HAWK-Fachtagung schult Praxis in Perspektivwechsel bei Gespräche

Erscheinungsdatum: 25.10.2017

„Die Försterin und der Förster können sich heute nicht mehr im Wald verstecken“, sagt Marcus Kühling, Geschäftsführer des Deutschen Forstvereins. Er hat als einer von 120 Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Tagung „Kommunikation und Bürgerbeteiligung beim (urbanen) Waldmanagement“ der Fakultät Ressourcenmanagement der HAWK besucht.

Dass hier „der notwendige Rollenwechsel vom isolierten Waldhüter zum Moderator und Mediator“ in den Fokus rückt, hat ihn zur Teilnahme motiviert.„Der Förster hat eine entscheidende gesellschaftliche Rolle wahrzunehmen, diese muss neu definiert werden und es gilt sie zu professionalisieren“, so Kühling.

 


Er lobt auch die Inhalte des neuen HAWK-Master-Studiengangs „Urbanes Baum- und Waldmanagement“ als zukunftsweisend, der von Dr. Stefanie Steinebach vorgestellt wurde. Hier verbinden sich Studienanteile der Arboristik mit denen der Forstwirtschaft und vor allem der Sozialwissenschaften, beziehungsweise Ausbildungsinhalten in speziellen Sozialkompetenzen.

„Wir haben uns sehr über die große Nachfrage der Tagung gefreut. Offensichtlich haben unsere Überlegungen und Vorbereitungen einen Nerv getroffen. Das Konzept, den Teilnehmerinnen und Teilnehmern - neben den Vorträgen - viel Raum zu geben, ist vollständig aufgegangen“, resümiert HAWK-Prof. Dr. Hubert Merkel. Das interessierte Fachpublikum und Studierende tauschten sich intensiv über Kommunikationsprobleme in der Praxis, Lösungsansätze und Handlungsempfehlungen für gleich gelagerte Fälle aus.

„Wir beklagen gerne den vermeintlich zunehmenden Akzeptanzverlust der Forstwirtschaft, wir sind überzeugt von unseren Sonderrechten im Wald und haben für alle Waldfragen rasch eine abschließende Lösung parat“, hielten Susanne Roth und Ralf Laux vom Deutschen Forstwirtschaftsrat den Anwesenden einleitend den Spiegel vor. Sie setzten so den Rahmen für die folgenden Vorträge und Diskussionen. Für eine bessere Kommunikation mit Waldbesucherinnen und Waldbesuchern legten sie den Försterinnen und Förstern ans Herz, zunächst die Perspektive zu wechseln und sich in das Gegenüber hinein zu versetzen. So gelingt es auf Augenhöhe zu kommunizieren.

„Wortwechsel im Blätterwald – Erzählstrukturen für eine wirksame Öffentlichkeitsarbeit“, heißt das Buch von Prof. Dr. Michael Suda von der Technischen Universität in München, aus dem er prägnant und spannend referierte. In seinem Vortrag lud er die Anwesenden ein, Geschichten zu erzählen, statt sachlich - womöglich auch noch mit Statistiken – zu argumentieren. Nur so lassen sich die Menschen überhaupt ansprechen: „Wer den wertvollen Wald schützt, ist gesellschaftlich anerkannt. Beispiele, in denen Försterinnen und Förster und Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer als Helfer des Waldes und der Gesellschaft auftreten, müssten viel mehr verbreitet werden und eben auch in einer Weise, die die Menschen erreicht“.

Was die Försterseele bewegt und wie die Kommunikation der Försterinnen und Förster tagtäglich im Wald aussieht, karikierte Suda in seinem einzigartigen Kabarettprogramm am Abend. In den Räumen des Deutschen Theaters sorgte er damit für das Highlight der Tagung. Das von ihm wohl orchestrierte Mantra aller Teilnehmenden, die die aktuellen forstlichen Stereotypen „Nachhaltigkeit“, „Multifunktionalität“ und „Wald, Forst, Holz“ ständig wiederholen mussten, verdeutlichte die Fragwürdigkeit der noch aktuellen Kommunikationsstrategien auf anschauliche Weise.

Tobias Hartung aus der Abteilung Waldungen und Baumpflege der Stadt Essen und Diplom-Psychologin Tanja Köhler berichteten über den Bürgerbeteiligungsprozess in Essen. Die Frage, ob sich der Aufwand dafür lohne, beantworteten sie mit einem klaren „Ja“. Der Leiter der Schleswig-Holsteinischen Landesforsten Tim Scherer erläuterte neue Ansätze und Strategien seines Betriebs zur Alltagskommunikation mit Bürgerinnen und Bürger.

„Viele Konfliktsituationen können durch ein geeignetes kommunikatives Handwerkszeug im Umgang mit Waldbesucherinnen und Waldbesuchern vermieden werden“, versicherte Prof. Dr. Volker Dubbel von der gastgebenden Fakultät. Er lieferte ebenso einfache wie eingängige Beispiele dafür. Trotz aller Kritik und vieler Probleme sei ein sehr hoher Prozentsatz der Menschen den Försterinnen und Förstern immer noch wohl gesonnen. Damit dies so bleibe, müsse aber am Beginn jeder „Förster-Kommunikation“ das „aktive Zuhören“ stehen. „Das ist gar nicht so einfach, wenn man es sich nicht aneignet und trainiert. Deshalb ist ein solches Training auch integraler Bestandteil des entsprechenden Moduls im Studiengang.“

Wie wichtig das gegenseitige Verstehen und Kommunikation von der ersten Minute an sind, zeigte auch Stephan Schütte vom Landesbetrieb Wald und Holz Nordrhein-Westfalen beispielhaft an dem Interessenkonflikt um einen Erholungswald westlich von Köln. Eine Bürgerinitiative forderte schon vor sieben Jahren, Durchforstungen im Königsdorfer Forst zu unterlassen. Man habe sich zwar aufeinander zu bewegt und auch sehr viel aus diesem langwierigen Prozess gelernt und Erfahrungen für die Zukunft gesammelt, so Schütte, endgültig beigelegt sei dieser Konflikt aber bis heute nicht.

In einer ausgiebigen Abschlussdiskussion unter der Moderation von Prof. Dr. Volker Dubbel und Dr. Stefanie Steinebach trat das Plenum mit allen Referentinnen und Referenten umfassend in den Dialog.

Revierförster Matthias Wruck und Ehefrau Annette arbeiten beide bei den Landesforsten Schleswig-Holstein. Ihr Sohn Nils Matthias hat Forstwirtschaft an der HAWK studiert. Immer wieder nehmen sie neue Impulse aus der Hochschule mit in ihren Arbeitsalltag. Heute blieb ihnen besonders der Perspektivwechsel in Erinnerung. Der Waldbesucher trauert vielleicht gerade um seinen Lieblingsbaum oder vermisst seine Joggingstrecke. Diesen empathischen Ansatz, der weniger den forstlichen Sachverhalt und mehr die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger in den Blick nimmt, wollen sie bei den nächsten Gesprächen bedenken.

„Nächstes Jahr werden wir wieder eine solche Fachtagung anbieten“, sagen die Organisatoren und versprechen auch für das nächste Mal: „ Ein aktuelles Thema, das den Kolleginnen und Kollegen auf den Nägeln brennt, anregende Fachvorträge und viel Raum für Diskussionen“.