Abschluss der Restaurierung des gotischen Chorgestühls aus Tobsdorf/Siebenbürgen

Erscheinungsdatum: 21.12.2018

Am 22. Oktober 2018 wurde das Chorgestühl von 1537 nach achtjährigem Aufenthalt an der HAWK wieder nach Rumänien zurückgeführt und im Chorraum der Margarethenkirche in Mediasch aufgestellt. 2010 hatten die Werkstätten für Restaurierung von Möbeln und Holzobjekten der Fakultät Bauen und Erhalten das aufwändig gestaltete Gestühl aus der aufgegebenen Kirche von Tobsdorf/Dupus übernommen.

Das von widrigen Klimaeinflüssen und Schadinsekten stark gezeichnete spätgotische Kirchenmöbel mit zwei Sitzabfolgen war über fast 500 Jahre im Chor der Kirche aufgestellt, bevor es 2003 abgebaut, vor Ort in viele Einzelteile zerlegt und in einem kirchlichen Depot zwischengelagert wurde. Während 16 Semestern war das monumentale Gestühl Studienobjekt für über 70 Studierende in allen Phasen des Curriculums des Studiengangs Konservierung und Restaurierung. Ein Dutzend Bachelor- und Master-Thesen wurden zu ausgewählten Themen der Zuschreibung, der historischen Technologie, der Stabilisierung, der Ergänzung und zu ästhetischen Fragen der Restaurierung angefertigt. Zum Schluss wurden die spannenden und innovativen Schritte zur Erforschung und Erhaltung dieses Großmöbels in Wort und Bild, mit Rekonstruktionen und haptisch reizvollen Stationen zum Anfassen sowie mehreren didaktischen Filmen in einer Wanderausstellung festgehalten. Initiative, Konzept und Durchführung lagen bei den Absolventinnen Christine Fiedler M.A. und Susanne Karius M.A..

 

Die Standortsituation der Studiengänge Konservierung und Restaurierung brachte es mit sich, dass das Gestühl innerhalb der Hochschule mehrfach umgezogen werden musste. Im November 2017 war es dann soweit, dass die beiden Gestühlsreihen mit Baldachin und Kranz zum ersten Mal in den Werkstätten am Campus auf festen Stand zur Probe aufgestellt werden konnten.


Ein knappes Jahr später, Ende Oktober 2018 erfolgte nun der Transport zurück nach Siebenbürgen, so wie es mit der Evangelischen Landeskirche A.B. in Rumänien im Leihvertrag vereinbart war. Die Vorbereitungen dazu spielten sich nach allen Regeln der Logistik und des konservatorischen Planungsmanagements ab, denn 1500 Kilomerter durch fünf Länder bedeuteten ein schwer einschätzbares Risiko für die weiterhin fragile Holzsubstanz. Dank des betriebenen Aufwands von sieben Stunden Ladezeit des Lkws und der restauratorischen Begleitung von Werkstattleiter Dr. Ralf Buchholz kam die kostbare historische Fracht nach drei Tagen glücklich am Bestimmungsort in Mediasch in Rumänien an. Große Erleichterung machte sich spürbar breit.

Das Aufbauteam aus sieben Studierenden und vier weiteren Dozenten flog dem Chorgestühl hinterher, so dass am 1. November die Aufstellung des Dreiergestühls, danach des Sechsergestühls auf der Nordseite des Chorraums der Evangelischen Margarethenkirche beginnen konnte. Ein reges Treiben hob an, da auch die Durchführung von Vollendungsarbeiten wie Retuschen und die farbige Angleichung von Ergänzungen in den gegebenen Lichtverhältnissen des dauerhaften Aufstellungsortes anstanden.


Die begleitende Wanderausstellung zur Restaurierung des Tobsdorfer Chorgestühls wurde in den Arkaden unter der repräsentativen Schneider-Empore im südlichen Seitenschiff des Mediascher Kirchenkastells aufgestellt. Dort wird sie das Projekt der HAWK den zahlreichen Besuchern der für ihre Kunstwerke berühmten Kirche anschaulich vermitteln, bevor sie dann von April bis Juni 2019 im Landeskirchlichen Museum im Friedrich-Teutsch Kultur- und Begegnungszentrum in Hermannstadt/Sibiu gezeigt werden wird. Weitere Stationen sind Düsseldorf, Dinkelsbühl, Gundelsheim, Ulm, evtl. München, evtl. Budapest.


Am 4. November läuteten die Glocken der Margarethenkirche zum Festgottesdienst in Erinnerung an das Reformationsfest. In diesem würdigen Rahmen wurde die feierliche Einweihung des restaurierten Chorgestühls durch den Landesbischof der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien, Reinhard Guib, assistiert von drei weiteren Geistlichen, zelebriert. Die warme Novembersonne durchflutete den weiten Chorraum und brachte die edlen Hölzer des Gestühls zum Leuchten. Ein besserer Standort zur Entfaltung seiner vollen Wirkung hätte für das Ehrengestühl nicht gefunden werden können. Das musikalische Begleitprogramm reichte vom vielstimmigen Kirchenchor und Orgelmusik bis zu einer Violin-Soloeinlage des Stadtpfarrers Servatius-Depner, die in poetischer Weise die lange Reise des Chorgestühls beschrieb.


Die Projektleiterin Prof. Dr. Gerdi Maierbacher-Legl gab als Vertreterin der HAWK einen kurzen Abriss zur langjährigen, freundschaftlichen Kooperation mit der Evangelischen Landeskirche A.B. in Rumänien und dem abgeschlossenen Langzeitprojekt und bedankte sich bei den Studierenden und den wissenschaftlichen Mitarbeitern für den hoch ambitionierten Einsatz. Die Überreichung des Fotobandes von Peter Jacobi „Siebenbürgen. Bilder einer Reise“ als Zeichen der Anerkennung beschloss die emotionale Feier, der mit dem gemeinsamen Abendmahl auch die passenden Spiritualität verliehen wurde.


Nach der Eröffnung der Wanderausstellung und anregenden Gesprächen vor den Kunstwerken der Kirche, der durch den besonderen Schmuck der anatolischen Teppiche ein orientalischer Hauch anhaftet, traf man sich zum gemeinsamen Mittagessen im Gasthof „Zur Traube“. Der kulinarische Abschluss mit einem siebenbürgischen Sonntagsmahl erfolgte auf Einladung des Bezirkskonsistoriums Mediasch, welches auch die zahlreichen Gäste aus Museen und kirchlichen Institutionen in Hermannstadt, Kronstadt, Budapest, Köln sowie Restauratoren der Region zum Festakt geladen hatte.


Erwähnenswert neben dem Besichtigungsprogramm von Sehenswürdigkeiten in Mediasch, Hermannstadt und Schäßburg war der Besuch von 14 rumänischen Studierenden der Restaurierung und ihrer Dozentin von der Lucian Blaga-Universität Sibiu, Cristina Daneasa, in der Margarethenkirche in Mediasch. Die Vorstellung der Restaurierung des Chorgestühls stand natürlich im Mittelpunkt der intensiven Diskussion vor dem Original und den Fotos und Exponaten der Ausstellung. Diese Begegnung war sehr dazu angetan, Inhalt und Bedeutung von Kulturgütern der Siebenbürger Sachsen, einer deutschsprachigen, evangelischen Siedlungsgemeinschaft in Rumänien, den jungen Kolleginnen und Kollegen aus dem rumänisch-orthodoxen Kulturkreis zu vermitteln.


Beim Abflug aus Hermannstadt/Sibiu am 06. November zeigte sich die Gebirgskette der Karpaten im atemberaubenden Frühlicht der aufgehenden Sonne. Ein wahrlich stimmungsvoller Abschiedsgruß. Dem alljährlichen Siebenbürgen-Abend am 28. November, zu dem die Vertiefungsrichtung Möbel und Holzobjekte in die Werkstätten am Campus in Hildesheim eingeladen hatte, war ein Hauch von Wehmut, von Ausklang beigegeben. Die Gespräche kreisten um das Erlebte, das Gesehene, das Gelernte, das Vollbrachte. Allen Beteiligten und auch den Gästen wurde in der Weite der leeren Werkstatt der Möbelrestaurierung bewusst, dass mit der Zurückführung des Chorgestühls in seinen historisch-kulturellen Kontext so etwas wie eine Ära der Studienrichtung zu Ende gegangen war.

Das Projekt wurde gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages und der Bayerischen Staatsregierung über das Haus des Deutschen Ostens sowie der Stiftung Kirchenburgen.