Burkhard Bretschneider ist ein Mann mit Vorbildern. Heute ist er selber eines - Vorbild für Energie, Beharrlichkeit und stete Neugier. Alle drei Eigenschaften haben seinen beruflichen Werdegang geprägt. Für seine Verdienste um die Hochschule hat Präsident Prof. Dr. Martin Thren Bretschneider jetzt mit der HAWK-Ehrenmedaille ausgezeichnet. „Mit unermüdlicher Kraft hat Bretschneider viele neue Dinge auf den Weg gebracht“, sagte Laudator Prof. Martin Thumm bei der Feierstunde im Hohnsen. Er bringe unermüdlich Menschen zusammen und mehre den guten Ruf der Stadt Hildesheim und seiner Hochschule. 1997 hat Bretschneider schon das Bundesverdienstkreuz am Bande und den Hildesheimer Kreuzbrakteaten bekommen. Mit dem Ehrenring der Stadt ist er ebenfalls ausgezeichnet worden.
Bretschneider stammt nach der Flucht aus Schlesien aus einem kleinen Dorf bei Bad Gandersheim. Nachdem der Vater im Zweiten Weltkrieg gefallen war, musste die Mutter die sechs Kinder allein ernähren. Um das Schulgeld für das Gymnasium zu bezahlen reichte es nicht. Burkhard musste als Ältester unter den Geschwistern schnell einen Beruf lernen. Sein Onkel gab bei der Entscheidung die Richtung vor. Deutschland lag in Schutt und Asche, Bauleute hatten gute Chancen.
Und so blieb dem damals 17-Jährigen die Wahl zwischen Maurer und Zimmermann. Wo denn der Unterschied sei, hatte die Mutter damals den Onkel gefragt. „Maurer ist leicht und dreckig, Zimmermann sauber und schwer“, hatte dieser erklärt. Burkhard Bretschneider entschied sich für Letzteres.
1952 erhielt er den Gesellenbrief und fuhr ins Ruhrgebiet, weil er von riesigen Baustellen dort wusste. Er klapperte eine nach der anderen ab. Ein Polier in Bochum schließlich fragte ihn: „Kennst Du dich mit Betonverschalungen aus?“ „Ja“, log Bretschneider und bekam den Job. Er würde schon herausfinden, wie das funktionierte, hatte er sich gedacht. Der Polier namens Anton Schwenzfeier wurde eines seiner Vorbilder, ein Mann, der für seine Gerechtigkeit geschätzt wurde.
Bretschneider avancierte schnell zum Vorarbeiter. Doch er wollte weiter. 1954 schrieb er sich an der damaligen Bauschule in Hildesheim für das Fach Bauingenieurwesen ein. Die Professoren wurden damals noch Bauräte genannt. Und wieder war es die Fachkenntnis gepaart mit Gerechtigkeit, die den jungen Studenten beeindruckte. Baurat Heinz Quielitz prägte als Vorbild Bretschneiders Studienzeit.
1956 schließlich war Bretschneider graduierter Bauingenieur und fand eine Stelle als Konstrukteur und Statiker im Ingenieurbüro Kohlhaas in Hannover. Die Firma war am Bau des Theaters am Aegi beteiligt und Bretschneiders größter Wunsch war, bei einem so wichtigen Bau in Hannover Bauleiter zu sein. Das ginge keinesfalls, wurde ihm beschieden. Das dürften nur Diplom-Ingenieure von der Universität. Er sei nur Graduierter.
Die Entscheidung stand fest: 1958 schrieb sich Bretschneider im Fach Bauingenieurwesen an der Technischen Universität Berlin ein und wechselte nach zwei Jahren an die Technische Universität München. Nach acht Semestern war er Diplom-Ingenieur. Bei der Leonhard Weiß KG in Crailsheim arbeitete er anschließend sieben Jahre als Bauleiter, Oberbauleiter und Technischer Leiter. Eigentlich war alles im besten Lot. Doch ausgerechnet am Tag eines deftigen Krachs mit dem Chef fand Bretschneider eine Stellenanzeige in der Zeitung: Die Hildesheimer Bauschule suchte einen Baurat.
Bretschneider kam 1969 nach Hildesheim zurück, wo er die Fächer Baubetrieb, Baumanagement, Baumaschinen lehrte und später 15 Jahre Dekan war. 1971 ging die Bauschule in die Fachhochschule Hildesheim über, die Bauräte wurden zu Professoren. Bretschneider wurde zum Prüfer an der Materialprüfstelle der FH bestellt, arbeitete als vereidigter Sachverständiger der Industrie- und Handelskammer Hannover, war als geprüfter Ausbilder tätig, hatte das Amt des Technologietransferbeauftragten inne. Kurz um, es gab keinen Stillstand. Im Gegenteil, Ende der 19siebziger Jahre erkannte Bretschneider, wie hoch geschätzt das deutsche Bauingenieurwesen ist Ausland ist und begann Vorträge zu halten und Studierendenreisen zu organisieren.
1979 und 1980 reiste er mit jeweils rund 20 Studierenden nach Saudi Arabien, wo mit Hilfe von deutschen Fachleuten die Stadt Jobail aus dem Boden gestampft wurde. Sein Kooperationspartner für diese Aktivitäten war Prof. Klaus Simons von der Technischen Universität Braunschweig, der fast zur selben Zeit in Braunschweig wie Bretschneider in Hildesheim angetreten war. Fachlicher Austausch und schließlich Freundschaft verband die beiden Männer. Simons sorgte auch für den Kontakt nach Indonesien. Auf Initiative von Bretschneider wurde die Bung Hatta Universität Partnerhochschule der jetzigen HAWK und Padang Partnerstadt von Hildesheim.
Eines Tages stellte Simons dem Hildesheimer Professor auch einen russischen Dekan vor. Georgie Airapetow von der Staatlichen Bauuniversität Rostov am Don und Burkhard Bretschneider verstanden sich auf Anhieb und waren die Väter einer neuen Hochschulpartnerschaft. Regelmäßiger Studierendenaustausch, russische Praktikanten in deutschen Unternehmen, Studienbesuche und –gegenbesuche führten 2001 zur Einrichtung des Doppeldiploms zwischen beiden Hochschulen. Bretschneider wurde Ehrendoktor der Bauuniversität Rostov und Airapetow Honorarprofessor der HAWK.
Zu dieser Zeit war Bretschneider längst pensioniert, lehrt seit 1997 aber weiter als Lehrbeauftragter und pflegt aktiv die Partnerschaft. Jetzt hat Prof. Jens Kickler seine Aufgabe übernommen. Der fast 75-jährige Bretschneider will künftig nur noch privat nach Rostov am Don reisen. Stillsitzen ist jedenfalls bis heute nicht seine Lieblingsbeschäftigung.