Erscheinungsdatum: 28.07.2006

Prof. Dr. Friedhelm Vahsen fasst HAWK-Forschungsprojet der Fakultät Soziale Arbeit und Gesundheit über deutsche Auswanderer nach Amerika in einem unterhaltsamen Buch zusammen

Prof. Dr. Friedhelm Vahsen fasst HAWK-Forschungsprojet der Fakultät Soziale Arbeit und Gesundheit über deutsche Auswanderer nach Amerika in einem unterhaltsamen Buch zusammen

Thomas Mann und Marlene Dietrich gehören zu den berühmtesten Deutschen, die ihre Heimat hinter sich gelassen und in Amerika ihr Glück gesucht haben. Viel ist über sie geschrieben worden, auch über die anderen, die Nazi-Deutschland rechtzeitig entfliehen konnten. Doch was aus denen geworden ist, die nach dem Zweiten Weltkrieg das Land verlassen und in den USA oder Kanada ein neues Leben angefangen haben, war bisher weitgehend unbekannt. „Auf der Suche nach dem amerikanischen Traum“ ist der Titel eines Buches, das jetzt Prof. Dr. Friedhelm Vahsen von der Fakultät Soziale Arbeit und Gesundheit an der HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst, Fachhochschule Hildesheim/Holzminden/Göttingen herausgegeben hat und das erstmals Licht ins Dunkel bringt.

Es beschreibt die Schicksale deutscher Auswanderer in den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts und später. Entstanden ist es als Abschluss des Studien- und Forschungsprojektes „Deutsche Migranten in Nordamerika“ der Dokumentations- und Informationsstelle zur Geschichte der Erziehung und Sozialen Arbeit (DIGESA) an der HAWK. Prof. Vahsen, die beiden wissenschaftlichen Mitarbeiter Dursun Tan und Grudrun Mane sowie 15 Studierende haben rund hundert so genannte narrative Interviews in Amerika und Kanada geführt und ausgewertet.

Dabei schien es zunächst als unüberwindbare Hürde, überhaupt Gesprächspartner zu finden. In der Einleitung seines Buches schreibt Vahsen dazu: „Auf die Frage im Immigrationsmuseum auf Ellis Island in New York an die verdutzte Bibliothekarin, was sie in ihrem Computer über Deutsche finden könne, die nach dem Kriege ausgewandert seien, kam sie nach einiger Zeit mit der „New Yorker Staatszeitung“ zurück, einer Wochenzeitung für Deutsche in New York.“ Dies sei alles, war ihre Antwort.

Ein Zeitungsaufruf im Jahr 2002 zunächst in Hildesheim, dann in ganz Deutschland brachte die ersten Kontakte und dann ging alles ganz einfach nach dem Schneeballsystem. „Viele Deutsche pflegen in Amerika typisch deutsche Traditionsmuster weiter. Sie gründen Vereine, in denen sie sich leidenschaftlich engagieren: vom Gesangsverein bis zum Oktoberfestclub, von der Kirchengemeinde bis zum Deutsch-Amerikanischen Club, aber auch in dem Organisationskomitee der Steuben-Parade. Die deutschen Geschäftsleute treffen sich in den Handelskammern der Regionen, überall, ob im weiten Land oder in der Großstadt, finden Deutsche wieder zusammen.“ Dies war für das Forscherteam schon eine Erkenntnis noch vor dem ersten Interview. Die Gruppe reiste nach Amerika und Kanada.

Aus den Interviews ist jetzt das Buch entstanden, das im LIT Verlag, Verlag für wissenschaftliche Literatur, in der Reihe „Wissenschaftliche Schriftenreihe des Zentrums für Zukunftsstudien – Salzburg“ erschienen ist. „Auf der Suche nach dem amerikanischen Traum“ ist ein Lesebuch, wissenschaftlich fundiert, aber weit ab von trockenen Termini im Fachjargon. Es erzählt Geschichten. Dursun Tan beispielsweise hat die Geschichte von Frau Hackel, der Präsidentin des Carlsstädter Sängerbundes in New York aufgeschrieben. Frau Hackel hatte gleich noch eine Reihe Mitstreiterinnen und Mitstreiter zum Interview in den Turnklub mitgebracht, wo der Sängerbund untergebracht ist. Alle berichten den Hildesheimer Forschern aus ihrem Leben. „Es dominiert die Betonung der Erfolgsgeschichten“, schreibt Tan trocken, „Herr Beckert zum Beispiel hatte vor seiner Einwanderung nach Amerika in Bremen auf einer Werft als Tischler gearbeitet, als er sich auf Anraten eines Marineoffiziers zur Auswanderung entschloss. Er hat es mittlerweile zu Wohlstand und Reichtum gebracht. Besitzt mehrere Häuser in New Jersey, mehrere ‚deutsche Autos’ parken vor der Garage.“ Das habe er sich hart erarbeitet. Er habe es vom Tischler zum Produzenten einer Abendshow gebracht, erzählt er. Sein Rezept: „Dies ist in Amerika möglich, aber nur, wenn Du fleißig bist und tüchtig.“

Das Klischee „vom Tellerwäscher zum Millionär“ hat sich hartnäckig gehalten, fasst auch Vahsen zusammen. Aber es gilt wie bei jedem Klischee, manche erfüllen es und manche eben nicht. Es gibt nicht das verallgemeinerungsfähige Auswandererschicksal, aber es lässt sich laut Vahsen durchaus manch ein Muster herauskristallisieren. „Für alle gilt:“, heißt es in dem Buch, „ Keiner wandert für sich alleine. Auch wenn sie oder er alleine übersiedelt, sie oder er bringen ihren kulturellen Hintergrund mit. Und der ist durchaus für viele weiter prägend.“

Unterhaltsam reiht das Hildesheimer Team Auswanderergeschichten, eigene Erlebnisse bei den Forschungsaufenthalten und Einordnungen aneinander. So erzählt Friedhelm Vahsen die Geschichte einer Hildesheimerin, die jetzt eine Galloway-Rinderfarm besitzt, und dem Team freimütig Unterkunft geboten hat. Aber er berichtet auch von einem Fauxpas jenseits wissenschaftlichen Arbeitens: „An einem der kühlen Frühjahrsabende zünde ich frohgemut den aufgeschichteten Holzhaufen im gewaltigen Kamin des Hauses an. Prasselnd schlagen die Flammen hoch und ich schichte rasch ein paar alte Birkenstämme auf die Glut.“ Die Gastgeberin reagierte überraschend zornig auf Vahsens Heizaktivitäten, denn es hatte sich um importiertes und wirklich teures Birkenholz gehandelt, das ausschließlich Dekorationszwecken diente. In South Carolina gibt es nämlich keine Birken.


Friedhelm Vahsen
„Auf der Suche nach dem amerikanischen Traum“
Lebensgeschichten und Zukunftsträume deutscher und österreichischer Auswanderer
LIT Verlag
Verlag für wissenschaftliche Literatur
Reihe: Wissenschaftliche Schriftenreihe des Zentrums für Zukunftsstudien – Salzburg
Bd. 7, 2006, 200 S., 14.90 Euro, br., ISBN 3-8258-8652-2

Prof. Dr. Friedhelm Vahsen von der HAWK-Fakultät Soziale Arbeit und Gesundheit in Hildesheim is Prof. Dr. Friedhelm Vahsen von der HAWK-Fakultät Soziale Arbeit und Gesundheit in Hildesheim is