HAWK-Werkstatt untersucht 4400 Jahre alte Figur aus Opferkammer in Ägypten

Publizierungsdatum: 17.06.2018

Rahotep, „der Sonnengott ist zufrieden“, und das zu Recht, schließlich geht er frisch heraus geputzt auf eine Weltreise. Rahotep ist eine Standfigur und zählt beeindruckende 4400 Jahre. Sie stammt aus den königlichen Werkstätten des Alten Reiches wie Vergleiche mit Exponaten im Ägyptischen Museum in Kairo zeigen konnten. Ein höherer Beamte war ihr Auftraggeber. Jetzt wurde sie in Hildesheim in den Werkstätten des Roemer- und Pelizaeus-Museums und der HAWK gereinigt, analysiert und für eine fünfjährige Welttournee reisefähig gemacht.

Außerdem gab es einen CT-Scan im St. Bernward Krankenhaus, um alle Details des Erhaltungszustands zu erfassen. „Ich finde es großartig, dass sehr renommierte Einrichtungen aus dem europäischen Ausland ganz gezielt ihre sehr, sehr wertvollen alten Objekte in unsere Steinwerkstätten bringen, damit hier Schäden erfasst und später auch bearbeitet werden können“, sagt HAWK-Präsident Dr. Marc Hudy während seines Rundgangs um die 80 Zentimeter hohe Kalksteinfigur.

 

Der Kontakt zu der Eigentümerin, der University of Aberdeen, entstand über den HAWK-Kooperationspartner, das Roemer- und Pelizaeus-Museum (RPM) in Hildesheim. Mit mehr als 6000 Objekten aus dem alten Ägypten lagert in dem Museum der schottischen Universität wohl eine der größten ägyptischen Sammlungen des Landes, die seit zehn Jahren nicht mehr öffentlich ausgestellt wurde.

„Wir können für Ausstellungen exzellente Exponate anbieten, die sonst nicht gesehen werden“, sagt Neil Curtis, Leiter des University Museum of Aberdeen. Das RPM nimmt dieses Angebot gerne wahr. „Die Figur gehört in eine ganz berühmte Familie der ‚Rahoteps‘, sie ist ein Meisterwerk ägyptischer Bildhauerkunst“, ordnet Prof. Dr. Regine Schulz, Leitende Direktorin des Roemer- und Pelizaeus-Museums, die Bedeutung der Figur ein.

Die Statue des Rahotep verkörpert das Idealbild des Verstorbenen, wie er im Jenseits weiterleben möchte. Die Figur sollte einst als Stellvertreter des Verstorbenen die Opfergaben für das Jenseits entgegen nehmen. Die Grabstätte ist unbekannt, da die Figur aus dem Kunsthandel stammt und vor mehr als hundert Jahren erworben wurde.

Nora Kamieth studiert im ersten Semester an der HAWK Konservierung und Restaurierung in der Studienrichtung Stein und Keramik, da sich die 26-Jährige sehr für Archäologie interessiert, ist sie begeistert über ihren Arbeitsauftrag unter der Anleitung der Werkstattleiterin Anneli Ellesat: eine Kartierung der Statue des Rahotep herzustellen und damit eine Bestandsaufnahme des kostbaren Objektes. Auf einem Blatt Papier zeichnet die Bachelorstudentin die verschiedenen Farbschichten, Kitspuren und Risse ein.

„Die Studierenden lernen im ersten Semester vor allem zu sehen und zu beschreiben“, so Ellesat. Wie sieht der Bestand aus, also was ist überhaupt vorhanden, wie ist der Zustand, welche Schäden sind zu sehen, was ist konservatorisch und restauratorisch notwendig, seien die wesentlichen Fragen. Dabei arbeite man berührungsfrei.

Im Beinbereich scheint die Figur schon einmal gebrochen gewesen zu sein. Mit UV-Licht, Lupenbrillen und Metalldetektor suchen nun die Erstsemester und Werkstattleiterin Ellesat nach Indizien. Nach dem Ausschlag des Metalldetektors bringt ein CT-Scan am St.Bernward Krankenhaus Gewissheit: mehrere Metallgestänge durchziehen die Beine.

„Beide Beine sind mehr oder weniger geschient, außerdem gibt es eine Querverstrebung“, berichtet die ehemalige HAWK-Studentin Claudia Schindler und heutige Restauratorin am RPM, die Rahotep zu Beginn seines Aufenthaltes in Hildesheim von einer braun-schwarzen Farbschicht befreit und alte lose Ergänzungen entfernt hatte. Zur Belohnung fliegen die beiden gemeinsam nach Kanada von wo aus Rahotep dann im Winter seine Welttournee startet, die mit der Ausstellung im Royal British Columbia Museum in Victoria beginnt und anschließend in die USA führt. Beim Wiedersehen in fünf Jahren erfüllt sich dann vielleicht der Wunsch von Claudia Schindler, seine Beine von den alten Armierungen zu befreien und fachgemäß durch Edelstahldübel zu ersetzen.