Ein Meilenstein im Projekt „Bunsenfactory“ in Fahrenheit: Der Entwurf für das innovative Studentenwohnheim mit Ateliers, Werkstätten und Veranstaltungsräumen ist fertig und von Studierenden und Lehrenden der HAWK-Fakultäten Gestaltung und Bauwesen an die Immobiliengesellschaft „Wertinvestition“ übergeben worden. Professor Hans Lamb, der Initiator der „Bunsenfactory“, ist begeistert vom Ergebnis des studentischen Ideenwettbewerbs: „Das Konzept ist lebendig, witzig, interessant und lustvoll.“ Unter der Federführung von Diplom-Architekt Thomas Kauertz von der Fakultät Bauwesen hatten die beiden zweitplatzierten Studentengruppen ihre Ideen in einem Entwurf zusammengeführt.
Aus den zwei schlichten einander gegenüber liegenden Häuserzeilen mit den zerbrochenen Fensterscheiben gleich zu Beginn der Fahrenheit wird ein lichtdurchflutetes Ensemble. Jede Zeile bekommt ein halbtonnenförmiges Gewölbedach, das an klassische Fabrikhallen erinnert. Der Innenhof zwischen beiden Gebäuden wird zum zentralen Raum – überspannt von einem Kunststoffdach mit 18 Metern Spannweite aus nahezu durchsichtiger Membranfolie, wie sie auch bei der Allianz-Arena in München zu sehen ist. Die Seiten des Innenhofes werden verglast, damit das Leben sichtbar ist. Innen ist ein Café geplant, Stahlträger halten nicht nur das Lichtdach, sondern für jedes Gebäude ein Treppenhaus und Spannbrücken, die die Geschosse beider Häuser verbinden. Mit Rampen und Aufzug ist das Ensemble selbstverständlich auch behindertengerecht geplant.
Der gesamte Komplex ist in sechs Typen verschiedener Wohnbereiche, in Arbeits- und Atelierräume, Werkstätten und Veranstaltungsflächen aufgeteilt. Geplant haben die Studierenden Wohngemeinschaften für drei Personen mit Gemeinschafts- oder Einzelbädern sowie kleine und große Dachwohnungen mit zwei Ebenen. Liebevolles Detail: Vor jeder Wohnungstür gibt es eine Art kleine Terrasse zum Flur hin als offenen Treffpunkt. Auch diese Idee setzt den Leitgedanken des Projekts um: Leben und Arbeiten unter einem Dach. Dafür steht übrigens auch der Name „Bunsenfactory“, für den die legendäre „Silver Factory“ der Pop-Art-Ikone Andy Warhol Pate stand. Warhol produzierte in den 1970er Jahren seine Kunst in New Yorker Fabrikhallen, die gleichzeitig Treffpunkt der schillernden Künstler-Szene seiner Zeit waren.
Die „Bunsenfactory“ hat also ein großes Vorbild. Leben, lernen, arbeiten und kultureller Austausch, das ist das Ziel. 55 Plätze wird das Kultur-Wohnheim haben. Die Mietpreise sollen an die des Studentenwerks angelehnt sein und der ehrgeizige zeitliche Plan: die Fertigstellung schon Ende dieses Jahres. „Wir werden versuchen, die Pläne weitgehend zu realisieren“, sagte Hans-Joachim Kruse, Projektleiter bei der Immobiliengesellschaft „Wertinvestition“. Rund drei Millionen Euro veranschlagt das Unternehmen für das Projekt. Mit Hochdruck werde jetzt mit den ersten Kalkulationen gestartet. Zur Übergabe des Modells hatte Kruse deshalb gleich schon den ausführenden Architekten Jörg Hansen von „Fahr + Hansen Architekten BDA“ und Stefan Thiemt vom beauftragten Bauunternehmen Thiemt mitgebracht.
Die besondere Bedeutung des Vorhabens für Hildesheim hob noch einmal Hans Lamb hervor: „Stadtplanerisch soll dieses Projekt die ‚Kreativ-Achse’ Hauptbahnhof, Kulturfabrik Löseke, Theaterhaus Hildesheim, HAWK - Langer Garten aufgreifen, über den Kennedy-Damm ins Entwicklungsgebiet Fahrenheit hinein verlängern und somit das Viertel kulturell und sozial ‚anschließen’ und bereichern.“ Lamb kündigte noch eine weitere Aktion für den Stadtteil an: Im Sommersemester 2007 will er im Rahmen eines Semesterprojektes eine Skulpturenstrecke durch Fahrenheit entwickeln. Dazu lädt er auch regionale Handwerksbetriebe als professionelle Unterstützer ein, „damit das Netz immer breiter wird“.
Für die sieben Studierenden, die den Ideenwettbewerb gewonnen haben, ist die Aktion aber jetzt keineswegs zu Ende. Zu ihrem Preis gehörte auch, dass sie den weiteren Prozess bis zur Fertigstellung der „Bunsenfactory“ im Rahmen von Minijobs bei der „Wertinvestition“ weiter begleiten dürfen – und dabei die Realitäten im ‚echten’ Leben kennen lernen müssen. Gesetze, Vorschriften, finanzielle Zwänge, alles das eben, was ihnen später im Berufsleben beim Spagat zwischen Idee und Umsetzbarkeit auch über den Weg laufen wird. Lamb und seine Mitstreiter, Professor Günter Weber von der Fakultät Gestaltung und Thomas Kauertz von der Fakultät Bauwesen, sehen in dieser zweiten Phase eine ganz besondere Stärke des Projektes für die HAWK: „Das ist der Grundgedanke der Bildungsform Fachhochschule“, beschreibt Lamb, „dass schon die Ausbildung stark mit Berufserfahrung verquickt ist.“ Und nicht nur das: Die Zusammenarbeit verschiedener Fachgebiete der beiden Fakultäten Gestaltung und Bauwesen ermöglicht den Studierenden zudem ein interdisziplinäres Studium. Weber sagt es kurz: „So stellen wir uns Bildung vor.“
Total gespannt auf die weitere Entwicklung sind denn auch die sieben Preisträger. Jana Kleine Kalmer (Innenarchitektur), Jessica Dietz (Lighting Design) und Linda Heller (Lighting Design) konnten bei der Übergabe des Modells wegen Praktika und Auslandsstudium leider nicht dabei sein. Ihre Aufgabe übernahmen die anderen vier mit: Marieke Eggert (Innenarchitektur), Florian Billib (Architektur), Niels Malipaard (Architektur) und Matthias Pinkepank (Architektur).