Hildesheim (bph) Findet einer der nächsten Denkmalschützerkongresse 2015 beim sanierten Hildesheimer Dom statt? Auf einem Domhof ohne Autos? Interessante Perspektiven entwickelten die Redner am Donnerstagmittag bei der Eröffnung der Tagung des Deutschen Nationalkomitees ICOMOS – „International Council on Monuments and Sites“ – im Hildesheimer Godehardsaal. Mehr als 200 Experten aus aller Welt treffen sich dort bis zum Samstag, um „Präventive Konservierung und Erhaltungsperspektiven“ zu erörtern.
Nicht umsonst findet die diesjährige ICOMOS-Tagung in Hildesheim statt. Wie Prof. Dr. Michael Petzet, Präsident von ICOMOS international in seinem Grußwort betonte. Mit dem Dom und St. Michaelis habe diese Stadt zwei Gebäude von internationaler Bedeutung als Weltkulturerbe zu bieten. Schon 1995 und 2001 trafen sich die Denkmalschützer daher in der Bischofsstadt. Und es werde bestimmt nicht das letzte Mal sein, versprach der Präsident. „Vielleicht sehen wir uns spätestens 2015 wieder hier, wenn der Dom restauriert ist“, stellte Petzet in Aussicht.
Tatsächlich plant das Bistum Hildesheim, seinen Dom bis zur 1.200-Jahr-Feier im Jahre 2015 gründlich zu restaurieren, „in einem finanziell verantwortbaren Rahmen“ wie Weihbischof Hans-Georg Koitz mit Blick auf die begrenzten Mittel des Bistums betonte. Für den Bischof, der zugleich als Hausherr des Tagungsortes sprach, ist der Dom ein „Ort der existentiellen Begegnung und Würde“, den es für die nächsten Generationen zu erhalten und pflegen gelte.
Dabei kann er auf die finanzielle Hilfe des Landes Niedersachsen hoffen. Selbst in Zeiten des Haushaltsnotstandes sei sich das Land seiner Verantwortung für den Denkmalschutz bewusst, sagte Lutz Stratmann, niedersächsischer Minister für Wissenschaft und Kultur, in seiner Rede. Man werde „die Vorgänge rund um die Hildesheimer Welterbestätten beobachten und weiter unterstützen“, versprach Stratmann und bekräftigte dies mit Zahlen: 438.000 Euro seien vom Land bereits in die Restaurierung von St. Michaelis geflossen und weitere 338.000 Euro für den Heziloleuchter im Dom, der zur Zeit saniert wird.
Auf das Spannungsfeld von denkmalschützerischen Interessen des Staates auf der einen und den seelsorglichen Interessen der Kirchen auf der anderen Seite bezog sich Dr. Christiane Segers-Glocke, Präsidentin des niedersächsischen Landesamtes für Denkmalpflege, in ihrer Rede. Aus ihrer, der staatlichen, Sicht, haben die staatskirchenrechtlichen Verträge nach dem Zweiten Weltkrieg den Grundstein der heutigen guten Zusammenarbeit von Land und Kirchen gelegt. Der Umgang miteinander sei „vertrauensvoll“ lobte die Präsidentin.
Tatsächlich sind Kirchen weit mehr als nur historische Gebäude. Das stellte auch Dr. Eckhart von Vietinghoff, Präsident des Evangelisch-Lutherischen Kirchenamtes Hannovers klar. „Gott braucht keine Kirchen, aber wir“ so der Präsident sehr eindrücklich. Zum Beweis erinnerte er an den Wiederaufbau der zerstörten St. Michaeliskirche in Hildesheim nach dem Zweiten Weltkrieg, als viele Menschen noch in Trümmern leben mussten. Um dieses Erbe für künftige Generationen zu sichern, regte von Vietinghoff an, die Lasten der Bauunterhaltung gerechter zu verteilen. Es könne nicht angehen, dass Kirchenmitglieder durch ihre Kirchensteuern den Hauptanteil an den denkmalpflegerischen Lasten zu tragen hätten, so der Präsident.
Mit einer interessanten Perspektive überraschte Kurt Machens, Oberbürgermeister der Stadt Hildesheim, seine Zuhörer. Ihm sind die beiden Kirchen des Hildesheimer Welterbes noch nicht vernetzt genug. Trotz der erkennbar guten Kooperation gebe es noch viel zu tun. Man könne sich zum Beispiel fragen, ob die Straße zum Michaelishügel wirklich zum Parken frei gegeben werden müsse. Dies zerstört die Blickachse, so der Oberbürgermeister. Und den Domhof kann sich Machens ebenfalls autofrei vorstellen. Dies müsse aber fair miteinander besprochen werden, stellte Machens mit Blick auf die bekannten Parkplatznöte am Domhof klar.
Mitveranstalter der ICOMOS-Tagung ist der Fachbereich Konservierung und Restaurierung der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim/Holzminden/Göttingen (HAWK). Deren Präsident Prof. Dr. Martin Thren verwies auf den wissenschaftlichen Beitrag seiner Fachhochschule für den Denkmalschutz. Seit der Einführung des ersten Studienganges 1987 hätten mehr als 200 Studentinnen und Studenten einen der mittlerweile drei Studiengänge zu Denkmalschutz und Restaurierung absolviert. Arbeit für die Absolventen sei jedenfalls reichlich vorhanden, so der Präsident.
Unter dem Motto „Weltkulturerbe Deutschland“ tagt das Deutsche Nationalkomitee von ICOMOS vom 23. bis 25. November in den Räumen des Bistums Hildesheim. Im Mittelpunkt der dreitägigen Fachtagung stehen die präventive Konservierung und Erhaltungsperspektiven für die Kulturerbestätten. Neben dem Bistum Hildesheim engagieren sich auch die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Hannovers und der Fachbereich Konservierung und Restaurierung der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim/Holzminden/Göttingen (HAWK) bei dieser Fachtagung. Mehr als 200 internationale Experten und Studenten, unter anderem aus Italien, China und Usbekistan, haben sich angemeldet.
Der Internationale Rat für Denkmalpflege (ICOMOS) wurde 1965 in Warschau gegründet, im gleichen Jahr dann in Mainz auch das Deutsche Nationalkomitee von ICOMOS als ein nicht eingetragener Verein. Derzeitiger Präsident ist Prof. Dr. Michael Petzet aus München.
ICOMOS ist eine internationale nichtstaatliche Organisation, die sich weltweit für Schutz und Pflege von Denkmälern und Denkmalbereichen und die Bewahrung des historischen Kulturerbes einsetzt. Das deutsche Nationalkomitee von ICOMOS fördert auf nationaler und internationaler Ebene die Erhaltung von Denkmälern, Ensembles und Kulturlandschaften.
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Presseinformation des Bischöflichen Generalvikariats des Bistums Hildesheim
Dr. Michael Lukas
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Internationale Fachtagung über Weltkulturerbe Deutschland
Die Tagung befasst sich mit aktuellen denkmalpflegerischen Fragestellungen der Weltkulturerbestätten in Deutschland und richtet ihr besonderes Augenmerk auf die präventive Konservierung, das heißt, auf vorbeugende Maßnahmen zur sachgerechten Erhaltung und Pflege von Kulturdenkmälern. Für Konzeption und Planung der Tagung ist Prof. Dr. Ursula Schädler-Saub vom Fachbereich Konservierung und Restaurierung der HAWK verantwortlich.
Hildesheim ist als Tagungsort ausgewählt worden, weil es mit dem Dom und St. Michael eine Weltkulturerbestätte besitzt. Zudem werden an der HAWK seit 1987 Restauratoren/innen ausgebildet. Der Fachbereich Konservierung und Restaurierung der HAWK ist damit einer der ältesten in der Bundesrepublik Deutschland. Er hat dazu beigetragen, die jungen Restaurierungswissenschaften zu etablieren und die Qualität praktischer restauratorischer Arbeit zu sichern und im Sinne neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse weiter zu entwickeln. In Hildesheim ausgebildete Restauratoren/innen arbeiten heute in der ganzen Bundesrepublik.
Warum wird präventive Konservierung immer wichtiger? Warum gibt es an der HAWK in Hildesheim im Fachbereich Konservierung und Restaurierung seit 2004 sogar einen Studiengang „Präventive Konservierung“?
Konzepte und Methoden der präventiven Konservierung haben sich zunächst vor allem im musealen Bereich entwickelt und etabliert. Die vorbeugende Verbesserung der Aufbewahrungs- und Ausstellungsbedingungen sowie die Identifikation und Behebung potenzieller Schadensursachen haben wesentlich dazu beigetragen, die Originalsubstanz von Kunstwerken und Kulturzeugnissen nachhaltig zu schützen und für die Zukunft zu bewahren. Wenn präventive Konservierung an die Stelle umfangreicher Restaurierungsmaßnahmen tritt, schützt sie nicht nur die Originalsubstanz, sondern führt auch zu Kosteneinsparungen.
Präventive Konservierung in der Denkmalpflege muss sich mit einem viel größeren Umfeld befassen als präventive Konservierung im Museum. Die möglichen Schadenspotenziale gehen hier über die komplexen Ursachen der Materialdegradation hinaus, wie zum Beispiel ungünstige Klimabedingungen, Lichteinwirkung und mikroorganischer Befall. Will man die Erhaltungsperspektiven für die Weltkulturerbestätten in Deutschland nachhaltig verbessern, muss man sich also nicht nur mit den „klassischen Themen“ der präventiven Konservierung befassen, sondern auch Antworten auf folgende Fragestellungen finden:
-Der gesetzliche Schutz für Weltkulturerbestätten, vom Einzeldenkmal bis zum Flächendenkmal, und seine Lücken.
-Bedeutung und potenzielle Gefährdung des Umgebungsschutzes von Weltkulturerbestätten.
-Identifikation und Evaluation potenzieller Gefahren bei der Nutzung und Umnutzung von Weltkulturerbestätten, als Grundlage für die Entwicklung denkmalgerechter Nutzungskonzepte.
-Managementpläne und präventive Konservierungskonzepte für die Weltkulturerbestätten.
-Präventive Konservierung in Theorie und Praxis: Anforderungen an ein neues Berufsbild – Anforderungen an die interdisziplinäre Zusammenarbeit.
Das Tagungsprogramm gliedert sich in verschiedene Sektionen. Einführende Vorträge befassen sich mit den rechtlichen Rahmenbedingungen für die sachgerechte Erhaltung von Weltkulturerbestätten in Deutschland, auf der Grundlage der Welterbekonvention und der Denkmalschutzgesetze der einzelnen Bundesländer. Zu den wichtigen allgemeinen Themen gehört auch der Umgebungsschutz, da die historische und ästhetische Aussagekraft einer Welterbestätte nur dann erhalten bleibt, wenn keine störenden Baumaßnahmen und Ähnliches in ihrem Umfeld erfolgen.
Vier Beiträge berichten über die Erfahrungen mit der Erhaltung berühmter Welterbestätten in den europäischen Nachbarländern Österreich, Italien, der Schweiz und der Tschechischen Republik. So geht es zum Beispiel in Prag und Venedig um die sachgerechte Erhaltung ganzer Stadtdenkmäler, deren empfindliche Originalsubstanz massiver touristischer Nutzung ausgesetzt ist und vielfach von baulichen Veränderungen bedroht wird.
Da die Tagung in Hildesheim stattfindet, ist eine Sektion dem Hildesheimer Weltkulturerbe Dom und St. Michael gewidmet. Dabei werden laufende Maßnahmen von exemplarischer Qualität vorgestellt, wie die Restaurierung des Hezilo-Leuchters im Dom und die Konservierung der bemalten Holzdecke in St. Michael. An den Stuckfragmenten aus St. Michael wird dargestellt, wie wichtig sachgerechte Konservierung, Aufbewahrung und Präsentation für die Erhaltung des Weltkulturerbes sind. Ein Vortrag befasst sich schließlich mit einem besonders brisanten Thema, der bislang fehlenden Ausweisung von Pufferzonen in Hildesheim, um den Umgebungsschutz von Dom und St. Michael zu gewährleisten.
Die Vielfalt der deutschen Weltkulturerbestätten und die Vielzahl der damit verbundenen denkmalpflegerischen und restauratorischen Fragen zeigen die folgenden Vorträge: Sie befassen sich mit Kirchen und Schlössern, mit historischen Städten und technischen Denkmälern, mit historischen Gartenanlagen und Museumsanlagen. Vom Kölner Dom zur Würzburger Residenz, von der Völklinger Hütte zur Berliner Museumsinsel, von den Gartenanlagen in Potsdam-Sansouci bis zu den alten Hansestädten Stralsund und Wismar und zur Altstadt von Goslar reicht das Spektrum der vorgestellten Weltkulturerbestätten.
Genauso breit gefächert ist das Spektrum der damit verbundenen denkmalpflegerischen und restauratorischen Fragen, von der städtebaulichen Planung und der denkmalgerechten Nutzung zur Bewahrung der historischen Stadt, über Managementpläne für den Tourismus und Pflegeprogramme für empfindliche Architektur und Ausstattung bis hin zu Methoden der nachhaltigen Konservierung von Wand- und Deckenmalereien.
Nicht zuletzt geht es auch um die aktuellen beruflichen Anforderungen an Fachkräfte, die Konzepte und Methoden für die präventive Konservierung entwickeln und diese in die Praxis umsetzen. Es geht also um die qualifizierte Ausbildung auf Hochschulebene und im Handwerk. Die Referenten/innen der Tagung sind renommierte Spezialisten, die über langjährige praktische Erfahrung in der Denkmalpflege und in der Restaurierung verfügen.
Konzipiert und organisiert wurde die Tagung von Prof. Dr. Ursula Schädler-Saub vom HAWK-Fachbereich Konservierung und Restaurierung in Zusammenarbeit mit Dr. Angela Weyer vom Hornemann Institut der HAWK.
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Presseinformation der HAWK
Prof. Dr. Ursula Schädler-Saub eröffnet die Tagung. 1. Reihe v.l.n.r: Dr. Eckhart von Viet