Mit Blick auf die lange Ausbildungstradition im Bereich der Baudenkmalpflege wurde Holzminden im Festjahr zum 175-jährigen Bestehen der Fachhochschule als Tagungsort ausgewählt. Das Thema der dortigen Jahrestagung, die von Birgit Franz (HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst, Fachhochschule Hildesheim/Holzminen/Göttingen) in Zusammenarbeit mit Christoph Gerlach, Martin Thumm (beide HAWK) und Valentin Hammerschmidt (HTW Dresden) wissenschaftlich vorbereitet wurde, zeigte deutlich, dass die Auswirkungen der Schrumpfungsprozesse auf den Umgang mit Baudenkmalen nicht bundesweit, sondern darüber hinaus – wie beispielsweise der Bericht aus der ungarischen Hauptstadt aufzeigte (Pál Lövei; Ungar. Denkmalamt) – an europäischen Schauplätzen erkennbar wird.
Die Betrachtung der vielfältigen Baudenkmale in den von Schrumpfungsprozessen stark betroffenen Regionen verdeutlicht, dass, von Leuchttürmen abgesehen, alle Baudenkmale als gefährdet zu betrachten sind. Deshalb sollten diese Regionen unbedingt neue – wenn auch (noch) unbewährte – Wege gehen, um Rückstände aufzuholen und nicht (vermeintlich sichere) Erfolgsrezepte von einst favorisieren. Die Baudenkmale müssen unbedingt in Wert gesetzt werden, wenn es nicht heißen soll: 'Nein, sie bleiben nicht bestehen!' (Thomas Kellmann; NLD).
Die Region rund um den Tagungsort ist massiv betroffen, von den Problemen der Schrumpfung beaufschlagt und inzwischen zur 'Modellregion' erklärt (Landrat Walter Waske, Baudezernent Jens Martin Wolff). Die gezeigten Fallbeispiele im Verlauf von drei ausgewählten Exkursionen belegten die in den wissenschaftlichen Vorträgen dargestellten Problem- und Aufgabenstellungen. Exkursionsziele waren die Altstadt Bad Karlshafen, ein Flächendenkmal (Heinrich Klose, Winfried Junker-Schönfelder), die Altstadt Holzminden, eine Innenstadt mit Einzelbaudenkmalen (Baudirektor i.R. Manfred Müller de Vries, Jürgen Lecour, HAWK) sowie Hildesheim als Stadt mit Weltkulturerbestatus für die Baudenkmale St. Michaelis und Mariendom (Stadtrat Thomas Kulenkampff; Karl-Bernhard Kruse, Diözesankonservator; Helmut Brandorff, Barsinghausen).
Bezogen auf die Baudenkmale wird deutlich, dass die politischen Entscheidungsträger Baudenkmale zwar touristisch im Focus haben, nicht jedoch deren Erhaltung auf hohem denkmalpflegerischem Niveau. Schrumpfung als historisches Phänomen (Hermann Wirth, Bauhaus-Univ. Weimar), Schrumpfung als Phänomen in den Köpfen (Hans-Rudolf Meier, TU Dresden) oder als Phänomen des Nutzerverhaltens im Bereich des Konsums (Martin Thumm) oder des Wohnverhaltens (Betina Kaun, Hamburg) beeinflussen den Umgang mit dem komplexen Prozess und den davon betroffenen Baudenkmalen.
Strategien und Taktiken jenseits eines wirtschaftlichen Aufschwungs zeigen die Fallbeispiele weitsichtiger und damit nachhaltiger innenstadtpolitischer Maßnahmen (Almut Schmersahl; Regionalgruppe histor. Stadtkerne NRW) oder regionalpolitisch idealistischen – gemeinschaftlichen – Engagements mit hohem Ausstrahlungsgrad (Jeanette Gosteli, Geschäftsstelle Umgebindeland). Die Ergebnisse der praktischen und wissenschaftlichen Zusammenarbeit der Städte und Landkreise (u.a.) mit den regionalen Hochschulen weisen diese als starken Partner der Denkmalpflege in Zeiten des 'Wandels ohne Wachstum' aus (Annegret Droste; HAWK). Die vorgestellten Projektarbeiten und interdisziplinären Themenwerkstätten zeigen, das diese über den konkreten Umgang mit den Baudenkmalen hinaus wesentlich zur Stärkung des Problembewusstseins in der Region beitragen. (Ute Menting, HTWK Leipzig, Kerstin Vogel, Bauhaus Univ. Weimar, Emil Hädler, FH Mainz).
Dass die Landeskirchen von den Schrumpfungsszenarien intensiv betroffen sind, dass nicht nur die Kirchen 'in Not sind', sondern auch der Bestand an Pfarrhäusern, Gemeindehäusern u.v.m. wird seit geraumer Zeit diskutiert. In schrumpfenden Regionen sind die Kirchen oftmals die letzten noch intakten Gebäude. Schaut man auf die Bestände konkreter Gemeinden, wird erkennbar, dass sich dabei der Blick inzwischen nicht nur auf betagte Kirchen richten darf, sondern auch auf die zahlreichen Nachkriegsbauten gelenkt werden muss; diesbezügliche Emotionen geweckt werden müssen. Hier fehlt es an konkreten Bewertungskriterien.
Dringend muss die Gefahr gebannt werden, dass – sozusagen in einem 'zukünftigen' Rückblick – die erhalten gebliebenen Kirchen der Nachkriegszeit der Zufälligkeit zugezählt werden müssten (Karl-Bernhard Kruse, Diözesankonservator, Matthias Ludwig, Philipps-Univ. Marburg).
Begleitet wurde die Tagung von einer Ausstellung des HAWK Studiengangs Restaurierung und Konservierung zum Thema 'Tapetenwechsel – Tapeten in Handwerker- und Bauernhäuser'. Die Tagungsbeiträge sollen publiziert werden. Die nächste Tagung des Arbeitskreises findet in Leipzig statt.
Postanschrift
Arbeitskreis Theorie und Lehre der Denkmalpflege
z.Hd. Prof. Dr.-Ing. Valentin Hammerschmidt, 1. Vorsitzender
HTW Dresden, FG Architekturgeschichte + Denkmalpflege, Friedrich-List-Platz 1, 01069 Dresden, www.htw-dresden.de )
Bericht zur Jahrestagung 2006: Prof. Dr.-Ing. Birgit Franz HAWK, www.hawk-hhg.de