Es besteht ihrer Meinung nach die Möglichkeit, dass sich das eine oder andere Fragment noch in Privatbesitz befindet und als eines der verschollenen Bruchstücke identifiziert werden könnte. Von größter Wichtigkeit ist die fachgerechte Lagerung, um eine Erhaltung dieser wichtigen Zeitzeugnisse zu gewährleisten.
Wer Hinweise über den möglichen Verbleib der verschollenen Fragmente hat, kann sich an Professor Manfred Boetzkes, Leiter des Stadtmuseums, unter der Telefonnummer 0173/ 6022157 oder an Monika Vleugels, Sekretariat des HAWK-Fachbereichs Konservierung und Restaurierung unter der 05121/ 881-385 wenden.