Eine Intensivierung der Marketing-Aktivitäten, eine Mobilisierung der internen Wissensressourcen und Kooperationen mit ausländischen Unternehmen - das sind Empfehlungen, die die Unternehmensberatung „HiVision“ dem Sarstedter Familienunternehmen Wiedemann jetzt vorgestellt hat. Das Besondere an den Empfehlungen: Hinter „HiVision“ verbirgt sich keine echte Unternehmensberatung, sondern ein Realfallseminar der HAWK unter der Leitung von Dr. Christoph Kolbeck, der die Arwed-Löseke-Stiftungsprofessur für Familienunternehmen an der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst in Hildesheim inne hat. Die Firma Wiedemann, Lieferant auf dem Gebiet der Haustechnik, ist dabei Partner der HAWK. Neben den Bereichen Heizung, Lüftung und Klima liegt ein Schwerpunkt der Firma Wiedemann im Großhandel von Bad- und Sanitärzubehör.
Die Ausgangsfrage war: Wie verändern sich vor dem Hintergrund der Internet-Möglichkeiten künftig die Vertriebsformen und welche konkreten Anforderungen ergeben sich daraus für das Unternehmen? Bestandsaufnahme, Betriebsbesichtigung, Gruppenarbeit und Kundenbefragungen waren die Aufgaben der Studierenden.
Interviewt wurden von ihnen 51 Wiedemann-Kunden, 212 Passanten in der Innenstadt von Hildesheim und mehrere Mitarbeiter zu den Themen „Wiedemann, Vertriebsweg und Produkte“. Bei einem zweitägigen Workshop in Hamburg haben die Studierenden von „HiVision“ die Fragebögen dann mit Hilfe von komplexen Statistik-Programmen ausgewertet. Ihr Ziel war die professionelle Abschlusspräsentation der unter der Leitung von Kolbeck herausgearbeiteten Handlungsempfehlungen, die jetzt in Sarstadt stattgefunden hat.
Im Schulungszentrum der Firma Wiedemann hatten sich elf Führungskräfte der Firma Wiedemann versammelt, die auf die Analysen und Ergebnisse der Beratung „HiVision“ gespannt waren. Denn es ist eher ungewöhnlich, dass sich erfahrene Führungskräfte von Studierenden beraten lassen.
Die Wiedemann-Mitarbeiter wurden nicht enttäuscht. Ihren lockeren Studentendress hatten die Mitarbeiter von „HiVison“ gegen Anzüge getauscht. Souverän präsentierte das studentische Team die Ausgangssituation. So erfuhr Firmenchefin Barbara Wiedemann, dass die Kunden ihrem Unternehmen ein sehr gutes Zeugnis ausstellen: 88 Prozent der befragten Handwerker finden Wiedemann gut oder sehr gut. Besonders hervorgehoben – so das Ergebnis der Kundenbefragung - wird die Lieferpünktlichkeit. Ganz still wurde es im Raum, als der Sprecher des Unternehmens, Nils Huter, Ergebnisse der Umfrage unter Passanten in Hildesheim vorstellte. Diese Form der Befragung hatte die Firma Wiedemann bisher noch nicht durchgeführt.
Das Ergebnis lässt Handlungsbedarf erkennen: Wiedemann ist bei mehr als 50 Prozent der Interviewten zwar bekannt, wird aber nur selten mit Bad und Sanitär in Verbindung gebracht. Auf die Frage, was mit Wiedemann verbunden werde, kamen häufig Antworten wie: „Weißer LKW mit blauer Aufschrift, aber was die genau machen, weiß ich nicht“ oder „Die sind doch im Sportsponsoring tätig“ oder „Ich weiß, dass Wiedemann Buswerbung macht“. Bekannt ja, aber nicht womit, war die Schlussfolgerung der Studierenden. Um dies zu ändern, hat das „HiVsion“-Team auch gleich konkrete Handlungsempfehlungen ausgearbeitet: Stärkung der Marke im Endkundenbereich. Ein Vorschlag samt Preiskalkulation ist, die Wiedemann LKW-Planen neu zu gestalten und den Bad/Sanitär-Bereich hervorzuheben.
Eine weitere Empfehlung fand ungeteilte Zustimmung bei den Führungskräften von Wiedemann: Die Idee, das umfangreiche Wissen des Unternehmens, das bisher vor allem nur in den Köpfen der Einzelnen steckt, organisationsweit verfügbar zu machen. Die Studierenden stellten das Vorhaben „Mobilisierung der internen Wissensressourcen“ mit Hilfe von so genannten Kundenvisitenkarten vor - ein erster Schritt in Richtung Wissensmanagementsystem. So können per Kundenvisitenkarte alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die relevanten Informationen über einen Kunden abrufen. „HiVision“ hatte selbstverständlich schon ein Beispiel ausgearbeitet.
Die dritte große Empfehlung schließlich war, dass das Unternehmen aufgrund stagnierender Märkte in Deutschland im Ausland investiert. Umfangreiche Recherchen der Studierenden hatten ergeben, dass insbesondere der osteuropäische Markt und hier der tschechische aufgrund seiner hohen Wachstumsraten interessant sei. „HiVision“ schlug sogar ein konkretes Unternehmen für eine Beteiligung vor, das wie Wiedemann ein Großhändler mit mehreren Standorten und gleichzeitig ebenfalls Familienunternehmen ist.
Ob und wie Barbara Wiedemann die studentischen Empfehlungen umsetzt, wird sie mit ihrer Führungsriege beraten. Derzeit strukturiert die Unternehmerin ihren Bereich Fuhrpark um und verlagert Teile auf Speditionsunternehmen. Dieses Projekt hält die Firma momentan in Atem. Trotzdem ist sie begeistert von den Vorschlägen der Studierenden und sagt: „Wir haben einen interessanten Input bekommen und werden überlegen, was und wieviel wir davon umsetzten.“ Christoph Kolbeck zieht für die HAWK Bilanz: „Mit diesem Projekt ist es gelungen, HAWK-Studierenden praktischen Unternehmergeist zu vermitteln. Ein weiterer positiver Effekt ist, dass die Studierenden ein erfolgreiches Familienunternehmen „hautnah“ kennen- und schätzen gelernt haben.“ Aufgrund des großen Interesses, wird Kolbeck im kommenden Semester wieder ein Realfallseminar anbieten, dann mit der Firma Arwed Löseke. HAWK-Vizepräsidentin Prof. Dr. Cornelia Behrens bedankt sich ganz besonders bei der Firma Wiedemann für die Unterstützung und freut sich, dass die Stiftungsprofessur mit dieser Kooperation gleichzeitig auch einem Familienunternehmen in der Region Hildesheim zugute kommt.