HAWK-Fachtag bietet Austausch über das neue Kinder- und Jugendhilferecht
Anlass war unter anderem die Reform des Kinder- und Jugendhilferechts durch das neue Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) im Jahr 2021. Dabei sind noch nicht alle Gesetzesänderungen gleich in Kraft getreten, weitere Neuerungen folgen schrittweise: Ab 2024 werden Verfahrenslots*innen in Jugendämtern eingeführt, und erst ab 2028 sollen Jugendämter für alle Kinder und Jugendlichen zuständig werden, unabhängig von der vorliegenden Beeinträchtigung.
Prof. Dr. Sabine Dahm, eine der Organisator*innen des Fachtages, betonte die Wichtigkeit einer Präsenzveranstaltung und deren gute Möglichkeiten zur Vernetzung: „Wir haben uns sehr über diese hohe Beteiligung gefreut - es sind auch Studierende da, denn wir sind natürlich auch eine Hochschule. Aber es ist ein großer Anteil an Fachkräften aus der ganzen Region und darüber hinaus da und insofern freuen wir uns natürlich als Veranstalter sehr.“
Vorbereitet wurde die Veranstaltung ebenfalls von Prof. Dr. Oliver Kestel und Prof. Dr. Ingrid Siebrecht und dabei von Prof. Dr. Tim Rohrmann und Prof. Dr. Sylvia Oehlmann unterstützt. „Insgesamt haben sich zehn Lehrende aus der Fakultät Soziale Arbeit und Gesundheit, also aus den Studiengängen „Soziale Arbeit“, „Kindheitspädagogik“ sowie „Ergotherapie/Logopädie/Physiotherapie“ bei der inhaltlichen Gestaltung des Fachtages eingebracht“, so Sabine Dahm weiter. Dies zeige, wie vielfältig die Aufgabe ist, die das neue KJSG an die Kinder- und Jugendhilfe stellt.
Die HAWK-Fakultät Soziale Arbeit und Gesundheit in Hildesheim begleitet aus wissenschaftlicher Sicht diesen Prozess und ist an einem Austausch mit der Praxis sehr interessiert. Dies bekräftigte auch die Dekanin der Fakultät, Prof. Dr. Corinna Ehlers, in ihrem Grußwort zu Beginn des Fachtages. Ebenfalls der Landkreis Hildesheim, mit dem die Fakultät besonders eng kooperiert, hat sich auf den Weg gemacht und einen Prozess in Gang gesetzt, wie der inklusive Auftrag umgesetzt werden kann. Hiervon berichtete Ahlke Bitting (Landkreis Hildesheim).
Anschließend wurde in verschiedenen Arbeitsgruppen thematisiert, welche Steuerungsaufgabe die Leitungskräfte in den verschiedenen Bereichen haben, um den gesetzlichen Auftrag zur Inklusion umzusetzen.
Dr. Koralia Sekler, Geschäftsführerin der AFET, dem Bundesverband der Erziehungshilfe für freie und öffentliche Träger, gab in ihrem Einführungsvortrag einen sehr klaren Überblick über die rechtlichen und praktischen Anforderungen des KJSG aus dem Jahr 2021. „Das ist durchaus eine Riesenherausforderung für die Systeme“, so Sekler zu der neuen Gesetzeslage. Für das Sozialgesetzbuch VIII seien in der Umsetzung die Jugendämter und Landesjugendämter zuständig. „Und für dieses System und auch den Riesenapparat vom Jugendamt und auch für die Profession Soziale Arbeit ist es eine Herausforderung, jetzt eben alle Kinder in den Blick zu bekommen - auch die, die einen besonderen Förderbedarf haben und besondere Hilfe auch brauchen“, so Sekler weiter.
Demnach sollen die Leistungsmöglichkeiten der Jugendämter sowie die Angebote der Träger der freien Jugendhilfe und der Kindertageseinrichtungen so gestaltet werden, dass Kinder und Jugendliche mit oder ohne Behinderungen möglichst gleichen Zugang haben.
Beispielsweise sollte es Angebote der offenen Jugendarbeit geben, die auch für Kinder und Jugendliche mit oder ohne Behinderungen zugänglich sein sollten. Angebote der offenen Jugendhilfe finden unter anderem in den Jugendzentren statt. Auch der Ausbau von inklusiven Angeboten der Kindertageseinrichtungen ist gefordert.
Hinzu kommt, dass bislang die Unterstützungsangebote für Kinder und Jugendliche nach der Art der Behinderung unterteilt werden. Kinder und Jugendliche mit geistiger und/oder körperlicher Beeinträchtigung erhalten Unterstützung aus dem SGB IX (Gesetz für die Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen). Zuständig hierfür sind die Träger der Eingliederungshilfe (früher Sozialämter). Kinder und Jugendliche mit seelischer Behinderung erhalten Eingliederungshilfe nach dem SGB VIII (Kinder- und Jugendhilfe), für die das Jugendamt zuständig ist.
In der Reform des Kinder- und Jugendhilferechts durch das KJSG im Jahr 2021 wurde geregelt, dass ab dem Jahr 2028 alle Kinder und Jugendlichen mit oder ohne Behinderungen nur noch einheitlich durch das Jugendamt Unterstützung erhalten, so dass die Aufteilung nach Beeinträchtigungsart wegfallen soll.
Dies wird die Kinder und Jugendlichen mit Behinderungen und ihre Familien entlasten, weil es dann nicht mehr zu Zuständigkeitsgerangel zwischen dem Träger der Eingliederungshilfe und dem Jugendamt kommen kann. Gleichzeitig wird es aber zu erheblichen Umstrukturierungen innerhalb der Jugendämter und der Träger der Eingliederungshilfe kommen müssen.