Kooperation der Technischen Informationsbibliothek (TIB) und der HAWK
„Für die Baukunst und ihre Nachbargebiete, für die schönen Künste überhaupt, kommen neben der eigentlichen Buchdruckerei noch die verschiedenen Druckverfahren zur Wiedergabe bildlicher Darstellungen in weitem Umfange in Betracht. […] Hier eröffnet sich das herrlichste, geradezu unübersehbare Gebiet für den Genuß wie für das Studium.“ (Albrecht Haupt: Die Hauptsche Sammlung alter Architektur- und Ornamentstiche und Bücher an der Technischen Hochschule zu Hannover. In: Mitteilungen der hannoverschen Hochschulgemeinschaft, 5 (1923), S. 51-53.)
Karl Albrecht Haupt (1852-1932) war Architekt, Bauforscher und Hochschullehrer an der Technischen Hochschule Hannover. Seine umfangreiche Lehr- und Forschungssammlung ist eine der überregional bedeutsamen Sondersammlungen der Technischen Informationsbibliothek (TIB). Neben einer Vielzahl unikaler Materialien, wie Haupts eigenen architektonischen Reiseskizzen und Studienblättern, umfasst die Sammlung historische Monografien zu Architekturgeschichte, -theorie und Gartenkunst sowie zahlreiche graphische Einzelblätter. Dazu zählen lose Druckgraphiken und Zeichnungen des 15. bis 19. Jahrhunderts von z.T. hoher architektonischer und kunstgeschichtlicher Relevanz.
Eine Kooperation zwischen der TIB und der HAWK, deren inhaltliche Schwerpunkte auf Reinigung, Digitalisierung und Erschließung der Graphischen Einzelblätter im Rahmen gemeinsamer Drittmittelprojekte liegen, hat diesen Teilbestand im Fokus. Gleichzeitig werden Studierende an den notwendigen Untersuchungen und Entwicklungsprozessen für Mengenbehandlungen und Öffentlichkeitsarbeit beteiligt und so praxisnah an verschiedene Aufgaben der Bestandserhaltung herangeführt. Die Studienrichtung Konservierung und Restaurierung von Schriftgut, Buch und Graphik der HAWK übernimmt daher – in enger Absprache mit den Sammlungsbetreuer/inne/n der TIB – die Entwicklung konservatorischer Maßnahmen und bringt ihre Kompetenzen sowohl zur Entwicklung von bestandserhaltenden Prozessabläufen als auch im Einsatz von Mengentechnologien ein.
In einem wichtigen Schritt ist es nun gelungen, mit Unterstützung des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur die Oberflächenreinigung des inhomogenen Bestands der kleinformatigen Druckgraphiken und Zeichnungen der Sammlung Albrecht Haupt zu realisieren. Grundlagen dafür wurden im Vorfeld unter anderem in zwei Bachelorabschlussarbeiten zur Zustandsbewertung und Konservierung der Graphischen Einzelblätter erarbeitet. Die zentrale Entwicklungsarbeit für den Workflow im Zusammenhang mit der Reinigung – von Aushebung und Verpackung der nach festgelegten Kriterien sortierten Einzelblätter in Hannover, über Transportabwicklung und Reinigungsvorgang in Hildesheim bis hin zur Umlagerung in neue Schutzumschläge – erfolgte im Masterstudiengang in der ersten Hälfte des Sommersemesters 2017. Sie war Aufgabe in den Modulen Mengenbehandlungen und Prozessentwicklung des Minor Bestandserhaltungsmanagement der HAWK. Der Workflow umfasst die einzelnen Arbeitsschritte einschließlich der notwendigen Sicherheits- und Qualitätsaspekte. Für die Oberflächenreinigung der gut 4000 zu behandelnden Druckgrafiken und Zeichnungen selbst wurde eine besonders schonende und effiziente Reinigungstechnologie der HAWK eingesetzt:
Die gewählte Reinigungsmethode musste in der Lage sein, Kleinstpartikel und Feinstäube, die gesundheitsschädigend sein können und langfristig die Materialoberflächen schädigen, effektiv zu entfernen, ohne die empfindlichen Objektoberflächen zu verändern oder vorhandene Schädigungen zu verstärken. Da die manuelle Reinigung im Darstellungsbereich zu risikoreich und zeitaufwändig gewesen wäre, fiel die Wahl auf die Mengentechnologie der elektrostatischen Reinigung, die an der Universitäts- und Forschungsbibliothek Erfurt/Gotha entwickelt wurde und heute an der HAWK betrieben wird. Dabei werden lose aufliegende Verunreinigungen mittels elektrostatisch aufgeladener Folien schonend abgehoben. Im Vorfeld des Vorhabens durchgeführte Versuche der Reinigung von Graphikblättern mit dieser Reinigungsanlage und nachfolgende Untersuchungen auf Effektivität bestätigten, dass anorganische und organische Feinstäube an die elektrostatisch aufgeladene Folie gebunden werden, während die charakteristischen Materialoberflächen erhalten und selbst bisher nicht oder nur sehr zeitaufwendig zu reinigende Bereiche behandelt werden können.
Studierende des Master- und Bachelorstudiengangs führten die Arbeiten nach den festgelegten Standards durch, wobei Masterstudierende auf der Basis ihrer Entwicklungserfahrungen wiederum auch anleitende Funktionen für die Bachelorstudierenden übernahmen. Eine begleitende Masterabschlussarbeit evaluiert zusätzlich die Ergebnisse. Das Projekt fördert auf diese Weise nicht nur den wichtigen interdisziplinären Austausch zwischen Hochschule und Bibliothek, sondern auch den Austausch und die Zusammenarbeit zwischen Studierenden aus unterschiedlichen Studiengängen und Studienphasen. Diese Konstellation hat sich als so effektiv erwiesen, dass die vorgesehenen Reinigungsarbeiten an der HAWK nach einer aktiven Laufzeit von knapp zwei Monaten Ende Juli abgeschlossen werden konnten.