Nach dem Abschluss im Studiengang BA Soziale Arbeit in Hildesheim arbeitet sie in der offenen Kinder-und Jugendarbeit.

Die Soziale Arbeit ist eine Chancenbringerin und -geberin und ist meiner Meinung nach in unserer Gesellschaft unfassbar wichtig.
Tabea Raether

Wie bist du zu dem Studium der Sozialen Arbeit gekommen?

Zu Beginn der 10. Klasse, ich war 16 Jahre alt, wurden wir immer mehr damit konfrontiert, dass wir uns festlegen müssen was wir werden wollen. Da ich mich nicht so recht entscheiden konnte, zwischen Erzieherin und Physiotherapeutin, habe ich in meinen Herbstferien ein freiwilliges Praktikum für ein paar Tage in beiden Bereichen gemacht. Wie man es sich denken kann, hat mir der Einblick in den Beruf der Erzieherin besser gefallen. Zudem wurde ich erst auf den Beruf aufmerksam durchs Kindersitten bei Bekannten. Ich kam mit den beiden Mädchen hervorragend klar, trotz dessen, dass das eine Mädchen als "schwierig" abgestempelt wurde.

Ich habe zuerst eine 2-Jährige Ausbildung zur Sozialassistentin und anschließend eine 2-Jährige Ausbildung zur Erzieherin absolviert.  In der Zeit habe ich einige Erfahrung mit verschiedenen Alterstufen gemacht (Kindergarten 2/3-6 Jahre, Kinderheim 12-20 Jahre, Tagesgruppe 10-14 Jahre). Dabei habe ich gemerkt, dass ich lieber mit Jugendlichen, beziehungsweise mit Kindern ab 6 Jahren arbeiten möchte. Nach meinen Erfahrungen in Kinder- und Jugendheimen, habe ich festgestellt, dass die Klient*innen es besser hinnehmen können, wenn die Mitarbeitenden etwas älter sind anstatt so nah an ihrem Alter dran. Dies war einer der Gründe mich im Alter von 20 Jahren noch weiterzubilden und mehr Erfahrungen zu sammeln. So kam ich 2017 an die HAWK und fing mein Studium der Sozialen Arbeit an.

Welche Rolle spielte das Studium an der HAWK Hildesheim für dich? Von welchen Inhalten profitierst du im Berufsalltag?

Einige Inhalte waren mir bereits bekannt aus meinen Ausbildungen. Dies bot mir die Chance das ein oder andere zu vertiefen und durch die Vielfalt und freie Auswahl der Seminare, mich genauer mit meinem Zielklientel zu beschäftigen und mich etwas zu "spezialisieren". Die Seminare, welche bei mir die größte Rolle gespielt haben, waren Beratung, Recht, Supervision und die Arbeit an der eigenen Biografie. Durch mein erstes Praktikum (Anfang 2018) für das Studium kam ich ins KJN in Hildesheim und bin auch dort geblieben. Es war sehr hilfreich während des Studiums schon Erfahrungen zu sammeln und die Theorie in der Praxis umzusetzen.

Wie würdest du deinen (beruflichen-) Weg bis Heute beschreiben? Wie war dein beruflicher Start?

Ich würde es bei mir als glückliche Fügung betrachten. Ich wusste relativ schnell, wo ich in der Arbeitswelt hin möchte, mit welchen Klientel ich arbeiten möchte und welche Bereiche der Sozialen Arbeit für mich in Frage kommen. Zudem hatte ich keinerlei Wartesemester oder irgendeine Pause zwischen Schule, Ausbildung, Studium, Anerkennungsjahr und Berufseinstieg. Vor allem da ich einige Jahre im KJN als Ehrenamtliche Mitarbeiterin tätig war und es nach Corona noch mehr Bedarf an Personal im KJN gab, konnte ich im Herbst 2021 dort mein Anerkennungsjahr anfangen. Glücklicher Weise hörte auch kurz vor Ende meines Anerkennungsjahres ein Arbeitskollege auf, weshalb ich die Chance hatte zu bleiben.

Was sind herausfordernde Situationen und wie meisterst du diese?

Schlagworte wie: Spontan, Konsequent, Empathie, Offen, Lernfreudig, Diskussionsfreudig, Flexibel - sind bei dieser Arbeit das A und O. Natürlich kann man das ein oder andere da noch hinzufügen. Kinder und Jugendliche lieben es und haben immer wieder das Bedürfnis Grenzen zu testen, zum Beispiel den Versuch die Hausregeln zu umgehen, oder aber auch die persönlichen Grenzen der Mitarbeitenden zu testen. Weswegen jede Situation und Konflikte neu ausgehandelt werden müssen und sehr aufregend sind. In der offenen Kinder- und Jugendarbeit muss man sich allseits auf neue Klient*innen einlassen und sich neue Fertigkeiten oder Wissen aneignen.

Was gibt dir die Arbeit in deinem Bereich zurück?

Das Interesse, die Aufmerksamkeit, meine Mühe und Zeit, die ich den Klient*innen gebe, kommen auch ein Stück weit zurück. Unsere Kinder und Jugendlichen erzählen von ihren Problemen, von ihrem Alltag und Interessen und möchten dies auch oft genug von uns wissen. Einige merken sich das auch ganz genau und ihnen ist es wichtig sich darüber auszutauschen. Mein bestes Beispiel: Ich bin ein großer Mittelalter-Fan und gehe auch zu thematischen Konzerten, Festivals und Märkten. Vor kurzen war der Hildesheimer Mittelaltermarkt und ich wurde von einem Jugendlichen gefragt, ob ich nicht zufällig da gewesen bin und er hätte, als er das Plakat gesehen hat, an mich denken müssen.

Wie erkenne ich, dass die Soziale Arbeit etwas für mich ist?

Es ist wichtig, dass man sich gut von Konflikten und Situationen abgrenzen kann und sie sozusagen nicht

 

zu sehr an sich heran lässt und sie nicht mit nach Hause nimmt. Man sollte Freude daran besitzen, andere zu motivieren und zu unterstützen, sich selbst zu helfen, neue Sachen zu lernen, oder neue Wege zu gehen. Empathie, Sensibilität/Feingefühl und Offenheit sind mit eines der bedeutendsten Begriffe, um zu erkennen, ob die Soziale Arbeit etwas für mich ist. Vor allem, da man mit Fingerspitzengefühl auf zum Beispiel traumatische Erfahrungen reagieren muss. Ein Vorteil ist auch ein gewisses Reflexionsvermögen mitzubringen, um einen Perspektivwechsel auf die Verhaltensweisen des Gegenüber durchzuführen.

Was sind drei Kern Kompetenzen die ich mitbringen sollte?

Empathie, Offenheit und Humor
Humor kann ein Wundermittel sein, um zugespitzte Situationen zu beruhigen oder den Optimismus zu bestärken, bei sich selbst und dem Klientel, sowie um eine Gewisse Freude am Leben zu vermitteln.

Würdest du sagen, dass man von Sozialer Arbeit gut leben kann?

Ja. Natürlich kommt es auch immer drauf an, wer ist der Träger, ist es eine Vollzeit oder Teilzeitstelle.

Könntest du dir vorstellen den Bereich innerhalb der Sozialen Arbeit noch einmal zu wechseln?

Ich muss gestehen ich fühle mich in der offenen Kinder- und Jugendarbeit sehr wohl und würde darin auch noch eine ganze Weile arbeiten. Der andere Bereich, der mich auch schon immer interessiert hat und den ich mir gut vorstellen könnte, ist die Arbeit in Kinder- und Jugendheimen.

Was ist Soziale Arbeit für dich? Vielleicht eher: Was bedeutet Soziale Arbeit für dich?

Ich finde die Soziale Arbeit kann in jeglichen Sinne eine große Chance sein für die Klient*innen, mit denen man zu tun hat, als auch für sich selber!

Die Chance ...

  • ...an seinem eigenen Charakter und Fähigkeiten zu arbeiten.
  • ...andere zu Unterstützen, zu motivieren und ihnen zeigen, was Lebensqualität ist.
  • ...Klient*innen aufzuzeigen, welche Werte und Normen wichtig sind.
  • ...aufzuklären, ein Bewusstsein gegen Diskriminierung zu schaffen und Themen zu enttabuisieren. (Religion, LGBTQIA*)
  • ...zu vermitteln, dass es in keinem Sinne notwendig ist, andere verbal oder körperlich zu verletzen.
  • ...ein Vorbild und Wegweiser zu sein, für Klient*innen, die Orientierung brauchen.
  • ...die Welt mit seinem eigenen Tun, ein kleines Stück besser machen.

Die Soziale Arbeit ist eine Chancenbringerin und -geberin und ist meiner Meinung nach in unserer Gesellschaft unfassbar wichtig.

Tabea Raether

Studiengang: BA Soziale Arbeit Hildesheim

Abschlussjahrgang: 2021

Aktueller Arbeitsbereich: Offene Kinder- und Jugendarbeit

Das Interview entstand im Rahmen des Studierendenprojekts "Berufliche Wege in die Soziale Arbeit" im Wintersemester 2023/24.