Studienrichtung Restaurierung von Möbeln und Holzobjekten in Siebenbürgen

Erscheinungsdatum: 13.10.2017

Seit vielen Jahren bereisen Studierendengruppen der Möbelrestaurierung mit jeweils verschiedenen Dozenten sowie unterschiedlichen Arbeitsaufträgen die Kulturlandschaft Transsylvaniens. Dazu gehört das vielerorts ehemals deutschsprachige Siebenbürgen in Rumänien. Kirchenburgen, eine Sonderform der befestigten Kirchenanlagen mit unterschiedlichen Nebengebäuden, prägen diese Landschaft. Ihre hölzernen Kirchenausstattungen stammen häufig noch aus der Spätgotik, dem frühen 16. Jahrhundert, und zeichnen sich durch besondere Intarsienmotive und Schnitzereien aus.

Die Fachwelt spricht hier von Blockintarsien und Flachschnittdekor. Letzteres wurde in Nadelholz ausgeführt und steht mittlerweile neben den Intarsienmotiven im besonderen Fokus der Studienrichtung. Für den Aufbau einer vergleichenden Datenbank und um Werkstatt- und Künstlerzuschreibungen vorzunehmen, zeichnen Restauratorinnen und Restauratoren solche Schnitzereien ab, digitalisieren sie und vergleichen sie miteinander. Jedes Jahr werden daher zahlreiche Kirchenburgen auf der Suche nach Intarsien oder Flachschnitzereien untersucht, um die Arbeit fortzusetzen. Ein Verzeichnis solcher Arbeiten oder von Kunstwerken und deren Standorten nach westeuropäischem Vorbild existiert in Rumänien derzeit noch nicht und ist unter anderem Ziel der HAWK-Restauratorinnen und -Restauratoren.

 

So gab es auch in diesem Jahr eine zweiwöchige Studienreise für sechs HAWK-Studierende der Konservierungs- und Restaurierungsstudiengänge sowie einer Studentin aus der Schweizer HKB Bern. Durchgeführt haben die Fahrt in diesem Jahr die Mitarbeiter Dr. Dipl.-Rest. Ralf Buchholz sowie Susanne Karius in Begleitung von Hon.-Prof. Dr. Thorsten Albrecht, dem Kunstreferenten der Evangelischen Landeskirche Hannovers. Aufgesucht hat die Gruppe die Kirchenburgen von Arkeden, Bonnesdorf, Bulkesch, Taterloch, Marktschelken, Kleinschelken, Haschagen, Halwelagen, Donnersmarkt, Magarei, Kirtsch und Reichesdorf. In Reichesdorf führte der 80-jährige Kurator Johann Schaas durch seine Kirche und begeisterte die Studierenden mit seinen Geschichten zur Ortsentwicklung, zu den damaligen Einwohnern sowie den grünen Männlein in seiner Kirche, auf die er stolz mit seinem Zeigestöckchen aufmerksam machte. Zur Aufklärung des Wortspieles mit den grünen Männlein: Dabei handelt es sich um sogenannte Blattmasken. Blattmasken sind ein Architekturdekor oder Ornament, meist ein Gesicht, dessen Haare und Bart von akanthusartigen Blattformen gebildet werden und sich in der Architekturplastik auflösen. Die Blattmaske kommt aus der Antike und findet sich bis in die Renaissance an Konsolen, Kapitellen und Schlusssteinen. Bei Beschreibungen kommen auch die Formulierungen "Wilder Mann" oder "Grüner Mann" für das Blattwerk zum Einsatz.

Ein Muss in jedem Jahr ist stets ein Besuch der imposanten Burganlage von Birthälm, dem ehemaligen Bischofssitz. Dort wurden die spätgotischen Flachschnitzereien "analog" abgezeichnet und damit die begonnene Arbeit des Vorjahres beendet. Besuche gab es noch in der restaurierten Kirchenburg von Trappold und in Hermannstadt mit dem Siebenbürgischen Museum im Kulturbegegnungszentrum Friedrich Teutsch sowie der größten bewohnten Burganlage Europas – zudem Teil des UNESCO-Welterbes der Kirchenburgen Siebenbürgens – in Schäßburg mit seiner Klosterkirche sowie der Bergkirche. In beiden Kirchen wurden die großen Portaltüren (datiert 1495 sowie Mitte 16. Jh.) gereinigt, gefestigt und mit einem Schutzüberzug aus einem UV-Schutzöl versehen.

Die Gruppe wohnte diesmal im neuerbauten Gemeindehaus der Kirchengemeinde von Mediasch. Nebenan in der Margarethenkirche findet sich zudem der zukünftige Standort für das Chorgestühl aus Tobsdorf von 1537, welches noch ein Jahr lang in der Restaurierungswerkstatt der HAWK auf dem Campus in Haus D restauriert und wiederaufgebaut werden wird. Die Studierenden vermaßen den zukünftigen Standort, untersuchten ihn und befanden ihn für sehr gut!

Im gutbesuchten Hermannstädter Sitzungssaal des Landeskonsistoriums im Bischofspalais gab es noch einen Vortrag von Ralf Buchholz zum Thema "Von Stollentruhen und Blockintarsien – Das mehrjährige Engagement der HAWK Hildesheim in Siebenbürgen". Über die Dauer der Restaurierung des Tobsdorfer Chorgestühles hinaus suchen Beteiligte nach Möglichkeiten einer Zusammenarbeit der Evangelischen Landeskirche Rumäniens, der Stiftung Kirchenburgen und der HAWK. Auch im kommenden Jahr finden Studienfahrten wieder statt.

Am Ende waren sich alle erneut einig: Siebenbürgen ist aus unterschiedlichen Aspekten immer wieder eine Reise wert!