Wie können die Ergebnisse einer restauratorischen Befundsicherung dargestellt und vermittelt werden?
Diesen Fragen widmeten sich Studierende der Studienrichtungen Wandmalerei/Architekturoberfläche und Stein und Keramik der Fakultät Erhaltung von Kulturgut der HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst in Hildesheim. Bereits zum zweiten Mal konnten in Kooperation mit Dipl.-Ing. Stefan Beate M.A., Untere Denkmalschutzbehörde Hildesheim, unter der Leitung von Prof. Dr. Dipl. Rest. Nicole Riedl, Dipl. Rest. Anneli Ellesat M.A. und Dipl. Rest. Heike Leuckfeld restauratorische Befundsicherungen in Hildesheimer Bürgerhäusern durchgeführt werden.
In einem Fall wurde für eine bauzeitliche Lincrusta-Tapete die Studienrichtung Schriftgut, Buch und Grafik unter der Leitung von Prof. Dipl. Ing. Dipl. Rest. Ulrike Hähner hinzugezogen. Die jeweils ein- bis zweiwöchigen Einsätze vor Ort beinhalteten Untersuchungen zu den Dekorationsphasen in Material und Technik, Empfehlungen zum weiteren Umgang mit der Bausubstanz sowie die Dokumentation der Arbeiten. Im Anschluss daran wurden im Laufe des Semesters die Ergebnisse der Untersuchungen ausgewertet und in einer ausführlichen Dokumentation visualisiert. Abschließend vermittelten die Studierenden ihr Sanierungskonzept in einer öffentlichen Präsentation vor den Hauseigentümern, den Vertretern der Denkmalpflege und den Lehrenden.
Die Studierenden hatten so die Möglichkeit von der ersten Besichtigung vor Ort bis zur Dokumentation und Präsentation jeden Arbeitsschritt einer restauratorischen Untersuchung selbst durchzuführen, Zusammenhänge zu erkennen, darzustellen und den Verantwortungsträgern zu vermitteln. Die beiden untersuchten Objekte entstanden in einer Zeit, in der die Bautätigkeit in Hildesheim noch stark von dem Hildesheimer Fassadenwettbewerb 1899 beeinflusst wurde.
Wohnhaus Lucienvörderstraße
Das in den Jahren 1905/1906 vom Maurermeister H. Mestmacher geplante und gebaute Wohnhaus zeigt heute noch die bauzeitlichen Fenster und Türen. Untersucht wurden Eingangshalle und Treppenhaus. Die repräsentative Eingangshalle mit grün gefliester Sockelzone und stuckverzierten Wandflächen führt durch eine Flügeltür in ein schlichtes Treppenhaus mit Holzgeländer und Betonstufen. Der Fußboden in der Halle und die Podeste der Treppe wurden in einer Mischtechnik aus Mosaik und Terrazzo ausgeführt. Die Untersuchungen zeigten, dass sich hier großflächige Reste verschiedenster farblicher Gestaltungen erhalten haben, von der ersten Gestaltung mit farblicher Betonung der Stuckelemente, Holzimitationsfassung und farblich abgesetztem Sockel im Treppenhaus über typische Walzenmusterungen in der Sockelzone bis zu den rezenten Dispersions- und Lackanstrichen der heutigen Zeit.
Jugendstilvilla
Die gesamte Innenschale einer Eingangshalle bis zum ersten Obergeschoss konnte im Vorjahr in einer eleganten Jugendstilvilla von 1904/1905, in Vorbereitung auf eine geplante Sanierung, untersucht werden. Hier waren bauzeitliche Putzoberflächen, hölzerne Türen, Vertäfelungen, Treppengeländer mit floralen Ornamenten und eine Lincrusta-Tapete in der Sockelzone vorhanden.
Ein Schwerpunkt der Befundsicherung lag hierbei auf der Erstfassung, da seitens des Eigentümers der Wunsch bestand, den bauzeitlichen Raumeindruck wieder herzustellen. Weiter zeigte die gut erhaltene Lincrusta-Tapete einige Schäden, die eine genauere Untersuchung erforderten. So wurden im Rahmen der Befundsicherung Tests zum Umfang der Erhaltung und zur Freilegung des Originals sowie zur Konservierung und Restaurierung der Tapete durchgeführt.
Die Untersuchungen zur ersten Dekorationsphase ergaben eine hellgrüne Wandgestaltung mit dunkelgrünem Begleiter zur grünen Lincrusta-Tapete, deren Muster mit Bronzierungen betont wurde. Die hölzerne Raumausstattung war dazu rotbraun lasiert. Es zeigte sich, dass alle historischen Anstriche nur fragmentarisch erhalten waren. Deshalb konnte keine Freilegung einer einzelnen Schicht empfohlen werden, sondern eine Rekonstruktion der ursprünglichen Wandgestaltung. Vorschläge zur Konservierung und Restaurierung der Tapete ergänzten die Empfehlungen.
Diese praxisorientierte Form der Lehre war für alle Beteiligten eine Bereicherung und wird hoffentlich in den nächsten Jahren fortgeführt.
Anneli Ellesat
Heike Leuckfeld
Wie sahen Treppenhäuser Anfang des 20. Jahrhunderts in Hildesheim genau aus.?
Lucienvörderstraße. Heutige Ansicht der Eingangshalle. (Foto: HAWK, Riedl)