HAWK-Praxisseminar in Göttingen lehrt „Drohnen in der Umweltbeobachtung“

Erscheinungsdatum: 04.07.2024

Es ist erst 10 Uhr morgens, aber die HAWK-Studierenden haben schon fast einen vollen Arbeitstag mit Drohnenflügen hinter sich. Das Fluggerät haben sie akribisch über mehrere Grasflächen in engen Linienmustern gesteuert, auf der Suche nach Rehkitzen. 3 Tiere, die fast unsichtbar im hohen, feuchten Gras auf dem Boden kauerten, konnten sie aufspüren und 2 davon in sicherer Distanz wieder auf den Boden setzen. Das dritte Kitz ist vor den nahenden Retter*innen davongesprungen. Anschließend haben die Studierenden das jeweilige Gebiet für die Mahd und die Mähmaschine des Landwirtes freigeben können. 

 „Rehkitzrettung ist eine typische Anwendung für Drohnen“, sagt Prof. Dr. Paul Magdon von der HAWK-Fakultät Ressourcenmanagement in Göttingen. Er leitet den Kurs „Drohnen in der Umweltbeobachtung“ an der Hochschule, in dem Studierende den Umgang, aber auch die Einsatzzwecke, besondere Sensortechnik und die rechtlichen Rahmenbedingungen mit unterschiedlich großen Fluggeräten kennenlernen. Dabei können sie auch den notwendigen Drohnenführerschein bzw. EU-Kompetenznachweis erwerben.

 

„Wir sehen einfach, dass diese Technik eine immer größere Bedeutung gewinnt in den Bereichen Arboristik, zum Beispiel für Baumkontrollen, aber auch im Forstbereich, wo wir momentan einfach vor enormen Herausforderungen stehen.“ Drohnen können dabei helfen, schneller und flexibler Informationen über den Waldzustand zu erheben.
Das letzte Feld bei Bilshausen nordöstlich von Göttingen, wo die Gruppe heute arbeitet, ist inzwischen abgeflogen, die Sonne steht am Spätvormittag schon etwas höher. Rund ein halbes Dutzend Wiesen haben die sieben Forstwirtschaftsstudierenden am Morgen untersucht. Da die Wärmebildkamera nur bei genügend hohen Temperaturunterschieden eindeutige Ergebnisse liefert, wird die Praxisübung beendet. Jeder Maulwurfshügel leuchte nun auf dem Wärmebild, weiß Tom Richter, Student der Forstwirtschaft im 6. Semester und Tutor der Gruppe. Er begleitet die Teilnehmenden bei ihren ersten Flügen mit der Drohne.  
„Die, die Lust haben zu retten, gehen mit Einmalhandschuhen, Grasbüscheln und einer Kiste los, um die Tiere einzusammeln“, erklärt er das Vorgehen, bei dem die Kitze möglichst geruchsarm und schonend geborgen werden.
Die Muttertiere legen im Mai ihre Kitze für die ersten Lebenswochen in vermeintlich schützenden Wiesen ab. Aus Instinkt laufen die Jungtiere bei Gefahr aber nicht weg, sondern ducken sich noch tiefer – auch wenn ein Mähwerk anrollt. Schätzungen zufolge werden dadurch jedes Jahr tausende Rehkitze bei der Mahd verletzt oder sogar getötet, wie das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft schreibt. Mittlerweile drohen den Landwirten auch strafrechtliche Konsequenzen, wenn sie keine Maßnahmen zur Wildrettung vorab ergreifen.
Jonas Huss, Student im 4. Semester Forstwirtschaft, hat eines der Kitze am frühen Morgen aus dem Feld getragen: „Das hat sich toll angefühlt. Mit Tieren zu arbeiten, ist ohnehin eine tolle Sache. Und wenn man weiß, dass man sie vor dem Mähwerk schützt, freut einen das natürlich dann auch“, fasst er seinen praktischen Ausflug mit Drohne und Kitzrettung zusammen.
Gelernt hat er nicht nur das Abfliegen mit Wärmebild- und RGB-Kamera, sondern auch, wie mit Drohnen Vermessungen durchgeführt werden können, um z.B. Karten zu erstellen: Vorab wird eine Flugroute der Drohne ausgehend von der abzufliegenden Fläche programmiert, sodass die Drohnen mit 80 Prozent Sichtfeldüberlappung auch keinen Quadratmeter auslassen. Anschließend fliegt die Drohne die geplante Route automatisch ab und kehrt am Ende wieder zum Startpunkt zurück.

 

Bei der Wärmebildkamera hätten sie vorrangig den „White-Hot“-Modus gewählt, sagt Maike Hasselmann, 4. Semester Forstwirtschaft: „Das heißt, der Punkt, der Körperwärme hat, wie bei Menschen zum Beispiel 36 bis 38 Grad, leuchtet weiß und sehr grell. Und meist sind die Kanten scharf zu erkennen – dann sieht man auch optimal, dass da etwas liegt.“ Sie hat schon privat etwas Erfahrung mit der Drohnen-Kitzrettung sammeln können. Im Team habe alles sehr gut funktioniert, sagt sie, denn die Kommunikation untereinander sei wichtig: „Und ohne Team und ohne passendes Equipment funktioniert es nicht.“

 

Ziel des Kurses sei es, technische und rechtliche Kenntnisse zum Einsatz von Drohnen zu vermitteln. Dazu bearbeiten die Studierenden ein selbstgewähltes Projekt als Team und stellen die Ergebnisse am Ende im Rahmen eines Vortrags mit einem Poster vor, sagt Paul Magdon. Dabei lernen die Studierenden eine breite Anwendungsmöglichkeit von Drohnen: Die anderen Projektgruppen untersuchen per Drohne Hangerosionen im Harz, den Bewuchs rund um Hochspannungsleitungen und testen die Möglichkeit, Wildgatter in Aufforstungsflächen zu kontrollieren. 

Der Einsatz von Drohnen sei dabei nicht immer und überall möglich, sagt Magdon, der Kurs solle die Studierenden darauf vorbereiten, später in ihrem Berufsleben mit Drohnen in den richtigen Einsatzbereichen zu arbeiten: „Es gibt dann immer mal wieder die Vorstellung, man könne jetzt große Forstbetriebe mit Drohnen kartieren.“ Vor allem aus rechtlichen Gründen ist dies jedoch für so große Flächen kaum möglich.

Insgesamt ist er aber von den neuen technischen Möglichkeiten überzeugt: „Wir können für kleinere Flächen eine flexible Beobachtung für relativ wenig Geld auch bei nicht optimalem Wetter realisieren. Früher mussten wir immer ein Flugzeug oder einen Helikopter rufen und auf gutes Wetter warten“.

 

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