Internationale Kooperation von HAWK-Studierenden in einem Großprojekt

Erscheinungsdatum: 22.11.2024

Studierende des Fachbereichs Konservierung und Restaurierung der HAWK in Hildesheim und Studierende der Lettischen Kunstakademie Riga (Latvijas Mākslas akadēmija) und dem Baukolleg Riga (Rīgas Būvniecības koledža) trafen sich vom Samstag, 31. August 2024, bis Samstag, 14. September 2024, zu einem gemeinsamen, englischsprachigen Restaurierungsprojekt in Kuldiga in Lettland. Ermöglicht hat dieses Projekt die großzügige finanzielle Unterstützung der Böckler-Mare-Balticum-Stiftung.

Unter Leitung von Prof. Dr. Michael von der Goltz, Verw. Prof. Renate Kühnen und von lettischer Seite M.A. Zane Kēlere von der Kunstakademie Riga arbeiteten 8 deutsche und 6 lettische Studierende gemeinsam an der barocken Altarausstattung der St. Trinitatiskirche Kuldiga. Als Vertreterin des Lettischen Denkmalamtes (Nacionālā kultūras mantojuma pārvalde) begleitete Dace Čoldere das Projekt – von deutscher Seite initiierte die Textilrestauratorin Eva Jordan-Fahrbach die Deutsch-Lettische Zusammenarbeit. Das International Office der HAWK unterstützte den Austausch der Lehrenden organisatorisch, die Finanzierung lief über das Erasmus+-Programm der EU.

Ankunft in Riga

Nach einem herzlichen Empfang in Riga mit einer ausführlichen Domführung durch Domherr Ronalds Lūsis, einer Führung durch die neue Restaurierungsabteilung der Lettischen Kunstakademie (Latvijas Mākslas akadēmija) und durch die Restaurierungsabteilung des Baukollegs Riga (Rīgas Būvniecības koledža) konnten die Studierenden auch hinter die Kulissen der anatomischen Sammlung der Stradiņš Universität Riga (Rīgas Stradiņa Universitāte) blicken, bevor die Reise die Gruppe nach 2 Tagen zum eigentlichen Zielort Kuldiga führte.

 

Die St. Trinitatiskirche in Kuldiga

In dem seit Herbst 2023 als Unesco-Weltkulturerbe eingestuften Ort Kuldiga fanden umfangreiche Sicherungsarbeiten an der barocken Ausstattung der St. Trinitatiskirche statt. Erbaut wurde die Kirche ab 1640-42 als eine der ersten postreformatorischen katholischen Kirchen im Kurland. In den 1730er Jahren zunächst dem Verfall preisgegeben, wurde sie bis 1795 wiedererrichtet und erneut geweiht. Wichtigste Ausstattungstücke sind der große Beichtstuhl von 1691 mit allegorischen Malereien, eine Orgel mit Schnitzwerk des Libauer Schnitzers J. Slavichek von 1770, zwei Seitenaltäre von 1777/78, Peteris Reiss zugeschrieben, der Hochaltar von 1818, gestiftet von Zar Alexander I., sowie eine „Madonna mit dem Kinde“ aus dem 16. Jahrhundert.

Schäden

Zu Beginn des 21. Jahrhunderts stellte die Restaurierung einen schweren Insektenbefall des hölzernen Inventars fest, weshalb die Fachleute im Jahr 2009 die gesamte Kirche begasten. Weite Teile der Ausstattung zeigten sich jedoch bereits stark zerfressen und beschädigt. Die Stabilität der Seitenaltäre, der Kanzel und des Orgelprospekts waren durch den Insektenfraß deutlich beeinträchtigt, die Fassung in weiten Teilen gelockert. Im Jahr 2020 kamen dramatische Schäden hinzu, als die Bekrönung des linken Seitenaltares herabstürzte und in zahlreiche Einzelteile zerbrach. Glücklicherweise konnte Zane Kēlere die Teile bergen. In ihrer Erfassung des aktuellen Zustandes aus dem Jahr 2023 bewertet sie den Zustand der herabgefallenen Bekrönung sowie des Wappens am Orgelprospekt von 1770 als besonders kritisch, weshalb diese Teile für das Studierendenprojekt ausgewählt wurden.

Konservierungsarbeiten

Die seit der Coronavirus-Pandemiezeit unterbrochenen Arbeiten in der Kirche ließen sich in diesem Jahr durch die Unterstützung der Böckler-Mare-Balticum-Stiftung wieder aufnehmen. Nach der Einrichtung einer provisorischen Werkstatt im Erdgeschoss des Pfarrhauses, begann die Sichtung und  Dokumentation der Objekte, um ein Konzept zu entwickeln. Im Vordergrund stand die Bearbeitung der besonders stark geschädigten Teile. Die Aufgabe bestand darin, den vorhandenen Bestand vor dem Verlust zu bewahren, also die stark gefährdete farbige Fassung zu sichern und das völlig zerfressene Holz zu konsolidieren. Dabei konnten die Studierenden verschiedene Materialien und Werkzeuge kennenlernen und miteinander über unterschiedliche Arbeitsweisen und Methoden diskutieren. Nach mehreren Proben wählte das Team für die Konsolidierung der Fassung eine Methylcellulose mit hohem Ethanolanteil ausgewählt, die die feuchteempfindliche Fassung nicht anlöst und außerdem eine gute Alterungsbeständigkeit besitzt. Für die Festigung der Holzsubstanz kam ein gelöstes Acrylharz zum Einsatz, das die Gruppe über Kanülen langsam in die Fraßgänge einbrachte.

Lettischer Fernsehbeitrag

Die gemischten deutsch-lettischen Arbeitsgruppen konnten die Sicherungsarbeiten an der der Fassung und der Konsolidierung des Holzes des herabgestürzten Strahlenkranzes innerhalb von 14 Tagen weitgehend abschließen. Außerdem konnten sie das Wappen des Orgelprospektes vollständig festigen und reinigen. Weitere Arbeitsschritte wie das Zusammenfügen und die Verleimung des Strahlenkranzes stehen allerdings noch aus.

Land und Leute

Die Studierenden wohnten in dem idyllisch, am breitesten Wasserfall Europas gelegenen Hostel „Ventas Rumba“ unweit der Kirche. Dort konnten sie sich nach der Arbeit am Wasser abkühlen oder sich in gemeinsamen Aktivitäten besser kennenlernen. Die Halbzeit feierten sie mit Lettischem Knoblauchbrot und der Verkostung Lettischer Bier- und Kwass-Sorten stilvoll. Am Wochenende fuhr die Gruppe gemeinsam mit dem Bus nach Durbe und Liepāja an der Küste, um etwas mehr vom Land zu erkunden.

Austausch

Diese internationale Kooperation bot den Studierenden aller drei Hochschulen einen interessanten Austausch, intensive Kontakte und wertvolle Erfahrungen bei der Umsetzung eines Großprojektes in die Praxis. Neben den wertvollen fachlichen Erfahrungen und einem großen Stück geleisteter Arbeit konnten alle Teilnehmenden einen herzlichen und tiefen Einblick in die lettische Kultur gewinnen. Mit vielen tollen Eindrücken kehrte die Gruppe wieder zurück.

Beteiligte Studierende

HAWK: Jasmine Brenner, Mathilda Holschneider, Greta Kahlmann, Linus Meidinger, Steffen Patt, Carina Pfänder, Fenja Rathgeb, Aileen Schregel
Lettische Kunstakademie Riga: Valērija Petrova, Laura Vucena, Rēzija Zegnere
Baukolleg Riga: Leva Lauža, Ance Murāne, Marta Upīte

Kontakt

Profilbild Renate Kühnen
Verwaltungsprofessorin, Gefasste Holzobjekte und Gemälde
  • +49/5121/881-376
  • +49/5121/881-200376
  • Renatastraße 11
    (Raum HIWD_130)
    31134 Hildesheim