In Zeiten zunehmender Digitalisierung befindet sich das Gesundheitssystem in Deutschland im Wandel. Auch im Bereich der Rehabilitation und Nachsorge werden neue digitale Technologien eingesetzt, um den Patient*innen zusätzliche Möglichkeiten der Therapie und Versorgung zur Verfügung zu stellen (John et al., 2015).
In diesem Kontext können App-gestützte Nachsorgekonzepte als adjuvante Maßnahme zur Regelversorgung eine Möglichkeit zur Förderung des Selbstmanagements und der Patientenautonomie im Sinne der partizipativen Selbstwirksamkeit im Umgang mit einer vorliegenden Erkrankung darstellen (Brennan, Barker 2008). Vorteile dieser digitalen Entwicklungen liegen unter anderem in der Adaptivität an individuelle Bedürfnisse der Patient*innen und in der Unabhängigkeit im Nutzungsverhalten zum Beispiel durch vorgegebene Behandlungsfrequenzen (Rothgangel, 2019).
Die erfolgreiche und nachhaltige Implementierung App-gestützter Nachsorgeprogramme in die Versorgungspraxis hängt von unterschiedlichen Einflussgrößen ab und steht damit vor zentralen Herausforderungen. Neben strukturellen Rahmenbedingungen der Nutzung wie Zugangsmöglichkeiten, Datensicherheit oder Vergütungsmodelle spielt die Akzeptanz der Patient*innen in Bezug auf die angewandte Technologie eine entscheidende Rolle für eine erfolgreiche Implementierung als sinnvolle Ergänzung der Therapie im Sinne des Patien*innennwohls (Dockweiler et al. 2019a).
Damit eine Implementierung der Technologie in den Versorgungsalltag gelingen kann, ist ein erfolgreich verlaufender Diffusions-, Adoptions- und Akzeptanzprozess Voraussetzung. Weiterhin sind die Handlungs-, und Nutzungsakzeptanz der Patient*innen zentrale Grundlagen für die Integration dieser Technologien in die Regelversorgung (Dockweiler 2016). Für den Prozess der Technologieentwicklung im Sinne eines partizipativen Entwicklungsdesigns ist es wichtig, die Wünsche und Bedarfe der Patient*innen in Bezug auf eine Technologie zu kennen und in der Technologieentwicklung zu berücksichtigen (Heitplatz et al., 2019).
Darüber hinaus ist eine Sichtweise, die das Individuum, in diesem Falle die Patient*innen, mit ihrem jeweiligen Lebens- und Erfahrungskontext innerhalb des Akzeptanzprozesses betrachtet, relevant (Dockweiler 2016). Entsprechend der sozialwissenschaftlichen Ansätze von Akzeptanzentstehung geht es nicht ausschließlich um leistungsbezogene Einstellungen und Erwartungshaltungen der Nutzer*innen. Maßgeblich scheinen individuelle Rahmenbedingungen, der Einfluss des sozialen Umfeldes sowie soziodemographische und psychodemographische Aspekte wie Alter, Geschlecht, Werte- und Normvorstellungen der Einstellungsbildung in Bezug auf Akzeptanzentstehung Einfluss zu haben (Dockweiler 2016).
Aspekte des Einflusses der Erkrankung der Patient*innen auf das Nutzungsverhalten, Prozesse der Krankheitsbewältigung und Akzeptanz der Beeinträchtigung sowie die Freiwilligkeit der Nutzung sind bisher in den Untersuchungen zu akzeptanzbeeinflussenden Faktoren einer erfolgreichen Implementierung von Technologien in den Versorgungsalltag im Sinne des Patient*innenwohls noch weitgehend unerforscht.
Die Arbeit untersucht den Zusammenhang der Einflussgröße der individuellen Rahmenbedingungen der Patient*innen auf den Prozess der Akzeptanzentstehung mit dem Ziel, Handlungsempfehlungen für eine an den Versorgungsbedarfen orientierte Entwicklung von App-gestützten Nachsorgekonzepten abzuleiten, die die Nutzer*innenakzeptanz von App-gestützter Nachsorge nachhaltig unterstützen.
Literatur
- Brennan DM, Barker LM. (2008). Human factors in the development and implementation of telerehabilitation systems. In: Journal of telemedizin and telecare 2008, 14:55-58.
- Dockweiler C. (2016). Adoption und Akzeptanz telemedizinischer Leistungen aus Perspektive der Nutzerinnen und Nutzer. Dissertation Gesundheitswissenschaften, Universität Bielefeld.
- Dockweile C, Diedrich L, Palmdorf S, Beier D, Ilic J, Kibbert M et al. (2019a). Telematische Anwendungen in der ambulanten Pflege: Die Perspektive von Pflegekräften. In: Pflege 32 (2), S. 87–96.
- Heitplatz VN, Leinweber J, Frieg H, Bilda K, Ritterfeld U. (2019). Konzepte zur Nutzer*inneneinbindung am Beispiel der Entwicklung einer digitalen Anwendung zum Training der Sprechverständlichkeit (ISi-Speech). In: Posenau A, Deiters W, Sommer S. (Hrsg.) Nutzerorientierte Gesundheitstechnologien. Bern: Hochgrefe, S. 183 – 194.
- John M, Einhaus J, Klose S, Kock G, Graßhoof T. (2015). Bericht Telerehabilitation (2015). Medizinische Assistenzsyteme in der Prävention, Rehabilitation und Nachsorge. Frauenhofer Institut. Zugriff am 5.5.2022 auf: https://cdn2.scrivito.com/fokus/d3f63aa5f513afdb/c51a45cbfe26/E-HEALTH_Bericht_Telerehabilitation_2015_final.pdf
- Rothgangel AS. (2019). Treating Pahntom Limb Pain Following Amputation: the potential role of traditional and teletreatment approach to mirrow therapy. Dissertation Rehabilitationswissenschaften, Maastricht Univerity.