Erscheinungsdatum: 01.02.2010

<P>Exzellente Vorträge kombiniert mit praktischen Löschübungen locken Interessierte aus der ganzen Bundesrepublik nach Hildesheim</P><P> </P>

Ein interdisziplinäres Fachkolloquium des Hornemann Instituts der Fakultät Erhaltung von Kulturgut bot gerade einen sehr interessanten Einblick in die neuesten Entwicklungen des Brandschutzes. Der Präsident der HAWK, Prof. Dr. Martin Thren, begrüßte die über 200 Gäste, die aus sehr unterschiedlichen Berufen kamen, darunter Mitarbeiter von Feuerwehren, praktische Brandschützer und -techniker, Vertreter der städtischen, staatlichen und kirchlichen Denkmalpflege, aus Museen und Museumsämtern, aus Archiven und Bibliotheken, Mitarbeiter von Hochschulen, Verwaltungen und Versicherungen und viele freiberuflich Tätige. Es sei für die HAWK wichtig, die aktuellen Entwicklungen in der Restaurierung, Architektur und des Bauingenieurwesens in die Hochschulausbildung einzubinden, da die Absolventinnen und Absolventen später in der Lage sein müssten, innovativ auf die neuen Herausforderungen einzugehen. Auch mische die HAWK gerne Lehre mit Weiterbildung, denn auch dies ist eine Möglichkeit, das Lehrangebot möglichst breit zu machen, neue Forschungsergebnisse zu integrieren und im engen Kontakt mit der beruflichen Praxis zu bleiben: „Es bringt unsere Studierenden in den persönlichen wissenschaftlichen Dialog mit Kollegen aus der Praxis und mit Experten, die sie nur aus der Literatur kennen“, so Martin Thren.

Der große Andrang war für die Veranstalter wenig erstaunlich, ist das Thema Brandschutz doch spätestens seit dem Brand der Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar im Fokus der Spezialisten für Kulturgutschutz. Er gehört zum großen Themenkomplex des „risk management“ und ist Kulturgutschutz par excellance. Trotzdem kommt es immer wieder zu Bränden, die unwiederbringliche Schäden mit sich bringen. Aus diesem Grund zeigte die Organisatorin der Tagung, Dr. Angela Weyer vom Hornemann Institut, bei ihrer Erläuterung des Programms den Gästen eine Bildfolge von Bränden, die in den letzten Jahren europäisches Kulturgut zerstört haben, außer dem in der Herzogin Anna-Amalia Bibliothek in Weimar (September 2004) noch die Brände im Linzer Ursulinenhof (Juni 2009), in Schloss Arenberg in Salzburg (April 2009), den sog. Saatchi-Brand in einem Londoner Kunstlager (Mai 2004), den des Openhauses La Fenice in Venedig (Januar 1996) oder den in der Wiener Hofburg im November 1992. Angela Weyer führte aus, dass man sich bewusst für eine Tagung entschieden habe, bei denen sehr verschiedene Gesichtspunkte mit vielen innovativen Fallbeispielen zur Sprache kommen sollten. Sie habe bei der Konzeption die Sicherung der Gebäude mit der Sorge um die Kulturgüter, die darin aufbewahrt werden, zusammenführen wollen. Es gehe also weitgehend um konkrete Problemlösungen an öffentlich zugänglichen Gebäuden, zumeist Museen und Bibliotheken, die sich in kulturhistorisch bedeutenden Gebäuden befinden.

Um die inhaltlichen Grundlagen für das Auditorium zu legen, erläuterte Karsten Foth von htp Berlin die Grundsätze und Maßnahmen des vorbeugenden und abwehrenden Brandschutzes im Denkmal, indem er zunächst auf die maßgeblichen Schutzziele einging und dabei u. a die vom Gesetzgeber geforderten Rettungswege ansprach. Er stützte sich dabei exemplarisch auf die Berliner Bauordnungen. Dann sprach er über die Verbesserung des Bestandes durch Anlagetechnik, Brandmelde-, Warn-, Sprinkler- und Sprühwasserlöschanlagen.
Außerdem machte er am Brandschutzkonzept für die Staatsbibliothek Unter den Linden auf die Planung in denkmalgeschützten Gebäuden aufmerksam, wo es wegen es rechtlich verankerten Bestandsschutzes immer zu Abweichungen gegenüber den bestehenden Regelwerke komme. In seinem Fazit betonte er, dass ein ganzheitliches Brandschutzkonzept für ein Denkmal die Nutzung ingenieurmäßiger Methoden des Brandschutzes gepaart mit unkonventionellen Lösungen, gestützt auf Erfahrungswerten und der Anwendung konservativer Brandschutzmaßnahmen sei.

Der Brandschutztechniker Peter Hiller brachte als zweiter Referent ein wenig praktischen Alltag in die Tagung, zunächst durch Presse- und Filmbeispiele im Vortragssaal und dann draußen auf dem Hof durch praktische Löschübungen mit unterschiedlichen Löschmitteln.

Der Bauingenieur Erhard Arnold aus Weimar sprach als Mitentwickler zum Brandschutzkonzept für die Sanierung des Stammhauses der Herzogin Anna Amalia Bibliothek. Zugleich konnte er aber sehr authentisch über den Brand selbst berichten, war er doch als Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr in Weimar direkt involviert. Der Volltext ist publiziert unter: Hornemann Institut

Martin Thumm vom Institut für Baudenkmalpflege der HAWK sprach kurzweilig aus seinen beruflichen Erfahrungen als junger Denkmalpfleger beim Brand des Wolfenbütteler Schlosses bis hin zum Bauprojekt als freiberuflicher Architekt, bei dem es galt, durch brandbekämpfende, brandverzögernde und schadensmindernde Maßnahmen ein denkmalgeschütztes Gebäude aufzurüsten. Er plädierte für den vorbeugenden Brandschutz als den wirksamsten Brandschutz. Der Beginn sei eine genaue Kenntnis des Baudenkmals, auch bei der Feuerwehr.

Christoph Schölzel, Restaurator an den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, erläuterte, dass man sich in Dresden schon seit der Entstehung der Gemäldesammlung um Brände sorgte und Schutzmaßnahmen ergriff, u. a. „Falltüren“ einbauen ließ. Letztlich wären die Zerstörungen der Sammlung auch nie von innen, sondern immer von außen gekommen, vor allem durch den Zweiten Weltkrieg. Heute entspräche das System von verschiedenen Feuerschutzmaßnahmen wohl dem gängigen Standard in Museen. Regelmäßig würden Notfälle mit der Feuerwehr trainiert. Zu denken gab seiner Schilderung einer Übung, die den Abtransport der Kunstwerke zum Ziel hatte. Der Dummy, den die Restauratoren eigens zu diesem Zweck gebaut hätten, sei dabei aber zerstört worden.

In den letzten zwei Vorträgen ging es dann zu konkreten Notfallplanungen. Die Tagung wurde damit brandaktuell.
Zunächst referierte Friedrich Hülsmann von der Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek (GWLB) über den vor wenigen Monaten gegründeten Regionalen Notfallverbund Hannover. Zu diesem Verbund haben sich auf Initiative der Feuerwehr Hannover Kultureinrichtungen in und um Hannover und unterschiedlicher Trägerschaften zusammengeschlossen und sich in Katastrophenfällen bestimmte Hilfe zugesichert. Eine interne Notfalldatenbank beinhalte u. a. Kontaktdaten und die Ressourcen der einzelnen Einrichtungen. Jede Einrichtung bestimmt auch einen Kulturgutschutz-Beauftragten, der als Schnittstelle zwischen Verbund, Einzeleinrichtung und Feuerwehr fungiert. Parallel dazu ist jede einzelne Einrichtung gefordert, ihre eigene Notfallvorsorge zu planen und umzusetzen. Dazu gehören Notfallpläne, regelmäßige Brandschutzbegehungen gemeinsam mit der Feuerwehr, ggf. bauliche Maßnahmen und regelmäßige Fortbildungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Im Zuge ihres Notfallschutzes ist in der GWLB mit Hilfe des Restaurators Martin Brederecke eine aufblasbare Bergungsrutsche für Bücher entwickelt worden, mit deren Hilfe innerhalb kurzer Zeit die Archivalien in den Tresorräumen der Bibliothek evakuiert werden können. Ein Patent ist dazu angemeldet.

Abschließend berichteten Ale Dohrmann und Almut Siegel von einem digitalen Handlungsleitfaden, den sie im Auftrag der Konferenz Nationaler Kultureinrichtungen (KNK) in Zusammenarbeit mit Spezialisten entwickeln. Er soll als umfassendes Nachschlagewerk und Informationsquelle für sämtliche Fragen der Sicherheit für Museen, Bibliotheken und Archive dienen. Inhaltlich soll die Datenbank alle relevanten Sicherheitsthemen beinhalten, wie Brandschutz, Naturkatastrophen, Diebstahl, Vandalismus, Havarien, Abnutzung, Klima, Licht, Schädlinge, Schadstoffe, Korruption und Gewalttaten. Ende Februar 2010 werden die ersten Themen auf www.konferenz-kultur.de ans Netz gehen. Ein weiterer Ausbau der Themen und die inhaltliche Pflege sind vorgesehen. Besondere Beachtung fand eine Art Checkliste, die mittels eines Ampelsystems eine Risikoanalyse für den Einzelfall ermöglicht. Hinzu kommen Hinweise für Präventionsmaßnahmen, Adressen von Experten, Literaturangaben und Websites. Querverweise und Vernetzungen unter den Themen ermöglichen es, die Gefahren und ihre Auswirkungen im Hinblick auf ihre Relevanz für die jeweilige Kultureinrichtung zu erfassen, zu bewerten und Abhilfemaßnahmen zu ermitteln.

RESTAURO wird die wichtigsten Vorträge der Tagung in Ihrem nächsten Heft drucken, das Mitte April erscheint.


Exzellente Vorträge kombiniert mit praktischen Löschübungen locken Interessierte aus der ganzen Bundesrepublik nach Hildesheim

Prof. Gerd Kaellander von der Fakultät Bauwesen moderiert die architektonischen Fallbeispiele Prof. Gerd Kaellander von der Fakultät Bauwesen moderiert die architektonischen Fallbeispiele