Studierende der HAWK-Fakultät Bauen und Erhalten aus Hildesheim unterwegs
Das Besondere war, dass sich zwei Gruppen interdisziplinär zusammenfanden: In den zwei Modulen „Mehrfunktionale wasserbauliche Anlagen“ und „Stahlbauten in und am Wasser“ haben Studierende entweder die planerische Vertiefung „Wasser und Verkehr“ oder „Konstruktiver Ingenieurbau“ gewählt – sie haben sich also in dem vielfältigen Bauingenieurstudium ganz unterschiedlich orientiert. Hier aber hielten und hörten sie zusammengeführt zunächst alle selbst konzipierte Fachreferate aller Teilnehmenden – und fuhren dann gemeinsam auf Exkursion.
Das Besondere an der Exkursion selbst – noch über die gemischte Zusammensetzung „konstruktiver“ und „planerischer“ Vertiefenden hinaus: Bereits im Voraus recherchierten die Teilnehmenden Informationen zu den Anlagen, referierten hierzu direkt an den Anlagen und arbeiteten die Themen zum Nachlesen schriftlich aus. Exkursionen wie diese bieten den Studierenden die Chance, theoretisches Wissen anhand der Exkursionsziele praxisnah mit Anlagenbetreibenden zu reflektieren und neue Sichtweisen zu entwickeln.
Erster Tagespunkt war die bei Osterode gelegene Sösetalsperre der Harzwasserwerke GmbH. Dort besichtigte die Gruppe den Damm ausführlich. Dabei warfen sie vor allem einen Blick auf die umfangreichen Sanierungsarbeiten der Vorsperre. Am Nachmittag ging es dann in einer Ortsrandlage von Osterode um eine aktuelle Gewässerentwicklungsmaßnahme der Großen Bremke. Danach besuchte die Gruppe bei einem vorabendlichen Stopp die Möhnetalsperre, eine klassische Bruchsteinmauerwerkssperre, die sich stark von der Sösetalsperre, auch in Bezug auf die Funktion, unterschied.
Am zweiten Tag schlossen sich Besichtigungen des Ersatzneubaus der „Rheinbrücke Leverkusen“ und der Sanierung der „Mülheimer Brücke“ an, beide über den Rhein. Die schiere Größe beeindruckte die Studierenden, aber auch die Qualitätsanforderungen bei der Ausführung dieser Stahlbauten. Im Anschluss ging es zur „Friesenbrücke“, einer Eisenbahnbrücke über die Ems bei Weener. Schon im Jahr 2015 beschädigte sie ein Frachter so sehr, dass bisher kein Eisenbahnverkehr zwischen West- und Ostfriesland mehr möglich ist.
Der dritte Tag der Exkursion stand ganz im Zeichen der Besichtigung der Papenburger Meyerwerft. Die Herstellung von Kreuzfahrtschiffen aus Stahl, welche spektakulär ihren Weg von der Binnenwerft über die Ems auf die Meere finden, war in seinen Dimensionen äußerst beeindruckend. Die Studierenden schwankten zwischen Faszination bezüglich der Bautechnik und Kritik bezüglich des Einsatzes von Kreuzfahrtschiffen und deren Beitrag zur CO2-Produktion. Es war allerdings zu bemerken, dass bei den Werften ein Umdenken zugunsten klimaverträglicherer Antriebe eingesetzt hat.
Die nächsten beiden Tage ging es auf die Nordseeinsel Norderney und dort rund um den Küstenschutz. Dazu gab es Referate, Gespräche und vor allem eine mehrstündige Radtour, durchgeführt von einem Mitarbeiter des NLWKN, dem für den Küstenschutz zuständigen Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz. Auf Norderney kann man sich jeweils nach wenigen hundert Metern mit einem anderen Küstenschutzelement auseinandersetzen. Ganz wichtig für den Schutz nicht nur dieser Insel ist das gepflegte Dünenmassiv, ergänzt durch ein Sandmanagement für die Strände.
Dank der Mittagsfähre gelang es am fünften Tag, das Emssperrwerk bei Gandersum in Augenschein zu nehmen, das seit der Fertigstellung 2002 immer wieder vor Sturmfluten schützt und Schiffsüberführungen eben aus der Papenburger Meyerwerft ermöglicht. Die Studierenden setzten sich mit der Bautechnik, aber auch mit dem Sturmflutschutz des Binnenlandes wie auch mit Kritik zum Sperrwerksbetrieb aus Naturschutzgründen auseinander.
Am sechsten Tag der Exkursion führte es die Teilnehmenden in Bremerhaven zu zwei auf dem Land errichteten Prototypen von Gründungen für Offshore-Windenergieanlagen, Tripod und Jacket, deren Struktur normalerweise unter der Wasseroberfläche verborgen bleibt. Nach kurzer Fahrzeit gab es einen Stopp beim Fraunhofer-Institut für Windenergiesysteme in Bremerhaven, bei die Exkursionsgruppe insbesondere einen neuen Prüfstand für Rotorblätter mit einer Länge von mehr als 120 m begutachten konnte.
Die Fährüberfahrt von Bremerhaven nach Nordenham-Blexen entlang der Produktionsstätte der Firma „Steelwind“ bot den Studierenden bereits erste Einblicke in die faszinierende Größenordnung von „Megamonopiles“. Dies sind große Stahlrohre mit einem Durchmesser von mehr als neun Metern, welche Firmen zur Gründung von Offshore-Windenergieanlagen in den Meeresboden einbringen. Beeindruckend und faszinierend war die Führung durch die Produktionshallen der Firma „Steelwind“, bei der die Studierenden alle Fertigungs- und Handhabungsschritte erfassen konnten.
Am Tag sieben ging es zur Rethe-Klappbrücke für Bahn- und Straßenverkehr, die die Exkursionsgruppe im Hamburger Hafen in Augenschein nahm. Eine Führung in zwei Gruppen durch die Projektleiterin der „Hamburg Port Authority“ lieferte einen vertieften Eindruck in Planung, Bau und Betrieb dieser Stahlbrücke, immerhin die größte Ihrer Art in Europa. Die Exkursionsgruppe hatte Glück und konnte den Klappvorgang der Brücke beobachten.
Es ging weiter nach Lüneburg, wo die Exkursionsgruppe im Ortsteil Scharnebeck das Schiffshebewerk Lüneburg ansteuerte. Wie so oft gab es Anlagenreferate von Studierenden, eine Besichtigung mit fachlicher Führung und auch eine Trogfahrt – zufällig mit einem Motorboot aus Hildesheim, dessen Team sich für die Fahrt auf dem dortigen Elbeseitenkanal (ESK) entscheiden musste, weil die Elbe Niedrigwasser führte. Gerade dieser Umstand zeigte, wie wichtig Schifffahrtskanäle wie ESK und Mittellandkanal sind, weil dort unabhängig von Wasserständen auf Flüssen Schiffsverkehr gelingt.
Am achten und letzten Tag der Exkursion gab es noch zwei interessante Etappenziele. Zunächst besichtigte die Gruppe das Unterwassertechnikum Hannover (UWTH) des Institutes für Werkstoffkunde (IW) der Leibniz Universität Hannover. Hier erfuhren die Studierenden Details zu technischen Lösungen und zu Forschungsvorhaben rund um die Schweißtechnik, im Besonderen zum Unterwasserschweißen. Im Anschluss folgte der Besuch des Testzentrums für Tragstrukturen (TTH), welches ebenfalls zu Leibniz Universität Hannover gehört. Das Zentrum untersucht und erforscht das Ermüdungs- und Tragverhalten von Tragstrukturen von Offshore-Windenergieanlagen und Gründungen. In der 14 x 9 x 10 m großen Grundbauversuchsgrube bietet sich die Möglichkeit, statische und dynamische Versuche in großem Maßstab durchzuführen.
Ein besonderer Dank gilt allen Mitarbeitenden der Anlagenbetreiber, die ihr Wissen den Studierenden engagiert und nachdrücklich teilweise auch am Wochenende zur Verfügung stellten und jede Frage bereitwillig beantworteten. Die vielen Beitragenden können an dieser Stelle leider nicht im Einzelnen genannt werden, allzu viele bildeten die „Perlenkette“ der Exkursion zu technischen Anlagen des Stahl-, des Stahlwasser- und des Wasserbaus.
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