Erscheinungsdatum: 15.06.2016

Übersichtsstudie in der Physiotherapie beweist klinischen Nutzen bestimmter Bewegungstechniken

„Zwerge auf den Schultern von Riesen“ - dieses Sinnbild wird in der Wissenschaft gerne für die Forschung und das wissenschaftliche Arbeiten auf der Basis früherer Ergebnisse verwendet. Wissenschaftler/innen arbeiten mit den Grundlagen bestehender Forschungsarbeiten weiter - und kommen so zu wieder neuen Erkenntnissen. In einem Forschungsgebiet von therapeutischen Techniken gelang es Dr. Holm Thieme, Absolvent und Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der HAWK unter Prof. Dr. Bernhard Borgetto zusammen mit fünf weiteren Forschern, den klinischen Nutzen bestimmter Techniken, die sich der Beobachtung oder Vorstellung von Bewegungen bedienen, nachzuweisen.

„Wir konnten herausfinden, dass sich die Spiegeltherapie bei Patient/inn/en mit einem komplexen, regionalen Schmerzsyndrom effektiv einsetzen lässt“, sagte Holm Thieme zu der Übersichtsforschung, an der er und seine Kollegen zwei Jahre lang gearbeitet hatten und bei der rund 6000 Einzelstudien gesichtet und am Ende 15 davon ausgewertet und analysiert wurden: „Und wir haben auch entdeckt, dass es Patient/inn/en mit einer akuten Verletzung oder Schmerzen nach einer Operation hilft, sich eine Bewegung vorzustellen.“

Zusammen mit Forschern der MEDIAN Klinik Berlin−Kladow sowie der Universität zu Köln publizierte Thieme Anfang 2016 eine Übersichtsarbeit, in der die Ergebnisse von klinischen Studien zu diesen Behandlungsverfahren zusammengefasst wurden. Diese wurden dann von zwei unabhängigen Gutachtern ausgewertet. Im Ergebnis kommen die Forscher zu dem Schluss, dass sowohl die Spiegeltherapie als auch eine erweiterte Form (Graded Motor Imagery), bei welcher die Bewegungsvorstellung und Spiegeltherapie kombiniert werden, bei Patient/innen mit einem komplexen regionalen Schmerzsyndrom (CRPS) zu einer Schmerzreduktion führen und Alltagsbewegungen verbessern. Weiterhin fanden sie Hinweise darauf, dass Patient/innen mit akuten Schmerzen nach Verletzungen oder chirurgischen Eingriffen von der Bewegungsvorstellung ebenfalls im Sinne einer Schmerzreduktion profitieren können.

Ein komplexes regionales Schmerzsyndrom kann bei Patient/innen mit zum Beispiel einer Schulterverletzung nach einem Schlaganfall, einem umgeknickten Fuß oder auch einer einfachen Unterarmfraktur auftreten: „Das kann sich über Monate und Jahre hinziehen“, so Thieme „ es kann dauerhaft sehr schmerzhaft sein und auch mit Durchblutungsstörungen einhergehen.“ Ein komplexes, regionales Schmerzsyndrom sei ein relativ schwierig zu behandelndes Syndrom für Physio- und Ergotherapeut/inn/en.

Bei der Spiegeltherapie beispielsweise wird ein Spiegel mittig zwischen die Arme oder Beine eines/einer Patient/in/en ausgerichtet: „Hier gibt es die Möglichkeit, über die nicht betroffene Extremität eine Illusion einer schmerzfreien Bewegung zu erzeugen, um das Gehirn sozusagen umzutrainieren. So kann man das Syndrom teilweise oder sogar ganz eliminieren.“

Hilfreich sind die Ergebnisse vor allem für Ärzt/inn/en, Physio- und auch Ergotherapeut/inn/en, die nun gezielter bestimmte Therapietechniken empfehlen oder anwenden können. Zudem wurden Forschungslücken aufgedeckt.

Interessant sei gewesen, dass die Spiegeltherapie ursprünglich für Patient/innen mit Phantomschmerzen nach Amputationen konzipiert wurde. „Für diesen Bereich waren aber keine eindeutigen Aussagen zu treffen“, so Dr. Holm Thieme. Die Forscher mahnen hierzu und ebenfalls zu Techniken der Bewegungsbeobachtung weitere Studien an.

Dr. Holm Thieme

Übersichtsstudie in der Physiotherapie beweist klinischen Nutzen bestimmter Bewegungstechniken Dr. Holm Thieme zeigt am eigenen Beispiel, wie der Spiegels bei der Spiegeltherapie eingesetzt wird Dr. Holm Thieme zeigt am eigenen Beispiel, wie der Spiegels bei der Spiegeltherapie eingesetzt wird