Erscheinungsdatum: 04.08.2016

Ein interdisziplinäres Arbeitstreffen zur Erforschung und Erhaltung mittelalterlicher Wandmalereien in Regensburg

Am 3. und 4. Juni 2016 kam eine größere Runde von Fachleuten verschiedener Disziplinen zu einem Arbeitstreffen in Regenburg zusammen, um sich gemeinsam vor Ort über den aktuellen Stand der Erforschung und Erhaltung mittelalterlicher Wandmalereien zu informieren, darüber zu diskutieren und Desiderata für das weitere Vorgehen zu formulieren. Unter den Teilnehmenden waren auch etliche Absolvent/inn/en des Studienganges Restaurierung, Fakultät Bauen und Erhalten der HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst in Hildesheim, sowie Doktorand/inn/en der FAU, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Philosophische Fakultät und Fachbereich Theologie.

Das Arbeitstreffen wurde von Prof. Dr. Heidrun Stein-Kecks, FAU in Erlangen, und Prof. Dr. Ursula Schädler-Saub, HAWK in Hildesheim, konzipiert und organisiert. In Anknüpfung an die von beiden geleitete Sektion „Wandmalerei des hohen Mittelalters: Kunstgeschichte und Restaurierung“ beim Forum Kunst des Mittelalters im September 2015 in Hildesheim, die auf großes Interesse gestoßen war, wollten sie das Thema im interdisziplinären Austausch zwischen Kunsthistoriker/inne/n, Restaurator/inn/en, Bauforscher/inne/n und allen anderen beteiligten Fachleuten fortführen, in Kooperation mit der ICOMOS-AG Konservierung und Restaurierung von Wandmalerei und Architekturoberflächen. Bewusst entschied man sich für das Format des Arbeitstreffens, das eine intensive Diskussion direkt am Objekt ermöglicht, ergänzt durch einige Fachvorträge. Regensburg als Weltkulturerbestätte der UNESCO, mit dem überaus reichen und qualitätvollen Bestand an mittelalterlichen Wandmalereien und Architekturfassungen, wurde auch wegen einiger aktueller Fragen zur Pflege und Erhaltung des überlieferten Bestandes als Ort der Veranstaltung ausgewählt.

Aus dem umfangreichen und spannenden Programm seien einige Highlights herausgepickt:

- St. Emmeram mit seinem im wahrsten Sinne des Wortes vielschichtigen Bestand an karolingischen, ottonischen und romanischen Architekturoberflächen und Wandmalereien in der Ringkrypta, die zuletzt in den 1980er Jahren intensiv untersucht wurden, mit zahlreichen Erkenntnissen zu Bauforschung, Kunsttechnologie und konservatorischer Problematik; ebenfalls in St. Emmeram die sehr bedeutende, nicht öffentlich zugängliche Magdalenenkapelle mit einem durch Selbstfreilegung und vor allem durch frühere Freilegungsaktionen entstandenen Wandmalereipalimpsest von der Romanik bis zur Barockzeit.

- St. Georg in Regensburg-Prüfening mit den ab dem späten 19. Jh. freigelegten Wandmalereien im Presbyterium und in den Nebenchören, nicht nur ein sehr prominentes Zeugnis romanischer Wandmalerei, sondern auch ein Dokument des Paradigmenwechsels in der Denkmalpflege um 1900: Während die Wandmalereien im Presbyterium nach ihrer Aufdeckung wegen des schlechten Erhaltungszustandes vollständig übermalt wurden und sich heute de facto als neuromanische Ausmalung präsentieren, lehnte das zuständige Generalkonservatorium im frühen 20. Jh. ein derartiges Vorgehen bei den Wandmalereien in den Nebenchören vehement ab, so dass diese bis heute weitgehend unrestauriert überliefert sind, wenn auch durch die Spuren unsachgemäßer Freilegung gezeichnet.

- Die Allerheiligenkapelle am Regensburger Domkreuzgang mit ihrer romanischen Ausmalung, welche dem kleinen Zentralbau mit gemaltem Rahmenwerk eine subtile Architekturgliederung verleiht und darin Bildfelder für ein komplexes Bildprogramm einfügt. Die Wandmalereien wurden im Laufe des 19. Jh. freigelegt, allerdings nie flächendeckend übermalt wie der bereits erwähnte Zyklus im Presbyterium von St. Georg, sondern im späten 19. Jh. für damalige Verhältnisse zurückhaltend restauriert. Trotzdem empfand man diese Interpretation in den 1950er Jahren als so störend, dass eine „Ent-Restaurierung“ mit Abnahme aller Retuschen erfolgte, um das Original möglichst authentisch zu präsentieren. Diese fragmentarische Präsentation ist bis heute unverändert überliefert.

Neben den berühmten Kirchen mit ihren hochkarätigen Ausstattungen, weist Regensburg ebenso bedeutende mittelalterliche Profanbauten auf, darunter zahlreiche Bürgerhäuser, die teilweise bemerkenswerte mittelalterliche Ausmalungen bewahrt haben. Die Teilnehmer des Arbeitstreffens betrachteten u.a. die gut erhaltenen spätgotischen Wandmalereien in der Diele eines vor kurzem restaurierten Bürgerhauses. Hier zeigte sich exemplarisch, wie wichtig eine effektive und rechtzeitig einsetzende Zusammenarbeit zwischen Architekten und Fachleuten der Bauforschung und Restaurierung ist, um den überlieferten historischen Bestand eines Baudenkmals richtig zu erkennen und fachgerecht zu bewahren und zu präsentieren.

Bei den Präsentationen und Diskussionen vor Ort wurde deutlich, dass Denkmalpflege und Restaurierung in Regensburg auf eine lange und vielfach sehr erfolgreiche Tradition der Erforschung und Bestandserhaltung zurückblicken können, die heute auf hohem Niveau fortgeführt wird. Angesichts der Fülle und Vielfalt an bedeutenden Kulturdenkmalen und den zahlreichen damit verbundenen Anforderungen, ist es jedoch nicht immer einfach, die im letzten Viertel des 20. Jh. begonnenen Untersuchungen insbesondere der Bauforschung und der Restaurierung systematisch fortzuführen, Forschungsergebnisse zu vertiefen und interdisziplinär zu vernetzen. Dabei kann sogar das zentrale aber leider viel zu wenig beachtete Thema der ständigen Beobachtung und Pflege des überlieferten Bestandes ins Hintertreffen geraten. Die kostbaren Regensburger Sakral- und Profanbauten mit ihrer reichen Ausstattung vom Mittelalter bis in die Neuzeit zeigen besonders deutlich, dass kontinuierliches Monitoring und sorgfältige Wartung und Pflege von Kulturdenkmalen eine grundlegende Voraussetzung für die Nachhaltigkeit restauratorischer und denkmalpflegerischer Tätigkeit sind.

Ein kurzes Fazit zum interdisziplinären Austausch zwischen Kunsthistoriker/inne/n, Restaurator/inn/en, Bauforscher/inne/n und Denkmalpfleger/inne/n in Regensburg:

- Die komplexe Restaurierungsgeschichte mittelalterlicher Wandmalereien und Architekturfassungen lässt sich nur in interdisziplinärer Zusammenarbeit verstehen; restauratorische und kunsthistorische Untersuchungen am Objekt müssen hier mit Quellenrecherchen verglichen und gemeinsam interpretiert werden. Von den Beteiligten erfordert dies viel historisches und kunsttechnologisches Wissen und den kontinuierlichen Austausch mit allen dazugehörigen Disziplinen.

- Die Problematik der heutigen Erhaltung und Präsentation dieser Wandmalereien und Architekturfassungen lässt sich wie folgt zusammenfassen: Wir sehen das Mittelalter heute sozusagen nur noch durch die Brille der Interpretationen des 19. und 20. Jahrhunderts. Diese früheren Eingriffe in die Materie und das Aussehen der Wandmalereien und Architekturfassungen sind im Allgemeinen irreversibel und als Werke vergangener Generationen ihrerseits schon Teil der Geschichte geworden – wir können und dürfen sie nicht mehr rückgängig machen, sondern sollten sie als historischen Bestandteil eines Kulturdenkmals akzeptieren.

- Was bleibt uns heute zu tun, wenn wir als verantwortungsbewusste Fachleute auf jegliche „Rück-Restaurierung“ auf einen hypothetischen Originalzustand verzichten? Sehr viel! Die Notwendigkeit von Monitoring, Wartung und Pflege kann nicht oft genug betont werden, damit ihr Stellenwert seitens der Eigentümer und Nutzer sowie der zuständigen Institutionen anerkannt und die praktischen Schlüsse daraus gezogen werden. Auch ist die konsequente Fortführung vieler erfolgreich begonnener Untersuchungen am Objekt und Forschungsprojekte ein dringendes Desiderat, damit wissenschaftliche Erkenntnisse der letzten Jahrzehnte nicht in Archiven verstauben, sondern als Ausgangspunkt weiterer Forschungen genutzt und mit Profit für die Praxis eingesetzt werden.

- Nicht zuletzt ist es ein Anliegen aller beteiligten Fachleute, die interessierte Öffentlichkeit über die vielschichtige Geschichte mittelalterlicher Wandmalereien und Architekturoberflächen zu informieren und auf die Notwendigkeit ihrer fachgerechten Erhaltung hinzuweisen.

Zum Abschluss des Arbeitstreffens ein herzliches Dankeschön seitens der Teilnehmer/innen an all die Fachleute und Vertreter/innen zuständiger Institutionen vor Ort, die sich organisatorisch und inhaltlich für das Gelingen des Programms eingesetzt haben!

Weitere Informationen:

Prof. Dr. Ursula Schädler-Saub

Ein interdisziplinäres Arbeitstreffen zur Erforschung und Erhaltung mittelalterlicher Wandmalereien in Regensburg HAWK Hochschule, Fakultät Bauen und Erhalten HAWK Hochschule, Fakultät Bauen und Erhalten