HAWK-Architekturstudierende entwerfen einen neuen Stadteingang

Erscheinungsdatum: 10.05.2023

Mit der Aufgabe eine „Neue Bahnhofsspitze“ für Pfungstadt zu entwickeln, haben sich Studierende des Masterstudiengangs Architektur der HAWK-Fakultät Bauen und Erhalten beschäftigt. Das Ziel dieser Entwurfsaufgabe bestand darin, dass schwierige Grundstück mit seiner besonders spitzen Form und der bisherigen Nutzung durch innovative und nachhaltige Konzepte nachzuverdichten und aufzuwerten. Einen besonderen Schwerpunkt bildete dabei die Einbeziehung des öffentlichen Nahverkehrs und die Berücksichtigung von zukünftigen Mobilitätskonzepten für Bus- und Bahnhof.

Das Projekt im zweiten Semester des Masterstudiengangs Architektur am Standort Hildesheim bildete die Kette von „Entwerfen, Konstruieren und Bauen" ab. Das Projekt legte als zentrales Thema dabei einen besonderen Wert auf die Einhaltung städtebaulicher, funktionaler, gestalterischer und konstruktiver Belange. Die Konzeption des Kurses und die Betreuung der Entwürfe organisierten Prof. Dr. Till Böttger, Ulrike Knauer M. Sc. und Prof. Dr. Christoph Hall im Team. Sowohl German Halcour, Verw.-Prof. für Projektentwicklung von der HAWK am Standort Holzminden, als auch Bürgermeister Patrick Koch mit Projektmanager Tom Grümmert und Dieter Müller, der durch seine Bürgerinitiative den Anstoß für das Projekt gegeben hatte, unterstützten die Vorbereitungen und den Prozess in Form von inhaltlichem Austausch und Gastkritiken maßgeblich. Die Studierenden konnten nach der langen Zeit der Pandemie endlich wieder die eine Ortsbesichtigung in Pfungstadt mit Vertretenden der Stadt und anschließender Exkursion nach Darmstadt erleben.

 


Ort

Für diese Entwurfsaufgabe bildet ein konkreter Ort den Ausgangspunkt der Bearbeitung. Die Stadt Pfungstadt befindet sich in Südhessen in unmittelbarer Nähe zu Darmstadt. Das Entwurfsgelände setzt sich aus drei Grundstücken zusammen, welche mit neuen Baukörpern zusammen einen neuen Stadteingang bilden kann. Für die Entwurfsaufgabe war es entscheidend zu berücksichtigen, dass die Stadt Pfungstadt selber kaum noch die Möglichkeit hat, sich in der Fläche auszudehnen. Die Studierenden mussten demnach Konzepte entwickeln, die eine besonders intensive Nachverdichtung am Ort ermöglichten. Der Stadt gehören die Grundstücke und sie interessiert sich daher sehr für die architektonischen Entwurfsansätze der Studierenden als Entscheidungshilfe.

Programm

Zu den programmatischen Überlegungen gehörte es, dass sich die Studierenden Gedanken über wirtschaftliche Nutzungskonzepte machten und diese durch Volumen- und Formstudien auf den jeweiligen Grundstücken austesteten. Grundlage hierfür bildeten die Studien der Studierenden aus dem Studiengang Immobilienwirtschaft und -management. Sie arbeiteten drei alternative Konzepte heraus, die sich zur Grundlage der programmatischen Überlegungen für den architektonischen Entwurf wandelten. Wichtig war es auch, hochwertigen Aufenthaltsraum für die Bewohnenden der Stadt Pfungstadt anzubieten. Durch eine intensive Bearbeitung und einer guten Grundlagenermittlung schafften es die Studierenden, ihre architektonischen Konzeptansätze maßstäblich einzubinden. Anschließend arbeiteten sie die Entwürfe in verschiedenen Darstellungen aus und vertieften sie konstruktiv im Sinne von Leitdetails. Zweier-Gruppen bearbeiteten und verfeinerten programmatisch und inhaltlich drei vorgegebene Nutzungsszenarios A, B und C .

Szenario A

  1. Bahnhof/Bus-Hub mit Überdachung für Umstieg zuzüglich Fahrradstellplätzen, Kiosk und WC’s
  2. Öffentlicher/halböffentlicher Hochpark über Parkhaus
  3. Gebäude mit Mischnutzung (Einzelhandel, Gastronomie, Co-Working und Wohnen)

Szenario B

  1. Bahnhof/Bus-Hub mit öffentlichem Hochdeck und zusätzlichen Funktionen
  2. Parkplatz und öffentlicher Platz als Verbindung zwischen Bahnhof/Bus-Hub und Gebäude an der Spitze
  3. Bürogebäude oder Ärztehaus mit Tiefgarage

Szenario C

  1. Bahnhof/Bus-Hub mit Überdachung für Umstieg zuzüglich Fahrradstellplätzen, Kiosk und WC’s
  2. Multifunktionales Gebäude mit Tiefgarage oder Parkhaus und Einzelhandel im EG, öffentlicher Raum dazwischen
  3. Einzelne Wohnbauten mit Tiefgarage oder Parkplatz und mit grünem Außenraum

Im Zuge der Bearbeitung setzten sich die Studierenden mit Cluster-, Satelliten- oder Mehrgenerationenwohnen auseinander. Sie verbanden neue Arbeits- und Lebensformen miteinander. Gerade die Erfahrungen aus der Covid-19-Pandemie nutzten sie, um sinnvolle Verknüpfungen wie FabLabs, Co-Working, Co-Living, und Third Places zu schaffen. Aber auch die Funktion eines Ärztehauses mit einer zentralen und ambulanten Versorgung und zusätzlichen altersgerechten Wohneinheiten, präsentierten sie als mögliche Nutzung an dem Ort.

Konstruktion

Die konstruktiven Überlegungen der Materialität sollten die Studierenden als ein Zusammenspiel von Ort und Programm herausarbeiten. Besonders die Gedanken zur Nachhaltigkeit waren integraler Bestandteil in Konstruktion und Materialisierung und flossen in den Entwurfsprozess maßgeblich mit ein und verhalfen den Entwürfen zu einem besonderen architektonischen Ausdruck.

Präsentation und Ausstellung in Pfungstadt

Am 15. März 2023 präsentierten die Studierenden dem Bau- und Planungsausschuss vor Ort in Pfungstadt sieben alternative Entwurfsansätze. Die ausgewählten Arbeiten waren dann mehrere Wochen für die Bürgerinnen und Bürger der Stadt im Stadthaus zu sehen, um eine Diskussion anzuregen. Die Ausstellung haben die Studierenden vor- und ausgearbeitet und dabei die Unterstützung der Stadtverwaltung erhalten. Das Folgende zeigt die drei besten Arbeiten.

Emelie Schmidt und Paul Nicklaus - Szenario A

Das Gebäudeensemble an der Bahnhofsspitze in Pfungstadt schafft mit seiner Nachverdichtung einen neuen zentralen Ort für das Wohnen und Arbeiten. Es entstehen Flächen für öffentliche Bereiche wie ein KreativHUB, Café, Mensa und eine Kulturbühne. Die halböffentlichen Bereiche der Gebäude sehen  Co-Working- und Co-Living-Bereiche sowie weitere private Büro- und Wohnnutzungen vor. Im Hinblick auf die Anbindung des nordwestlich angrenzenden Endbahnhofs schafft der Entwurf außerdem ein CityHUB mit ober- und unterirdischen Parkmöglichkeiten für Fahrrad und Auto, um die Nutzung des ÖPNV in Richtung Darmstadt zu verstärken. Ziel des Entwurfs ist es, die Bausteine optimal an heutige Anforderungen anzupassen und in die bestehende Gemeinde zu integrieren.

 

Die durchgängige Gestaltung sowie die Außentreppen mit verbindender Funktion schaffen eine Zusammengehörigkeit der einzelnen Baukörper. Im Bereich des Bahnhofs sieht der Entwurf eine Überdachung mit Möglichkeiten zum Aus- und Umstieg sowie Räumen für den Ticketverkauf, einen Kiosk und öffentliche Toiletten vor. Anstelle des bisherigen Parkplatzes soll ein offen gestaltetes Parkdeck entstehen, auf dessen Dach sich ein öffentlicher Hochpark befindet. Außentreppen in Richtung Bahnhof sowie Grundstücksspitze schaffen hier eine fließende Verbindung und laden zum Spazieren und Verweilen auf dem Hochpark ein. Die schmale Grundstücksspitze versieht der Entwurf mit zwei neuen Gebäudebausteinen. Im Sinne der Nachverdichtung entstehen hier drei- bis viergeschossige Baukörper. Die Höhenentwicklung der neuen Bebauung gestaltet sich aufgrund der gestaffelten Geschosse sehr fließend und baut sich zum Stadteingang schrittweise auf. Die verwendeten Materialien Holz (Tragwerk und Fassade) und Backstein (aussteifende Treppenhauskerne) kombinieren die Aspekte Nachhaltigkeit und Regionalität.

Neben herkömmlichen Wohnungs- und Bürogrundrissen enthält der Entwurf neue Formen des Cluster-Wohnens sowie Co-Living und Co-Working. Die Vorteile einer generations-übergreifenden Nachbarschaft sollen bei der Durchmischung der Bewohnenden im Vordergrund stehen. Außerdem verfolgt der Entwurf neue Ansätze zum Kombinieren von Wohnen und Arbeiten. Durch flexibel nutzbare Arbeitsplätze sowie das KreativHUB im Erdgeschoss der Gebäude, können die Bewohner dort verschiedensten Aufgaben nachgehen.

Jule Gilde und Nadine Ernst - Szenario A

Der Entwurf verfolgt die Strategie des Szenario A. Er überdacht den vorhandeneb Bus-/Bahnhof, damit sowohl ein witterungsgeschützter Umstieg gelingt, als auch ein Wartebereich zwischen den öffentlichen Verkehrsmitteln entsteht. Desweiteren sieht der Entwurf über dem aktuellen Parkplatz auf dem mittleren Grundstück einen öffentlichen Hochpark vor. Hier befinden sich im Erdgeschoss, neben Parkmöglichkeiten, ein Mobility Hub für Fahrräder und Lastenräder sowie WCs für Pendelnde und wartende Zug- oder Busgäste. Im Obergeschoss ordnet sich ein Café/Restaurant mit einer begrünten Außenterrasse an und schafft Raum für Pendelnde, Wartende und Bewohnende Pfungstadts. In der „Spitze“ plant der Entwurf ein Gebäude mit Mischnutzung, welches neben Einzelhandel und einem Co-Working Space auch Platz für Büros, Fitness, Krankengymnastik und Wohnen bietet. Als Wohnen sind Wohngemeinschaften für Senioren angedacht, die Synergien mit den umgebenden Nutzungen bilden.

 

Basierend auf der Konzeption ist der Kern dieses Entwurfs die Abstraktion der umliegenden Höhenverläufe, welche durch die giebelständigen Nachbarhäuser entstehen. Die drei Grundstücke fügen sich durch die wechselnden Höhenpunkte der polygonalen Busüberdachung, des Hochparks und des Mischgebäudes als Ganzes zusammen. Die fortlaufende Überdachung des Bus-/Bahnhofes, welche sich über das Dach des Cafés/Restaurants auf dem Hochpark zieht, unterstützt die Zusammengehörigkeit. Fortführend befinden sich in der „Mitte“ und an der „Spitze“ voluminöse, flächendeckende Gebäude, welche durch Rücksprünge in der Fassade und Ausstanzungen einen filigranen Stadteingang erschaffen.

Die Formfindung des polygonalen Busdaches folgt der Idee der Höhenverläufe, beruht allerdings auf der Konstruktion selbst. Die 30 cm starken Stahlstützen sind in einem 8 m Raster angeordnet und tragen die Holzdachkonstruktion, welche sich aus polygonalen Formen zusammensetzt. Gedeckt ist die Holzkonstruktion mit transparenten Dünnschicht-Solarmodulen, die sowohl Witterungsschutz bieten, als auch Strom erzeugen. Der Hochpark ist konstruktiv als Hybridbauweise geplant. Dabei bildet das Stahlbetonskelett das Tragwerk und Wände in Holztafelbauweise die Raumabschlüsse von Mobility Hub und Café/Restaurant. Das Mischgebäude ist ausschließlich als Stahlbetonskelettbau konzipiert und ermöglicht durch 30 cm starke Stahlbetonstützen und -decken Auskragungen von bis zu zwei Metern sowie ein stützenfreies Atrium mit Hilfe von Unter- und Überzügen.

Phil Grobe und Julian Holletzek - Szenario C

Der Entwurf arbeitet verstärkt mit Typologien, sodass sich ein diverses Nutzendenspektrum ansprechen lässt. Dadurch, dass die Tiefgarage halbunterkellert ausgeführt ist, lässt sich ein kosteneffizientes Konzept mit einer natürlichen Belüftung und Belichtung erreichen. Den Stellplatzbedarf kann der Entwurf in vollumfänglich bedienen, ohne dass das Baufeld an Qualität einbüßt. Es besteht nämlich die Möglichkeit, dass auf der Tiefgarage ein Grünraum entsteht, welcher die Durchwegung und Erschließung der Nutzungseinheiten – getrennt vom Bahn-/ und Straßenverkehr – ermöglicht. Hierbei löst sich die Problematik des Verkehrslärms, indem der Entwurf die Aufenthaltsbereiche auf dem Podest – visuell und baulich – getrennt vom Verkehr anbietet. Das stärkt die Aufenthaltsqualität somit deutlich. Dabei bleibt die Barrierefreiheit über Rampen unverändert erhalten und die Müllentsorgung gelingt unauffällig über Unterflursysteme.

 

Die Haupterschließung soll mit dem Rad oder zu Fuß gelingen und über eine Hauptverkehrsachse, welche sich durch das gesamte Quartier zieht, geschehen. Dabei sollen Blickbeziehungen, gemeinschaftliche Angebote, Aufenthaltsbereiche, Grünflächen, Retentionsbecken und verschiedene Nutzungsangebote die Kommunikation und das gemeinschaftliche Wohnen fördern. Wie bereits vorgenannt, besitzt der Entwurf das allgemeine Ziel, ein kommunikatives gemeinschaftliches Wohnen zu erzeugen, welches den Bewohnenden aber dennoch genügend Privatsphäre und Rückzugsmöglichkeiten bietet.

Kontakt

Till Böttger
Prodekan, Lehrgebiet Darstellen, Gestalten, Entwerfen
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Studiengang Architektur, Lehrgebiet Entwerfen I Darstellen I Gestalten
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Profilbild Christoph Hall
Tragwerkslehre und Baukonstruktion
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