Ein kleines Grüppchen Studierender steht etwas antriebslos in der Ecke herum. Die Bibliothek ist ein großer, innen hohler Turm. Auf dem Rasen weiden Schafe, die man scheren und so Wolle gewinnen kann. Ab und zu kommen gigantische Spinnen vorbei. Nachts muss man dagegen aufpassen, da treiben Skelette und Monster ihr Unwesen zwischen Bibliotheksturm und Nebengebäuden - und wollen die Menschen abschießen oder anknabbern. Kleine grüne Wesen, die Creeper, explodieren sogar, wenn man ihnen zu nahe kommt. Studieren war noch nie so risikoreich wie hier.
Open-World-Spiel Minecraft
Das ist kein Horrorfilm-Szenario, sondern geschieht in der Parallelwelt eines sogenannten Open-World-Spiels. Minecraft heißt die virtuelle Umgebung, und die HAWK-Studentin Sabrina Pottgiesser hat sich in einem Teil davon den Campus Weinberg neu erschaffen. Sie studiert selbst auf dem neuen Campus: Digitale Medien im siebten Semester, auf Bachelor. Zusammen mit einem Freund, Marvin Mall, der in Wien an der Technischen Universität ist, zieht sie die virtuellen Mauern hoch. Auf die Idee, einen begehbaren Campus nachzubauen, kam sie irgendwann, als sie sich den Grundriss des neuen Campus ansah: „Ich dachte mir, das ist machbar“, sagt Pottgiesser. Zunächst sei es aus reinem Spaß am Bauen für sich selber gewesen. Über die sozialen Medien, mit denen die Bauphasen dokumentiert wurden, kamen allerdings auch immer mehr Neugierige vorbei.
Minecraft – die virtuelle Welt, der jeder mit einem Account beitreten kann, ist mittlerweile auch sehr beliebt in manchem Schulunterricht, zum Beispiel für die Erfahrbarkeit von Raumgeometrie. Alles sieht sehr grobstrukturiert aus in dieser 3D-Computeranwendung und besteht aus kleinen würfelförmigen Blöcken, die aufeinander gebaut werden müssen. Es ist so ein bisschen, als baute man mit dem Computer digitale Legotürme. Nur, dass unbegrenzt Bausteine zur Verfügung stehen.
Von "harmlos" bis "tödlich"
„Jeder der Lego mag, wird mit Minecraft zurechtkommen. Man sollte natürlich auch ein wenig Zeit mitbringen“, sagt Pottgiesser. Im Werkzustand der Minecraft-Welt kommen auch animierte Wesen wie Zombies oder Spinnen hinzu, je nach Lust und Laune kann die Gefährlichkeit der zufällig erscheinenden Besucher von „harmlos“ bis zu „tödlich“ eingestellt werden.
Noch stehen erst die Außenfassaden des Campus, die Innenräume und auch die Einrichtung kommen nach und nach. Alles wird Stück für Stück in Handarbeit von Pottgiesser und ihrem Kollegen aufgebaut. Die Bibliothek und das Bodenmuster hat sie selbst gebaut, der Rest entsteht in Gemeinschaftsarbeit. Zur Vorbereitung musste Pottgiesser erst einmal selbst den Campus von allen Seiten kennenlernen: „Ich bin mit dem Fotoapparat um die Häuser gelaufen, um alles von außen aufzunehmen. Mein Kollege in Wien bekommt dann ebenfalls die Fotos. Dann fangen wir an zu bauen, er eine Seite, ich eine Seite.“ Die Rohgebäude aufzustellen habe insgesamt etwa drei Stunden gedauert. Ob auch noch der Rest der HAWK-Gebäude virtualisiert werde? „Das kann ich mir gut vorstellen“, sagt Pottgiesser, „wenn ich genug Platz habe, bestimmt.“
Online besichtigen kann man den Minecraft-Campus theoretisch zwar, man muss jedoch von den Besitzern der Welt freigeschaltet werden. Hinzu kommt ein kostenpflichtiger Minecraft-Account. Mit den Verkäufen aller Minecraft-Versionen soll das Spiel mehr als 56 Millionen Mal verkauft und somit eines der meistverkauften Videospiele weltweit sein.
Wann kommt es zur ersten virtuellen Semesterbegrüßung? Das sei noch nicht ganz raus. Pottgiesser meint, dass noch weitere Details nachgebaut werden sollen, wie Regale, Bücher und Fahrstühle. Unter den „Erstsemestern“ würden dann jedenfalls auch einige Schafe, Skelette und Monster sein.
Wer einen Minecraft-Account besitzt, kann den Campus-Bau auch online besuchen: Die Serveradresse lautet:
campuscraft.minecraft.to
Minecraft starten > Mehrspieler klicken > Serveradresse eingeben und verbinden.
HAWK-Studentin baut den Campus Weinberg in Minecraft Seit Oktober 2014 entstand nach und nach der Campus Weinberg in Minecraft