Erscheinungsdatum: 25.09.2014

Traditioneller Handsatz sensibilisiert Studierende für Umgang mit Computerschriften

Traditioneller Handsatz sensibilisiert Studierende für Umgang mit Computerschriften "Schwer wie Blei“ war in diesem Fall einmal wörtlich zu nehmen, denn der Studiengang Gestaltung der HAWK hat beim Umzug auf den neuen Campus Weinberg auch die Bleisatzwerkstatt mitgenommen. Erste Schwierigkeit, die Druckmaschine überschritt das zulässige Gesamtgewicht des alten Fahrstuhles von 500 Kilo, also zerlegten die Umzugsprofis sie kurzerhand in zwei Teile: den Maschinenkörper und die schwere Druckwalze.

Gespannt warten Diplom-Designerin Brigitte Schrader und Verw.-Prof. Christoph Lemmer derweilen auf die Ankunft der schweren Maschine in ihrer neuen Werkstatt. Der Setztisch steht bereits in dem großen länglichen Raum. Die Schubladen sind einzeln transportiert worden, gut eingewickelt in durchsichtige Folie konnten die vielen bleiernen Buchstaben so in den Fächern verbleiben.

„Zum Glück sind die Schubladen nicht umgekippt“, zeigt sich Brigitte Schrader erleichtert über den reibungslosen Ortswechsel. Mit Kennerblick erkennt die Lehrbeauftragte für das Fach Schrift trotzdem sofort, dass einige Buchstaben falsch liegen. „Studentische Projekte“, begründet sie die Fehlsortierung und legt die kleinen Bleiplättchen mit den filigranen spiegelverkehrten Buchstaben wieder in das richtige Fach. „Die Einkerbung verrät, ob die Zuordnung stimmt“, erklärt sie einer Gestaltungsstudentin, die sich wundert, wie man so ähnliche winzige Buchstabenplättchen denn korrekt zuordnen könne.

Typografische Details "Wir haben hier Helvetica in mehreren Schnitten, Optima, Bodoni, Garamond“, zählt Schrader einige der Hauptschriften auf, die teilweise in Sätzen von sechs bis 16 Punkt Größe vorliegen. Gut sortiert liegen Kleinbuchstaben und Großbuchstaben neben Sonderzeichen und Ligaturen, wie ck, ch, ff oder ft in den großen hölzernen Schubladen. Die besonders häufig genutzten Buchstaben wie d, e, a liegen schnell greifbar in den ersten Reihen.

„Es ist etwas ganz anderes, wenn die Studierenden die Buchstaben richtig anfassen und typografische Details der Schriften entdecken können, außerdem vermittelt der Druck mit Bleisatz eine Vielfalt von Sinneseindrücken“, schwärmt die Lehrbeauftragte von der Urform des Buchstabendruckes, die auf die Technik von Johannes Gutenberg um das Jahr 1440 zurück geht. 1992 legte Brigitte Schrader ihr Diplom in Gestaltung an der Kaiserstraße ab. Damals gab es noch eine Linotype-Maschine in dem Gebäude, bei der man per Tastendruck einzelne Buchstaben auswählen und per Bleiguss aneinander fügen konnte. Diese Maschine habe aber sehr viel Platz eingenommen, erinnert sie sich.

Comeback
Unter den Begriffen „Letter Art“ und „Letter Press“ erlebt der Bleisatz gerade in England und den USA ein Comeback. Grund genug, auch die alte Technologie mit in die neuen Räume zu nehmen, findet Verw.-Prof. Christoph Lemmer, der an der HAWK Typografie unterrichtet. „Der Wunsch nach Sinnlichkeit kehrt zurück“, befürwortet er den neuen Trend zu den Wurzeln des Schriftdruckes zurück zu gehen.

„Die Studierenden müssen sich beim manuellen Bleidruck erst an ein Ergebnis herantasten, wie viel Farbe nehme ich, welches Papier ist für meinen Zweck geeignet – die Auseinandersetzung ist durch dieses Druckverfahren viel intensiver.“ Außerdem seien die Möglichkeiten viel eingeschränkter, so dass konzentrierter an einem Ergebnis gearbeitet werden könne, ohne sich in den grenzenlosen Möglichkeiten zu verlieren, die der Computer böte. Mit diesem Wissen würde sich die Arbeit mit Schriften am Computer auch positiv verändern. Besonders freut sich der HAWK-Professor darüber, dass die Bleisatzwerkstatt jetzt in direkter Nachbarschaft zu den weiteren Druckwerkstätten angesiedelt ist.

  • Verw.-Prof. Christoph Lemmer
  • Studiengang Gestaltung
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