Erscheinungsdatum: 03.04.2008

Rund 120 Teilnehmer bei Fachtagung der Fakultät Soziale Arbeit und Gesundheit

„Ihre Namen werden in die Geschichte eingehen.“ Mit diesen Worten beglückwünschte zum Beispiel Maria Miesen vom Bundesverband der Ergotherapeuten die elf ersten deutschen Absolventinnen und Absolventen des Master-Studiengangs Ergotherapie, Logopädie und Physiotherapie der HAWK jetzt im Hildesheimer Rathaus. Vertreter aller drei Berufsverbände waren zum Festakt nach Hildesheim gereist, um an dieser für die akademische Entwicklung der Gesundheitsfachberufe historischen Feier teilzunehmen.

Oberbürgermeister Kurt Machens würdigte das Erreichte der HAWK und ihrer Master-Absolventen ebenso eindrucksvoll: „Ein wenig fällt von Ihrem Ruhm auch auf die Stadt Hildesheim. Die Akademisierung der Gesundheitsberufe ist ein außerordentlich zukunftsträchtiges Thema von besonders innovativer Bedeutung.“

Die Komplexität der Behandlungen und die dynamischen Entwicklungen im Gesundheitswesen seien ein guter Grund, die Ausbildung in diesen Berufen an die Hochschulen zu verlagern. Machens wies aber eindringlich darauf hin, dass bei allen Entscheidungen nie die menschliche Zuwendung zum Patienten vernachlässigt werden dürfe. Machens freute sich, dass die HAWK den Namen Hildesheims mit diesen besonderen Studiengängen in ganz Deutschland bekannt mache und bezeichnete Hildesheim mit seinen drei exzellenten Krankenhäusern als ganz besonderen Gesundheitsstandort.

HAWK-Präsident Prof. Dr. Martin Thren betonte in seiner Festrede, dass die Stadt ein bedeutender Kooperationspartner der HAWK sei. Hildesheim wiederum könne mit seinen Pfunden wuchern, eine mittelgroße und feine Hochschulstadt zu sein. „Und die Hochschulen tragen den Namen ihrer Stadt als Botschaft in die Region, in die Bundesländer und schließlich manchmal auch in die Welt“, sagte Thren.

Eine dieser Botschaften sei der Festakt im Rathaus: „Die HAWK ist die erste Hochschule in ganz Deutschland, die Absolventen und Absolventinnen in den Gesundheitsberufen Ergotherapie, Logopädie und Physiotherapie die Master- Urkunden überreicht. Wir sind Vorreiter auf dem Gebiet der Akademisierung dieser Berufe, sowohl im Bachelor, als auch im Master- Bereich. Die akademische Zukunft der Gesundheitsfachberufe hat nämlich 2001 hier in Hildesheim an der HAWK als Modell-Studiengang begonnen. Gefördert wurde das Projekt damals über die Bund-Länder-Kommission der Kultusministerkonferenz. 2005 kam der Master-Studiengang dazu.“


Inzwischen gebe es rund 20 Bachelor- und fünf Master- Studiengänge in den Gesundheitsfachberufen in Deutschland. Und man könne mit Fug und Recht sagen, dass das Studienkonzept der HAWK Schule gemacht habe. Bis heute einzigartig an der Ausbildung in Hildesheim ist die ausdrücklich interdisziplinäre inhaltliche Ausrichtung des Studienangebots. Andernorts sind die Studiengänge in der Regel auf eine der drei Professionen begrenzt.

„Unser Hildesheimer Weg ist ein anderer. Beim Master-Studiengang ist neben dem Bereich Gesundheitsförderung und Prävention zwar auch die Disziplinäre Forschung einer der Schwerpunkte. Tatsächlich bleibt der Blick aufs ganze System der Gesundheitsberufe aber immer ein Hauptaugenmerk“, sagte Thren und ordnete diese Ausrichtung in das Gesamtprofil der HAWK ein: „Interdisziplinarität ist ohne Zweifel das Gebot der Stunde in einer hochdifferenzierten und globalisierten Welt. Das heißt: Kampf dem Schmalspur- Berufsbild! Wer nur klassisch geprägte Berufsfelder im Blick hat, wird im Lauf seines Berufsweges am Markt scheitern.“

Prof. Dr. Cornelia Behrens, die maßgeblich an der Entwicklung dieses Studienangebots der HAWK beteiligt war, erinnerte: „15 Jahre sind seit den ersten Überlegungen vergangen. Heute sehen wir alle Erwartungen eindrucksvoll bestätigt.“ Behrens hob den Einsatz von drei zentralen Akteuren hervor: Initiator war der damalige HAWK-Präsident, Prof. Dr. Johannes Kolb, der das Projekt gemeinsam mit Prof. Dr. Clemens Geißler vom Institut für Entwicklungsplanung und Strukturforschung in Hannover und Wolfgang Körner, Hochschulplaner im Niedersächsischen Wissenschaftsministerium, zielstrebig und ausdauernd vorangetrieben hatte. „Sie setzen Maßstäbe in Ihrer Berufsgruppe“, rief Behrens den Absolventen von der HAWK-Fakultät Soziale Arbeit und Gesundheit vor mehr als 200 Festgästen zu.

Die Präsidentin des Deutschen Bundesverbandes für Logopädie, Dr. Monika Rausch, unterstrich, dass es ihr wichtig sei, den sehr beharrlichen Einsatz der HAWK bei diesem Anlass öffentlich anzuerkennen, denn: „Die Logopädie braucht wissenschaftliche Kompetenz.“ Maria Miesen vom Verband der Ergotherapeuten räumte dennoch im Namen aller ein: „Wir sind noch nicht am Ziel, aber die Entwicklung ist durch nichts mehr aufzuhalten.“ Sie hoffe, dass sie das nächste Mal zur ersten Doktorfeier nach Hildesheim kommen könne.

Ziel aller drei Berufsgruppen ist, dass sowohl die praktische als auch die theoretische Ausbildung von Logopäden, Ergotherapeuten und Physiotherapeuten als akademische Ausbildung an Hochschulen absolviert werden kann. Die praktische Ausbildung ist aufgrund gesetzlicher Rahmenbedingen noch den Fachschulen vorbehalten.

Bodo Schlag vom Zentralverband der Physiotherapeuten hob den Pioniergeist der Absolventinnen und Absolventen hervor: „Sie haben ihr Studium trotz noch undeutlicher Berufsaussichten angetreten und ohne Gewissheit, ob sich Ihr Einsatz auszahlt.“ Dies gelte sowohl für die 41 Bachelor-Absolventen, die auch bei der Feierstunde im Rathaus verabschiedet wurden, als auch für die ersten deutschen Master dieser Berufsgruppen. Für diesen Mut verlieh Schlag den Pionieren denn auch eine ganz besonderes Prädikat: „Sie nehmen nicht an einer Entwicklung teil, Sie sind die Entwicklung.“

Ihre Glückwünsche überbrachten auch Prof. Dr. Heidi Höppner von der Fachhochschule Kiel und Viola Schalaster von der Organisation Studierender und ehemaliger Studierender therapeutischer Gesundheitsberufe. Natürlich durften auch die Geehrten selbst am Rednerpult nicht fehlen. Launige Dankesworte an ihre Professorenschaft rundeten die Festveranstaltung ab, die musikalisch von der Bläsergruppe Camisa Negra begleitet wurde.

Die ersten Master-Absolvent/innen sind: Mareen Menzel, Astrid Netzband, Dorothea Bünemann-Geißler, Margaret Schmidt, Holm Thieme, Wencke Reßler, Anne-Mareike Kahrs, Kathrin Reichel, Markus Düchting, Birte Winkelmann und Stefanie Born.

Eingebettet war die Verleihung der Bachelor- und Mastergrade in eine zweitägige Fachtagung mit rund 120 Teilnehmerinnen und Teilnehmern an der HAWK. Das Thema war die „Zukunft akademisierter Gesundheitsfachberufe – Perspektiven der Forschung und Praxis Ergotherapeut/innen, Logopäd/innen und Physiotherapeut/innen im deutschen Gesundheitswesen“.

Die Bachelor-Absolvent/innen finden Sie hier.

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HAWK-Professor Dr. Bernhard Borgetto ordnet die Diskussionen um die Akademisierung der Gesundheitsfachberufe im Rahmen der diesjährigen Tagung „Zukunft akademisierter Gesundheitsfachberufe – Perspektiven der Forschung und Praxis Ergotherapeut/innen, Logopäd/innen und Physiotherapeut/innen im deutschen Gesundheitswesen“ ein:

Das Gesundheitssystem in Deutschland befindet sich angesichts der andauernden Finanzierungskrise der gesetzlichen Krankenversicherung sowie der demographischen und epidemiologischen Entwicklung in einem sich beschleunigenden Wandel. Die Rationalisierung und Anpassung der Gesundheitsversorgung wird dabei vor allem in drei Richtungen diskutiert: die Aufwertung von Prävention und Rehabilitation gegenüber der Akutmedizin, die Verbesserung der Versorgungsqualität durch wissenschaftliche Nachweise der Wirksamkeit und Qualitätssicherung sowie die Stärkung von Patientenrechten und Selbsthilfe. Die therapeutischen Gesundheitsfachberufe können einen substanziellen Beitrag zu diesem Wandel leisten. Notwendig ist eine hochqualifizierte therapeutische, rehabilitative und präventive Praxis auf wissenschaftlicher Grundlage.

Die Wirksamkeit der Versorgungsangebote muss nachgewiesen werden, um im Kontext der Krankenversicherung langfristig Bestand zu haben. Gleichzeitig muss ein kritisches Bewusstsein für die gesundheitspolitischen Gestaltungsprozesse entwickelt werden. Voraussetzung hierfür ist eine akademische Ausbildung, die sich an den Versorgungsbedarfen der Bevölkerung orientiert. Die ersten Schritte hierfür sind getan: erste Bachelor- und Master-Studiengänge für Ergotherapie, Logopädie und Physiotherapie sind entstanden; die erstenAbsolvent/innen bewähren sich im Berufsleben.

Die Weiterentwicklung der Kooperation der Gesundheitsberufe ist in diesem Kontext ein zentrales Thema. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen hat in seinem Gutachten von 2007 die Kooperationspraxis analysiert und Perspektiven der Entwicklung der Kooperation aufgezeigt (Sachverständigenrat 2007). Diese gehen auch auf die Zukunftsperspektiven von Ergotherapie, Logopädie und Physiotherapie ein. Diese Perspektiven diskutierten Prof. Dr. Adelheid Kuhlmey als Vertreterin des Sachverständigenrates und Franz Knieps als Vertreter des Bundesministeriums für Gesundheit bei der Tagung.

Der Sachverständigenrat sieht eine hinsichtlich der Verantwortlichkeiten klar geregelte und den fachlichen Qualifikationen der Beteiligten entsprechende Kooperation der Gesundheitsberufe als Voraussetzung für eine zielorientierte, effektive und effiziente Versorgung an. Auf dem Hintergrund des medizinisch-technischen Fortschritts sowie sich verändernder Rahmenbedingungen und zunehmender funktionaler Differenzierung des Gesundheitssystems empfiehlt der Rat eine stärkere Einbeziehung nichtärztlicher Gesundheitsberufe und fordert eine verbesserte Kooperation, die im Rahmen neuer, teamorientierter Arbeitsformen zu einer Neuaufteilung von Verantwortlichkeiten, Aufgaben und Tätigkeitsfeldern entsprechend der Qualifikation der Gesundheitsberufe kommt. Ein zentrales Thema hinsichtlich der Gesundheitsfachberufe ist die Forderung des Sachverständigenrates, die Ausbildung in den Gesundheitsberufen zu profilieren. Der Rat bewertet den Akademisierungsprozess verschiedener Gesundheitsberufe, der seit einigen Jahren in vollem Gange ist, positiv, regt aber eine Vereinheitlichung der bisher sehr heterogen angelegten Studiengänge und eine Abstimmung innerhalb der einzelnen Berufsgruppen zwischen den Aufgaben der akademisch Ausgebildeten und der in den Schulen des Gesundheitswesens Ausgebildeten an.


Damit ist eine Frage angesprochen, die sicherlich unterschiedliche Positionierungen heraus fordern wird. Zu erwarten ist, dass Fachhochschulen, Berufsfachschulen, Berufsverbände und einzelne Therapeuten hierzu nicht ohne Weiteres einen Konsens formulieren können. Die Hauptfragen werden sicherlich sein, ob es bereits jetzt, aber auch kurz-, mittel- und langfristig unterschiedliche
Aufgaben für akademisch gebildete Therapeuten und berufsfachschulisch gebildete Therapeuten geben soll, ob sie sich - auch ungewollt - entwickeln und deshalb zwangsläufig geben wird oder ob versucht werden soll eine Trennung von Aufgabenbereichen zu verhindern.

Rund 120 Teilnehmer bei Fachtagung der Fakultät Soziale Arbeit und Gesundheit Die ersten elf Master- und die 41 Bachelor-Absolventinnen und Absolventen der HAWK in den Bereichen Die ersten elf Master- und die 41 Bachelor-Absolventinnen und Absolventen der HAWK in den Bereichen