Im Vorkurs Mathematik bereiten sich Geflüchtete an der HAWK auf ein Studium vor

Erscheinungsdatum: 12.04.2017

Vor zehn Jahren hat sich die Teilnehmerin zuletzt mit mathematischen Funktionen beschäftigt. Da hat sie das Abitur in ihrer Heimat, der Elfenbeinküste, gemacht. Nun sitzt sie im Vorkurs Mathematik von HAWK open, stellt Gleichungen um und berechnet die Steigung linearer Funktionen. Zusammen mit 19 weiteren Teilnehmer/innen frischt sie am HAWK-Standort in Hildesheim zweimal in der Woche ihre Mathe-Kenntnisse auf. „Durch den Kurs habe ich vieles wieder gelernt, was ich vergessen hatte“, erklärt sie.

Alle Kursteilnehmer/innen sind aus ihrer Heimat geflüchtet und möchten in Deutschland studieren. Das Projekt HAWK open unterstützt sie dabei durch verschiedene Kurs- und Beratungsangebote. Salih Mohamed hat seinen Studienplatz fast schon gesichert. „Ich muss nur meine Deutschprüfung bestehen, dann kann ich in Göttingen Präzisionsmaschinenbau studieren.“ Obwohl er im Sudan bereits Mechatronik studiert hat, besucht auch er den Vorkurs von HAWK open. „Mein Studium ist fünf Jahre her. Ich habe das alles schon einmal gelernt, aber viele Grundlagen wieder vergessen“, erklärt er.

 

„Die Vorkenntnisse sind sehr unterschiedlich“, findet Kurt Warmbein. Bis vor einem Jahr unterrichtete er als Oberstudienrat Abiturienten an der Michelsenschule in Hildesheim. Nun leitet er als Lehrbeauftragter den Mathematik-Kurs an der HAWK. „Ein Kursteilnehmer ist mir gedanklich oft sogar voraus“, berichtet Warmbein. Er habe in seiner Heimat selbst Mathematik unterrichtet. „Andere haben dagegen einen sehr hohen Nachholbedarf.“ Das liege zum Teil daran, dass die Schulzeit bei einigen Teilnehmer/innen sehr lange zurückliege. Bei anderen sei die Sprache das Problem, ergänzt Mohammed Saidi, der den Kurs als wissenschaftliche Hilfskraft begleitet. „Viele Dinge haben sie nur in ihrer Muttersprache gelernt. Da fehlen dann die Fachvokabeln.“ Darum möchte er nun für alle Teilnehmer/innen die wichtigsten Begriffe in einem Glossar ins Arabische und Englische übersetzen.

Die Plätze im Mathe-Vorbereitungskurs waren im Vorfeld hoch begehrt. 60 Studieninteressierte hätten sich zunächst angemeldet, erzählt Carsten Rumbke, Projektkoordinator von HAWK open. Darum seien zunächst nur Teilnehmer/innen zugelassen worden, die einen der Intensivsprachkurse von HAWK, Uni und VHS besuchen. Mitte Mai soll dann ein weiterer Kurs für andere Interessenten starten. Die hohe Nachfrage erklärt sich auch durch das Studienziel vieler Geflüchteter: „Bauingenieurwesen ist der häufigste Studienwunsch“, erklärt Rumbke. Mathematik spiele in dem Studiengang eine große Rolle. Das würde auch deutsche Studierende oft vor große Herausforderungen stellen. Darum werde schon seit längerer Zeit für alle Studierenden kurz vor dem ersten Semester Bauingenieurwesen ein Brückenkurs angeboten. Wegen des großen Interesses unter Studieninteressierten mit Fluchthintergrund, wurde nun dieses zusätzliche Angebot geschaffen.

Der Kurs biete für die Studieninteressierten eine gute Gelegenheit, ihre Mathematik-Kenntnisse ohne großen Druck wieder aufzufrischen, findet auch Kurt Warmbein. „Viel Wissen ist bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern einfach verschüttet. Es dauert, das wieder zu aktivieren.“ Im Studium bleibe dafür keine Zeit. „Hier können wir viele Übungen machen und ihnen die Sicherheit wiedergeben, die sie nachher im Studium brauchen.“ Er selbst ist froh, sein Wissen auch nach seiner Pensionierung noch weitergeben zu können. „Es macht mich glücklich, wenn ich Menschen etwas beibringen kann und sie etwas wirklich verstehen. Besonders wenn sie so motiviert sind wie in diesem Kurs.“