Orte und Programm materialisieren

Unter dem Arbeitstitel „Im Mühltal leben!“ haben Studierende im zweiten Semester des Masterstudiengangs Architektur an drei unterschiedlichen Standorten architektonische Lösungsansätze entwickelt. Das Ziel dieser Entwurfsaufgabe bestand darin, die ganz unterschiedlichen Grundstücke im Mühltal nachzuverdichten und durch innovative und nachhaltige Konzepte aufzuwerten. Das Projekt an der HAWK-Fakultät Bauen und Erhalten am Standort Hildesheim bildete die Kette von Entwerfen, Konstruieren und Bauen ab.

Teilnehmende

Als zentrales Thema legte die Lehrveranstaltung dabei einen besonderen Wert auf die Einhaltung städtebaulicher, funktionaler, gestalterischer und konstruktiver Belange. Die Konzeption des Kurses und die Betreuung der Entwürfe organisierten Prof. Dr. Till Böttger, Dr. Natalie Heger und Ulrike Knauer M. Sc. im Team.

 

Sowohl German Halcour, Verw.-Prof. für Projektentwicklung vom HAWK Standort Holzminden, als auch Bürgermeister Willi Georg Muth und Bauamtsleiter Karsten Kutschera der Gemeinde Mühltal unterstützten in der Vorbereitung, im Modellbau und in Form von Gastkritiken gegenüber den Studierenden das Studienprojekt maßgeblich.

Die Studierenden hatten, trotz der Auswirkungen der Pandemie, sehr direkten Kontakt zu den Verantwortlichen im Mühltal und konnten Ortsbesichtigungen und digitale Präsentationen ihrer Konzepte vor dem Gemeinderat wahrnehmen. Der Ort bildete den Ausgangspunkt dieser Bearbeitung. 

Grundstücke

Die Gemeinde Mühltal befindet sich in Südhessen, in unmittelbarer Nähe zu Darmstadt. Die Eigentümerin der drei Grundstücke in der Dornwegshöhstraße 31, der Ober-Ramstädter Straße 38 und der Wettermühle ist die Gemeinde Mühltal.

Zu den programmatischen Überlegungen gehörte es, dass sich die Studierenden Gedanken über wirtschaftliche Nutzungskonzepte machten und diese durch Volumen- und Formstudien auf den jeweiligen Grundstücken austesteten. Anschließend arbeiteten sie die Entwürfe aus und vertieften sie konstruktiv im Sinne von Leitdetails.

Ziele

Für die Grundstücke in der Dornwegshöhstraße 31 und der Ober-Ramstädter Straße 38 sollten die Studierenden Wohnungsbauten entwerfen, welche die unterschiedlichsten Anforderungen an die neue Art des Zusammenwohnens umsetzen.

Im Zuge der Bearbeitung setzten sie sich mit Cluster-, Satelliten- oder dem Mehrgenerationenwohnen auseinander. Zusätzlich sollten sie den Aspekt berücksichtigen, neue Arbeits- und Lebensformen miteinander zu verbinden. Gerade die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie haben gezeigt, wie wichtig eine sinnvolle Verknüpfung sein kann. Deshalb fielen auch Begriffe wie FabLab, Co-Working-Space, Co-Living und Third Places.

Für das Grundstück „Wettermühle“ galt es, zwei Lösungsansätze für eine sechs-zügige Kindertagesstätte zu entwerfen. Zum einen sollten die Studierenden ausschließlich eine Kindertagesstätte planen, die den Anforderungen des Flächennutzungsplanes entsprach und zum anderen sollten sie eine Mischnutzung in Verbindung mit Kindertagesstätte und Wohnen ausprobieren. Neben dem Entwurf des Neubaus waren die Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten und eine Umstrukturierung der Verkehrswege ein wichtiger Bestandteil der Planungsaufgabe. Die Materialität sollten sie als ein Zusammenspiel von Ort und Programm herausarbeiten. Besonders die Gedanken zur Nachhaltigkeit waren integraler Bestandteil in Konstruktion und Materialisierung und flossen in den Entwurfsprozess mit ein.

Lea Steiner beplante das Eckgrundstück in der Dornwegshöhstraße 31 im Mühltal. Es ist ein L-förmiger Baukörper, der sich Richtung Süden öffnet und aus zwei Gebäudeabschnitten besteht – einem viergeschossigen zeilenartigen Abschnitt mit Satteldach im Westen und einem zweigeschossigen Teil mit darüber liegender Dachterrasse im Osten. 

Ein Atrium öffnet den Scheitelpunkt der beiden Gebäudeabschnitte. Das schafft neue Räume und lenkt Tageslicht in die Anlage. Der Ausdruck des Gebäudes ist durch eine massive Bauweise geprägt, welche durch den Einschnitt des Atriums aufgebrochen wird. In einer ostwestlich verlaufenden Achse drückt sich der eingeschnittene Teil des Atriums im Westen in Form einer massiven turmartigen Gaube, welche sich über alle Geschosse erstreckt, wieder heraus. Zudem öffnet sich das Gebäude in dieser Achse im Osten in Form von Loggien. Durch die hier angelegten großflächigen Öffnungen der Fassade entsteht ein Wechselspiel zwischen der sonst geschlossenen Lochfassade und den großzügigen Öffnungen. 

Hinter dem Entwurf steht das Konzept des „Wohnens und Arbeitens in der Gemeinschaft“. Der Entwurf setzt das durch die neuartige Wohnform des Cluster-Wohnens und der Co-Working-Büros um. Im Erdgeschoss befindet sich ein Co-Working-Büro, welches über Arbeitsplätze verfügt, die sich sowohl von Bewohnenden des Gebäudes als auch von Außenstehenden mieten lässt. In den Obergeschossen gliedern sich dann die Cluster-Wohnungen an, ebenso wie eine Cluster-Wohnung im Erdgeschoss. 

Die Dachterrasse auf dem zweigeschossigen Gebäudeabschnitt ist als Dachgarten ausgebildet, Hochbeete bilden dabei die Absturzsicherung und holen die Natur in das Gebäude. Das Gebäude ist aus Gründen der Nachhaltigkeit zudem fast ausschließlich in der Holzbauweise geplant. Die Terrassen sind für alle Nutzenden des Gebäudes zugänglich, auch hier steht das Thema der Gemeinschaft erneut im Fokus.

Das Grundstück Dornwegshöhstraße 31 befindet sich im Herzen des Mühltals und liegt somit in attraktiver Lage. Da das Bestandsgebäude ungenügend gedämmt und zum Teil baufällig ist, soll eine Nachverdichtung entstehen, die sich in die gewachsenen Strukturen des Quartiers einfügt und auf aktuelle Nutzeranforderungen eingeht. So ist auf dem Grundstück ein Mehrfamilienhaus entstanden, das qualitativ hochwertigen Raum zum Leben und Arbeiten schafft. 

Um sich in die Quartiersstruktur einzufügen, werden vorhandene Gebäudekubaturen aufgegriffen und im Winkel versetzt angeordnet. So entstehen neue, größere Bauformen, die den Raum nachverdichten und sich gleichzeitig in das Quartier einfügen. 

Durch den Einsatz von Dämmbeton in Sichtqualität als Hauptbaustoff entsteht eine optisch ansprechende schlichte Fassade, die das vorhandene Fassadenbild ergänzt. Zusätzlich stehen dadurch die neuen Wohnhäuser im Sinne der Nachhaltigkeit, da auf nicht recyclebare Dämmstoffe verzichtet werden kann und trotzdem durch Dämmeigenschaften eine hohe Energieeffizienz erreicht wird. Die Fenster sind dabei unregelmäßig angeordnet, um dem sonst schlichten Baukörper eine gewisse Dynamik zu verleihen. 

Jede Wohnung verfügt über eine Loggia oder Garten und schafft so eine Verbindung zwischen Außen- und Innenraum, sowie einen Tiefgaragen- und Fahrradstellplatz, um eine Anbindung an die Verkehrsstruktur zu schaffen.

Das Gebäude an der Dornwegshöhstraße 31 betont in Cedric Krügers Entwurf das erhöhte Eckgrundstück der Dornwegshöh- und Hochstraße. Die architektonische Gestalt nimmt verschiedene Kanten und Höhen der umliegenden Bestandsbebauung auf und führt diese durch die eigene Formsprache um die Ecke. 

Die Loggien, die kommunikative Laubengangerschließung und das Staffelgeschoss erzeugen durch die Addition und Subtraktion von Volumen einen filigranen Körper. Ein Holzrahmenbau hüllt sich um die asymmetrische, massive Schottentragstruktur im Inneren. Akzentuiert wird das äußere Gewand durch die Putzflächen mit vertikaler Kammputztechnik im Bereich der Loggien und des Staffelgeschosses. 

Für die Bewohner der Stadt und zukünftigen Anwohner des Wohnhauses hat Cedric Krüger einen Co-Working Space geschaffen, der insbesondere eine räumliche Trennung zwischen Arbeitsplatz und Wohnraum thematisiert.

Tom Janus stellt hier einen Entwurf für die Ober-Ramstädter Straße 38 vor. Das Gebäude erstreckt sich über drei Geschosse und bietet drei Single-Wohnungen, zwei Einfamilienwohnungen sowie zwei Wohnungen mit je sechs Schlafzimmern für Wohngemeinschaften. Neben einem Fahrradraum steht jeder Wohnung ein privater Außenbereich zur Verfügung.

Bei der Fassadengestaltung nahm Janus einerseits Rücksicht auf das abfallende Gelände, andererseits spiegelt die Fassade den Übergang zwischen der Materialität der Nutzungseinheiten von WG-Wohnungen und Familienwohnungen wider. Im unteren Teil brachte er eine vorgehängte Holzfassade mit vertikalen Lamellen an. Der Übergang definiert sich durch eine Aluminiumschiene. Sie leitet die anthraziten Aluminiumschindeln ein. Diese erstrecken sich ebenfalls übergangsfrei im Dachbereich. Die anthraziten Fensterrahmen runden das Gesamtbild ab.

Alternative Wohnformen, zeitgemäßes Design, und der attraktive Standort sollen Anreize sein, um auch jungen Menschen das Leben auf dem Dorf schmackhaft zu machen.

Bei dem Entwurfsgebäude, welches auf dem Grundstück in der Ober-Ramstädter Staße 38 geplant wurde, steht die Nachhaltigkeit im Vordergrund. Neben der klimafreundlichen Bauweise mit dem nachwachsenden Rohstoff Holz, der als primäres Konstruktionsmaterial, als ganzheitliche Fassadenbekleidung sowie in der Innenraumgestaltung als Sichtqualität geplant wurde, wurde Wert auf die Nutzung des Sharing Konzeptes gelegt. 

Die Gebäudeform ergibt sich aus zwei zueinander verschobenen quadratischen Baukörpern mit Satteldächern, um die Baumasse nicht zu massiv wirken zu lassen und sich den umgebenen Nachbarbauten anzupassen. Insgesamt sind 9 Wohneinheiten in verschiedenen Typologien entworfen worden, von Apartment bis hin zu Mehr-Zimmer-Wohnungen, alle mit großzügigen Loggien mit Blick in die Natur. 

In einem Gemeinschaftsraum oder dem Gemeinschaftsgarten können die Bewohner zusammenkommen und in den kleinen Ateliers können Arbeitsplätze zusätzlich angemietet werden um Berufliches und Privates räumlich zu trennen. 

Das Fahrrad soll als vorrangiges Fortbewegungsmittel attraktiv gemacht werden in dem ausreichend und, gut erreichbare Abstellmöglichkeiten bedacht wurden.

Der entworfene Baukörper von Nils Keck soll die Nutzungsschemata Kita und Wohnen verträglich zusammenbringen. Der Ort spielt eine wichtige Rolle in der Zonierung und Unterbringung des Programms. Das Grundstück „Wettermühle“ bildet die südliche Grenze Nieder-Ramstadts zum angrenzenden Mühltal. Diese naturnahe, ruhige Lage macht das Grundstück besonders und fordert eine maximale Ausnutzung bei gleichzeitig sensibler Einfügung des Programms in die vorhandene Wohnhausstruktur. 

Städtebaulich bildet der Baukörper den Abschluss des Ortes und der Nieder-Beerbacher-Straße in Richtung Süden zum Mühltal und passt sich nordöstlich der angrenzenden, kleinteiligen Wohnbebauung an. Im Südwesten stellt er sich der großformatigen Kubatur der gegenüberliegenden Feuerwehr gleich und öffnet sich ins Mühltal. Zur Nieder-Beerbacher-Straße nimmt der Baukörper die Flucht der angrenzenden Wohnbebauung auf. Die zurückversetzte Wohnzeile im Nordosten schafft einen Vorbereich, der sich als Haupterschließung des Gebäudes visuell erkennen lässt. Auch macht der Entwurf durch die geringere Gebäudetiefe und die äußere Gestalt des Nordostriegels die Inklusion alternativer Wohnformen ablesbar. 

Die Ausrichtung des Baukörpers erfolgt parallel zur Feuerwehr. Seine Formgebung unterteilt sowohl Innen- als auch Außenraum des Gebäudes und Grundstücks für die unterschiedlichen Nutzungen in entsprechende Zonen. 

So entsteht im Schenkel des L-Körpers ein geschützter, der Natur zugewandter Freiraum für die Kita. Gleichzeitig unterteilt der südöstliche Schenkel der L-Struktur das Grundstück, sodass im südöstlichen Bereich ein ebenfalls geschützter, sich nach Süden öffnender Freiraum für das Wohnen ergibt. Durch die geringere Gebäudetiefe der nordöstlichen Wohnzeile verschattet sich die angrenzende Bebauung weder, noch ist sie visuell beeinträchtigt. 

Im südwestlichen Teil des Grundstücks bildet sich ein weiterer Außenraum für den Kindergarten. Dieser bietet als halböffentlicher Bereich Blickkontakt zur Nieder-Beerbacher-Straße und zur Feuerwehr. Von hier aus lässt sich auch das angrenzende Mühltal bei Ausflügen unkompliziert erreichen.

Der Entwurf „Zwischen/\raum“ für das Grundstück "Wettermühle" umfasst eine Kita im Erdgeschoss und drei Wohngruppen für Kinder und Jugendliche im Obergeschoss. Zentraler Gedanke des Entwurfs sind Begegnungs-, Spiel- und Gemeinschaftsflure, die in beiden Geschossen eine klare Ablesbarkeit im Raumprogramm ermöglichen und Räume qualitativ verbinden.

Bei der Planung ist ein Gebäudeensemble aus drei gespiegelten, gedrehten und verschobenen Baukörpern entstanden, die eingeschossig durch Verbindungsflure erschlossen werden. Durch die Anordnung spielt der Entwurf mit dem Kontrast ‚offen‘ und ‚geschlossen‘, wodurch vielseitige Bereiche im Außenraum entstehen und Durchblicke von der Straße zum Grünraum geschaffen werden.

Mit der Fassade aus monolithischen Sichtkork-Fassadenplatten bekommt der Holzbau einen einladenden Charakter und macht zusammen mit Elementen im Innenbereich das Naturprodukt Kork zu einem zentralen Material des Entwurfs.

Die Grundlage des Kindergartens bildet die Ausschreibung “Entwurf zum Neubau einer sechszügigen Kindertageseinrichtung für das Grundstück „Wettermühle“. Es soll ein städtebauliches Ensemble zwischen den zwei Nutzungen Kita und Wohnen entworfen werden, welches sich in den Rahmenplan einfügt und programmatische Lösungen aufzeigt.

Das entworfene Gebäude soll sich in die Umgebungsarchitektur einfügen und mit den anderen Gebäuden harmonieren. Hierfür wurde sich für eine dreigeschossige Bebauung entschieden, Kindergarten im Erdgeschoss und die Wohnungen in den zwei oberen Geschossebenen. Die Erschließung der Kita erfolgt direkt über den Haupteingang von der Straßenseite im Norden aus, sowie zu den Wohnungen, die durch den Laubengang im ersten und zweiten Obergeschoss erreicht werden.

Die Parkplätze und Fahrradstellplätze für die Kita befinden sich im östlichen Teil des Gebäudes. Durch eine Rampe, die zur Tiefgarage führt, werden die Parkplätze für die Wohnungen erreicht.

Der Entwurf sollte unter besonderer Berücksichtigung städtebaulicher, funktionaler, gestalterischer und konstruktiver Belange mit Betonung der technisch- und konstruktiven Eigenschaften erstellt werden. Hierfür wurde eine vertikale Schalung als Holzfassade für die Hülle gewählt. Die Ausführung des Gebäudes erfolgt in einer Holzbauweise aus Brettschichtholz, wodurch ein schnelles errichten der KITA ermöglicht wird.

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