Erscheinungsdatum: 12.04.2016

Architekturstudierende der HAWK begeben sich an die Wurzeln ihres Berufsstandes

Architekturstudierende der HAWK begeben sich an die Wurzeln ihres Berufsstandes

Die Architekturstudierenden im Master an der HAWK tauschten den Rechner und die Computermaus einmal gegen Pinsel, Säge und Schneidemesser aus, um den Entwurfsvorgang im Architekturbereich wieder aus der digitalen Welt zurück in die analoge Welt zu holen. „In meinem Studium habe ich auf Skizzenpapier die ersten Entwürfe und Ideen festgehalten und dann mit Tusche auf Transparentpapier umgesetzt. Jeder musste damals sehr gut Freihandzeichnen können“, erinnert sich Prof. Dipl.-Ing. Bernd Echtermeyer an sein Architekturstudium 1974 bis 1980 an der Universität in Dortmund.

Heute würde viel vom Computer vorgegeben. „Die Geräte sind so perfekt geworden, so dass ich manchmal das Gefühl habe, die individuelle Kreativität leidet , es multipliziert sich eigentlich nur etwas, was schon vorhanden ist, was schon digital vorformatiert ist, und wir merken es nicht einmal“, so Echtermeyer über seine Motivation, das dritte Mal das Wahlmodul „Sondergebiete der Darstellung und Gestaltung“ anzubieten, um bei den Studierenden einen kritischen Blick auf ihr „neues“ Werkzeug, den Computer, zu fördern. Mit überragendem Erfolg. Fast 50 Studierende ließen sich von der Idee anstecken und legten gerne einmal „Hand“ an. In Einzelarbeiten und Zweierteams entstanden so 13 Modelle und 20 Bilder aus echter Handarbeit. Die Werke sind jetzt an der Fakultät Bauen und Erhalten in einer Ausstellung in der ersten Etage im Hohnsen 2 zu sehen.

Eines der Bilder stammt von Burcu Parmaksiz. Mit Öl malte sie einen stilisierten Treppenverlauf in schwarzer Farbe auf großer weißer Leinwand, ein unscheinbar anmutendes Bild, das erst über ihre Erklärung an Tiefgang gewinnt. „Im Leben gibt es Höhen und Tiefen, das passt für mich am besten zu dem architektonischen Darstellungselement einer Treppe“, so die Masterstudentin. Die Treppenstufen seien unterschiedlich lang und tief. „Sobald ich vor der Leinwand stand, kamen mir diverse Ideen. Wir haben viele Module, die kreativ ausgelegt sind, aber dieses Modul hat auch einen Hauch von Philosophie. In meine Zeichnung floss viel Philosophie ein.“ Zukünftige Entwürfe wird sie jetzt geschichtlicher und mehr von der Intention des Gebäudes her angehen, erzählt sie über den neu gewonnen Blickwinkel.

In der Galeriereihe im ersten Stock hängt auch das Bild von Artur Klassen. Der 28-Jährige hat einen Lieblingsplatz in Hannover in Brauntönen stilisiert. „Der Alltag im normalen Studium ist eher Modellbauen und Zeichnen am PC“, so Klassen. Das Modul brachte ihm die Möglichkeit, sich mehr mit dem Detail, mit der Ordnung und der Präzision von Architekten auseinander zu setzen, sagt er. „Es gab uns die Chance, zu realisieren, was die Architekten da für ein Bauwerk erschaffen haben, die Proportionen, die Räumlichkeiten und die Lichtverhältnisse einmal genauer wahr zu nehmen.“ Am Ende ist er sichtbar zufrieden. Die großen Rätsel und Fragen, wie „was für ein Motiv wähle ich?“, „wie gehe ich das Thema an?“, „wie nehmen das die Leute am Ende auf?“, scheinen sich aufgelöst zu haben.

Nico Baron und Christian Fischer sprach die Aufgabe, einen Bau aus der Moderne nachzubauen, am meisten an, da beide gerne Modelle bauen. Mit Hilfe des Internets suchten die beiden Masterstudenten alle Fundstücke zu der „Church of Light“ von Tadao Ando in Japan heraus und begannen detailgenau die Nachbildung. Sogar die Innenbeleuchtung im Sakralbereich ist originalgetreu und per Schalter lässt sich das im 1:100 Maßstab gefertigte Modell erhellen. „Wir haben acht Tage acht Stunden lang zu zweit an dem Modell gearbeitet“, erzählt Nico Baron.

„Das Modell ist mit einer sehr ausgefeilten Modellbautechnik entstanden, in der Oberflächenstruktur der Fassaden sind sogar die Fugen zwischen den Betonplatten und die Abstandshalter zu sehen, das ist ein entscheidendes Detail zum räumlichen Verständnis des Entwurfes“, erklärt Prof. Dipl.-Ing. Bernd Echtermeyer den Unterschied zu den anderen gebauten Modellen im Studium, „auch die Beleuchtung gibt es sonst nicht“. Die gelungene Nachbildung des Gebäudes kann er bestätigen, da der Dozent das Gebäude – im Gegensatz zu den Studenten – schon einmal besichtigt hat. Das wollen die beiden Studierenden auf jeden Fall nachholen. Die Genauigkeit möchten sie mit in ihren späteren Berufsalltag nehmen. „Der eigentliche Erfolg liegt nicht so sehr in dem, was in dem Flur ausgestellt ist, sondern, ich glaube, der Erfolg liegt in den Studierenden. Der Prozess ist der wichtigere Teil dabei, nicht das Ergebnis“, so Echtermeyer über die hinzugewonnenen Blickwinkel.

Die Ausstellung kann bis zum 20. April tagsüber im HAWK-Gebäude, Am Hohnsen 2, im ersten Stock besichtigt werden.

Prof. Bernd Echtermeyer

Pinsel und Säge statt PC und Computermaus Pinsel und Säge statt PC und Computermaus