Eröffnung: 3. März 2007, 18.00 Uhr
Einführung: Prof. Dr. Sabine Foraita
Innen und Außen sind zwei Welten, die durch Etwas voneinander getrennt sind. Sie brauchen einander, unterscheiden sich, sie schließen sich aus. Sie sind Paar, Gegner und Kontrast. Provozieren Brüche, Spannung - und Bilder.
Das Haus im Park ist schon in seiner Architektur auf Innen-Außen-Wirkung angelegt. Das Projekt spielt mit der Konstruktion des Hauses und der Topographie der Landschaft.
Westermeier und die Studierenden der HAWK zeigen leuchtende Vielfalt: künstlerische Videofilme, experimentelles, rein narratives, phantastisches Video und Action-Comics. In der dunklen Parklandschaft - von außen - sind die bewegten Bilder weithin sichtbar. Dieselben Bilder – vom Innenraum des Hauses betrachtet – erzählen dieselben Geschichten, nur wieder ganz anders.
Mit der künstlerischen Ausdruckstechnik der Zeichnung, dabei raumbezogen auf die Situation des Hermannshofes, bearbeitet Anna Ullrich ein Fundstück, das sie am Pavillon gefunden hat: Ein Glasscheibe, die mit einer weißen Kaseinfarbe getrübt ist, und indie Kopffüßler und andere figürliche Ungelenkigkeiten geritzt und gekritzelt sind. Diese Figuren nimmt sie in ihr Konzept als Hauptdarsteller auf und "animiert" sie im ursprünglichen Sinne des Wortes: Animare = Leben einhauchen. Von außen in das Innere des Pavillons lässt sie sie auf dem Vorsprung des Getränkefahrstuhls geistern und tanzen.
„Intimität ist ein Zustand tiefster Vertrautheit. Intimität herrscht in der Intimsphäre – einem persönlichen Bereich, der durch die Anwesenheit ausschließlich bestimmter oder keiner weiteren Personen definiert ist und Außenstehende nicht betrifft."
Unter dieser Prämisse haben Greta Herbst und Sonja Kappenberg in ihrem Projekt ›[ In]tim in ebenso boshafter wie technisch aufwändigen Video-Installation die Damen und Herrentoiletten des Pavillons verfremdet: So wird sowohl das Frauen-WC als auch das Männer-WC des Pavillons zum Schauplatz. Soja Kappenbergs und Greta Herbsts Ziel ist es, die Räume aus ihrer intimen Funktion zu lösen und damit den Besucher zu verunsichern. Mittels digitaler Technik werden die Innenräume mit Kurzfilmen bespielt. Die Kombination aus Film, Sound und Installation holt die Außenwelt in den sichergeglaubten Innenraum.
"Träumlich": Von der Freiheit der Phantasie, vom Loslösen des rationalen Denkens handelt der Kurzfilm von Annette Jacobs, Katrin Schubert und Stephanie Rudolph. Der Film thematisiert die Phantasiewelt eines Mädchens inmitten des Alltaggeschehens. Da die Handlung in der Logik des Traums gehalten ist, behaftet die Hauptdarstellerin Orte mit ihrer Phantasie und lässt so völlig neue und ungeahnte Situationen entstehen. Innen und Außen verschmelzen zu einer surrealen Kulisse. Die Situationen werden durch ständige Perspektivwechsel assoziativ miteinander verknüpft und führen den Betrachter durch die Handlung des Films.
Auch Yvonne-Janine Wolf bearbeitet schwerpunkmäßig die psychologische Seite des Themas. Sie bedient sich einer Mischung aus Spiel und Dokumentarfilm: Sie verfolgt mit der Kamera einen alten Mann in einem kellerartigen, sehr kargen Raum, der, so will es Yvonne-Janine Wolfs Suggestion, keine Anstalten trifft, ihn jemals zu verlassen. Er hat einmal am Tag die Möglichkeit, nachdem er an die Glasscheibe klopft, die der Kamera die Sicht in das Innere des Raumes gewährt, sich mitzuteilen, sich zu äußern. Ein Ritual, das sich wiederholt, Tag für Tag, scheinbar ewig.
Im Inneren der Kästchen, die auf das Trottoir als Vorlage des Himmel-und-Höllespiels aufgezeichnet sind, möchte sich Jonathan Stengers Hauptdarstellerin bewegen. Was ihr aber sehr schlecht bekommt. Ein Glück, dass sie wie das Innen und Außen des Spiels auch nur gezeichnet ist.
Sich das Gute von außen ins Innere zu holen, das zeigt Andreas Kaufhold in seiner Installation "ein Tag am Strand": Der blaue Himmel, die Vögel die vorüberziehen,das Flugzeug, eine Situation zum Träumen. Und die holt Kaufhold auf die Erde, er projeziert sie auf den Boden, auf Koordinaten der Steinplatten des Hermannshofs oben-unten, innen-außen, alles wird eins.
Kasia Warpas fragt nach der Relevanz der Unterscheidung von innen und außen. Sie zeigt, dass, wenn man nach außen gehen will, wenn man die Welt bereisen will, niemand mehr sein Zimmer verlassen muß. Per Mausklick ist jeder Winkel der Welt erreichbar, durch das Internet geht man durch fremde Landschaften, begegnet fremden Menschen, fremden Kulturen. Aus fern wird nah, so nah, dass es das eigene Haus betritt, unsere Wahrnehmungen vermengen sich. "In wieweit entfernt uns die virtuelle Wirklichkeit vom realen Leben?- Sind die im Internet erlebten Eindrücke mit den realen zu vergleichen?" fragt sie sich.
Die Studierenden der finnischen Partnerhochschule Kymenlaakso Polytecnik Kouvola Aleksi Saarela, SimoVitanen, Vesa Väiänen, Antti Taipale, Jani Teräväinen von Meduusa-TV, einem fakultätseigenen Sender lösten das Innen-Außen-Thema dokumentarisch: Sie verfolgten eine Raupe, die in das "Maul" einer fleischfressenden Pflanze gerät und ihr dann doch wieder entkommt.
Aus vier Teilen, aus vier Rädern, aus vier Fahrten durch einen Tunnel, zeitversetzt angeordnet, verdichtet Jan Bartels seine vier Videomodule zu einer virtuellen Skulptur. Ähnlich der repetitiven Kompositionstechnik eines Steve Reich wiederholt er seine Module von Sequenz zu Sequenz mit kleinen und größeren Veränderungen: "Vom Chaos zur Einheit und zurück" nennt Jan Bartels diesen Ablauf.
"Every Black Minute" heißt dasKompilationsvideo von Julian Davis. Bei dieser Arbeit beschäftigt er sich mit der Frage, wie negative Ereignisse und Erfahrungen sich auf unser alltägliches Leben auswirken. Ob und wie es uns gelingt, aus diesen Situationen stärker hervorzugehen und das Negative, was uns widerfahren ist, in etwas Positives zu verwandeln. "Bestimmte Ereignisse führen dazu, dass wir unsere derzeitige Situation, Menschen um uns herum oder eigentlich vertraute Dinge in einem völllig anderen Licht sehen und sich die Ansichten verschieben. Der Titel der Arbeit „Every Black Minute“ bezieht sich auf genau diese „dunkelen“ Momente, die ganz sicher jeder schon einmal durchlebt hat." Der Aufbau des Videos folgt keiner bestimmten Erzählstruktur mit Anfang, Hauptteil, Schluss. Es soll keine festgelegte Geschichte erzählt werden, vielmehr liegt es am Betrachter (und dessen Fantasie), die Bilder neu zusammenzufügen um womöglich einen Bezug zu seinem eigenen Leben herzustellen.
Die Relativität von Innen und Außen untersucht Eckhard Westermeier in einem Kurzfilm mit narrativer Struktur in der Geschichte eines Helix, der sich durch eine Flut von durchsichtigen Blasen zu arbeiten versucht und dabei scheitert. Westermeiers Hauptdarsteller entstammen seiner Serie "Dinge, die man bei geschlossenen Augen sieht." Dabei handelt es sich um Bilder die er bei geschlossenen Augenlidern in der Sonne gesehen und notiert hat: Farben und Formen, von Lichtenergie, die durch die Blutbahn der Augenlider scheint und so die Nerven reizt, generierte Bilder. Einige dieser Bilder davon hat er gemalt, andere im Computer dreidimensional berechnet und mit Foto- und Videomaterial, das er aus der jeweiligen Gegend mitbrachte, kombiniert und gerendert. Nach der Computergenerierung wurden einige auf Film belichtet und im Leuchtkasten vor Licht gesetzt, andere, wie die hier ausgestellte, animiert und zur Erzählung verdichtet.
Eckhard Westermeier, bildender Künstler, 1952 in Freising geboren, ist seit 1995 Professor für rechnergestütztes Gestalten/Zeitbasierte Medien an der HAWK Hildesheim/Holzminden/Göttingen. Westermeier erforscht seit mehreren Jahren die Möglichkeiten und Formen des elektronischen Erzählens. Er ist Initiator und Kurator mehrerer experimenteller medialer Kunst-Veranstaltungen, z.B. „Hauptdarsteller Raum“ und „DigiTales“.
von Samstag, 3. März, bis Sonntag, 18. März 2007
täglich 18 bis 21 Uhr, montags geschlossen
Kunst und Begegnung Hermannshof e.V.
Röse 33
31832 Springe-Völksen
Fon/Fax: 0 50 41 / 85 30
www.hermannshof.de
Gefördert durch: Niedersächsische Lottostiftung
Konzeptförderer: Sparkasse Hannover, Region Hannover