Erscheinungsdatum: 19.08.2016

HAWK übersetzt forensische 3D-Daten in ein maßgenaues Modell einer Mumienkopf-Rekonstruktion

HAWK übersetzt forensische 3D-Daten in ein maßgenaues Modell einer Mumienkopf-Rekonstruktion

„Es ist wie eine Brieffreundschaft, die jetzt ein Gesicht bekommen hat“, freut sich Ägyptologe Oliver Gauert über die Büste, die Dipl.-Designer Reiner Schneider ihm im Rapid Prototyping Labor der HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaften und Kunst überreicht. In seiner Hand hält er den Kopf von „Herrn Idu“, eine der besterforschten Mumien aus dem alten Ägypten – neben Tutanchamun. Anhand seines Schädels hatten Forensiker um Prof. Dr. rer. nat. Ursula Wittwer-Backofen an der Universität Freiburg mit Hilfe von CT-Bildern, den Kopf des Mannes rekonstruiert, der um 2200 v. Christus im ranghohen Dienst bei Pharao Pepi II. stand.

Diese Daten erhielt HAWK-Laborleiter Reiner Schneider von der Fakultät Gestaltung und programmierte damit die CNC-Fräsmaschine der Hochschule. Sechs Stunden lang fräste sie die Gesichtszüge des Ägypters in den Hartmodellschaum aus Polyurethan. „Wir haben zum ersten Mal mit forensischen 3D-Daten gearbeitet, normalerweise scannen wir hier Objekte ein, die wir dann eins zu eins wiedergeben können.“ Besonders wichtig für die Charakterzüge des „Herrn Idu“ seien die Wangenknochen, die Länge der Nase und die Augenpartien. „Diese haben wir auf wenige hundertstel Millimeter genau nach Vorgabe aus dem Uniklinikum Freiburg heraus gearbeitet.“

Die Vorarbeit ist aufwendige Mathematik: „Es gibt ein Zahlenverhältnis zwischen der Ausprägung gewisser Knochenpunkte am Gesichtsschädel und der Stärke der darüber liegenden Weichteilschichten. Für die Rekonstruktion vermessen die Experten bestimmte Punkte am Gesichtsschädel und errechnen daraus die Dicke der darüber liegenden Schichten der mimischen Gesichtsmuskulatur. Anschließend wird das Gesicht am Computer modelliert, bevor die Programmierung der Fräsmaschine beginnt“, erklärt Ägyptologe Oliver Gauert, der für die aktuelle Ausstellung „Mumien der Welt“ im Römer-und Pelizaeus-Museum als Kurator mitverantwortlich zeichnet, das Verfahren.

Allgemein werden Gesichtsrekonstruktionen von Mumien immer häufiger, auch im Hildesheimer Museum gibt es bereits den Kopf einer Moorleiche, dennoch ist es ein teures und aufwendiges Verfahren. Aber „Herr Idu“ ist eine besondere Mumie. 1914 entdeckte Hermann Junker bei Grabungen auf dem Westfriedhof von Gizah seinen Zedernsarg und seine vollständig erhaltene Grabstätte. Aus der Sarginschrift und den Grabbeilagen erschlossen sich viele biografische Daten. Neben der außergewöhnlich umfangreichen überlieferten Vita einer Person, die vor 4200 Jahren gelebt hat, wiesen Experten an dem Ägypter zum ersten Mal Balsamierungstechniken nach und Spuren von Natron zur besseren Konservierung des Körpers.

„Es ist etwas ganz Besonderes, jemandem aus dem alten Reich bald in die Augen schauen zu können“, betont die leitende Direktorin des Roemer- und Pelizaeus-Museum Hildesheim, Regine Schulz, gerade in einer Zeit, in der Bilder so maßgeblich seien. Der nächste Schritt ist jetzt eine professionelle Bearbeitung der Büste durch Bildhauerin Konstanze Thomas-Zach, um dem Kopf menschlichere Züge zu geben. Abschließend erhält „Herr Idu“ dann noch traditionelles Make-Up und Gesichtsfarbe. Schließlich gingen hohe Beamte nie ungeschminkt aus dem Haus und das soll auch nach mehr als 4000 Jahren so bleiben.

Biografie von „Herrn Idu“

Römer- und Pelizaeus-Museum

Rapid Prototyping Labor

Dipl.-Designer Reiner Schneider

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