Erscheinungsdatum: 20.12.2006

Zwei Bauingenieurinnen bekommen die ersten Master-Abschlüsse der HAWK-Fakultät Bauwesen

Zwei Bauingenieurinnen bekommen die ersten Master-Abschlüsse der HAWK-Fakultät Bauwesen

Nicole Kaminski und Ina Fischer sind zwei ganz ungewöhnliche junge Frauen und zwar gleich in dreierlei Hinsicht: Sie sind die ersten Absolventinnen der neuen Master-Studiengänge an der HAWK-Fakultät Bauwesen. Sie sind Frauen, was im Fach Bauingenieurwesen nach wie vor eine Seltenheit ist. Und sie haben ihre Master-Arbeit über Bauunternehmen aus der Region Hildesheim geschrieben – nämlich bei Dr. Christoph Kolbeck, Inhaber der Löseke-Stiftungsprofessur für Familienunternehmen.

Nicole Kaminski hat unter anderen die Bauunternehmen Schaper aus Hildesheim und Sehlem sowie Eilert aus Alfeld zu ihrem Thema „Die Nachfolgeregelungen in Familienunternehmen – Untersuchungen am Beispiel von erfolgreichen Familienunternehmen“ befragt. Ina Fischer hat sich mit dem Unternehmen ihres Vaters in Elze auseinandergesetzt. Ihr Thema war: „Besonderheiten von Familienunternehmen und Marketing-Strategien am Beispiel der Albert Fischer GmbH.“

Als Arwed und Ariane Löseke der HAWK vor gut einem Jahr die Professur für Familienunternehmen stifteten, war ihr Wunsch, dass diese Stiftung der Region Hildesheim zugute kommen möge. Das ist unterdessen schon in vielerlei Hinsicht geschehen: Kolbeck hat zum Beispiel den Hildesheimer Unternehmerkreis etabliert, im Rahmen von so genannten Realfallseminaren bei Löseke selbst und beim Sanitär-Großhändler Wiedemann mit Studierenden Strategieprojekte bearbeitet, natürlich an der Hochschule Themen rund um Familienunternehmen gelehrt und aktuell eine Unternehmens-Studie gemeinsam mit der HiReg in Arbeit.

Dass sich jetzt die beiden ersten Master-Arbeiten an der Fakultät Bauwesen auch mit Hildesheimer Familienunternehmen beschäftigen, ist ein bisschen wie die Krönung der Aktivitäten und Kolbecks Visitenkarte. Der Kreis schließt sich.

„Wir wollten einfach über den Tellerrand schauen. Statik und Konstruktion hatten wir genug gemacht. Wissen über Betriebswirtschaft und Management draufzusatteln, war für uns eine klasse Herausforderung“, sagen beide einhellig. Entdeckt hatten sie ihr Interesse in Kolbecks entsprechender Lehrveranstaltung im Master-Studiengang Bauingenieurwesen. Daneben bietet die Fakultät in Hildesheim noch die Master-Studiengänge Architektur, Holzingenieurwesen (zum Wintersemester 2007/2008) und Baudenkmalpflege.

Kolbeck lobt denn auch seine Master-Studentinnen, beide 27 Jahre alt, sehr: „Sie haben sich extrem schnell und intensiv in dieses andere Spielfeld eingearbeitet. Man muss sich das so vorstellen, als schriebe ein Betriebswirtschaftler plötzlich seine Abschlussarbeit über Stahlbetonbau.“ Und auch das Ergebnis gab den beiden Bauingenieurinnen Recht. Sie schlossen mit der Note 1,3 beziehungsweise 1,7 ab. Prof. Dr. Hans-Jürgen Collin, Dekan der Fakultät Bauwesen, beglückwünschte seine beiden ersten „Masterinnen“ bei einer Feierstunde zu dieser Leistung. Die Ergebnisse ihrer Arbeit präsentierten Nicole Kaminski und Ina Fischer noch einmal vor fachkundigen Gästen: Bauunternehmer und Vater Albert Fischer, der auch schon in denselben Hörsälen gesessen hat wie seine Tochter, Ulrike Schaper, Geschäftsführerin des Baumeisterhauses Schaper und ebenfalls HAWK-Absolventin, Prof. Dr. Cornelia Behrens, die in ihrer Zeit als Vizepräsidentin für die Implementierung der Stiftungsprofessur verantwortlich war sowie Tim Bauer, wissenschaftlicher Mitarbeiter von Kolbeck, Sprecher des HAWK-Juniorenkreises und Junior einer Großbäckerei in Landau.

Aber was steht nun in den Arbeiten, das Familienunternehmer wissen sollten? Das Fazit von Ina Fischer hat eine persönliche und eine wissenschaftliche Dimension. Die wissenschaftliche Dimension in punkto Marketing-Strategien für Bauunternehmen: Die Albert Fischer GmbH mit ihren 185 Mitarbeitern hat nach Ansicht der Unternehmens-Tochter ein dichtes Netz an funktionierenden Instrumenten. Ina Fischer würde allenfalls geringfügig andere Schwerpunkte setzen. Die persönliche Dimension dabei: „Das wusste ich vorher alles gar nicht.“ Durch meine Master-Arbeit habe ich das Unternehmen meines Vaters (und inzwischen auch des Bruders) überhaupt erst kennen gelernt und eine ganz andere Sicht darauf bekommen.“

Ina Fischer schließt heute nicht mehr aus, später auch ins Unternehmen mit einzusteigen. Diese neue Einstellung bestätigt eine Erkenntnis, die sie ebenfalls im Zuge ihrer Arbeit herausgefiltert hat: Familienunternehmen schotteten sich nach außen ab, ließen niemanden in die Karten schauen – manchmal werde sogar innerhalb der Familie nicht über Interna gesprochen. Gleichzeitig aber sei das Unternehmen immer ein Teil des Familienlebens und dies werde von den Kindern häufig als große Belastung erlebt. Diese entschieden sich deshalb oft auch gegen die Unternehmensnachfolge. Ein zentrales Problem: „In den nächsten fünf Jahren stehen in Deutschland knapp 350.ooo Übernahmen an; aber nur die Hälfte der Unternehmen wird in Familienhand bleiben“, betont Kolbeck.

Das Wissen darüber, dass nahezu alle Familienunternehmen mit den gleichen strukturellen Schwierigkeiten zu kämpfen haben, könnte so manchen Unternehmer bewegen, Beratung und den Austausch mit anderen zu suchen, um durchaus auch gemeinsam Strategien beispielsweise Banken gegenüber zu entwickeln. Die Familie spiele eine zentrale Rolle als Ressource, ganz anders als in großen Konzernen, ordnet auch Kolbeck ein. Das bringe viele Schwierigkeiten, aber auch deutliche Stärken mit sich. Stärken beispielsweise in der Kundenbindung von Familienunternehmen und in der Wendigkeit bei Entscheidungen.

Bei den Bauunternehmen Schaper (rund 30 Mitarbeiter) und Eilert (rund 60 Mitarbeiter) sei die Nachfolge erfolgreich vollzogen worden, fasst Nicole Kaminski zusammen. Beide hätten die entscheidenden Regeln beherzigt: „Frühzeitig das Thema in familiärer, rechtlicher und steuerlicher Hinsicht angehen und: Die Senioren müssen irgendwann wirklich loslassen“, bringt sie es auf den Punkt. Loslassen muss die HAWK jetzt auch ihre erfolgreichen Master-Absolventinnen. Nicole Kaminski hat schon eine Stelle beim Bauunternehmen Fischer. Ina Fischer möchte ihre ersten beruflichen Erfahrungen zunächst außerhalb Hildesheims sammeln.

Weitere Informationen:
Dr. Christoph Kolbeck
kolbeck@hawk-hhg.de
05121/881-511

(v.r.n.l.) Dr. Christoph Kolbeck, Nicole Kaminiski, Prof. Sigrid Tylla-Sager, Ina Fischer, Ulrike S  (v.r.n.l.) Dr. Christoph Kolbeck, Nicole Kaminiski, Prof. Sigrid Tylla-Sager, Ina Fischer, Ulrike S