Symposium über Mengenbehandlung mit bedeutenden deutschen Kultureinrichtungen

Erscheinungsdatum: 05.05.2017

„Der Wissenstransfer in und aus der  Region mit unseren Kooperationspartnern ist uns ein großes Anliegen“, sagte Dr. Marc Hudy, HAWK-Präsident (m. d. W. d. G. b.) und Hauptamtlicher Vizepräsident der HAWK. Daher freue er sich besonders über das erste interdisziplinäre HAWK-Symposium  zum Thema „Erhaltung von Kulturgut“, das exemplarisch für das eigene Rollenverständnis stehe. Bei diesem Symposium ging es darum, die Aktivitäten der einzelnen Institutionen kennenzulernen und zu überlegen, wie sie ineinandergreifen könnten.

Prof. Ulrike Hähner, Leiterin der Studienrichtung Schriftgut, Buch und Grafik am Studiengang Konservierung und Restaurierung an der Fakultät Bauen und Erhalten, hatte anlässlich der Ausstellung von HAWK, Stadtarchiv Hildesheim und Roemer- und Pelizaeus Museum  „Bücher erhalten – Hildesheimer Studierende erproben Strategie“ Verantwortliche aus verschiedenen Institutionen eingeladen, um durch Fachvorträge Einblicke in Erhaltungsmaßnahmen an bedeutenden deutschen Kultureinrichtungen zu gewinnen und eine Austauschplattform zu bieten.

 

Grundsätzlich stehen hierbei das Bibliothekswesen und die Archive schon in reger Diskussion. Diesen Kreis erweiterte die HAWK-Professorin um die Bereiche Museum und Denkmalpflege.  „All diese Institutionen stehen vor ganz ähnlichen Aufgaben. Ihre Bestände sind sehr umfangreich und die daran vorhandenen Schäden auch, so dass eine Auswahl der zu konservierenden und restaurierenden Bestände getroffen werden muss.“  Die Institutionen sind finanziell sowie in ihren Werkstattkapazitäten allerdings sehr unterschiedlich aufgestellt. Sie haben daher auch unterschiedliche Herangehensweisen. 

Referentinnen und Referenten kamen aus dem Brandenburgisches Landeshauptarchiv Potsdam, Bistum Hildesheim , dem Deutschen Literaturarchiv Marbach, der HAWK, der Herzogin Anna Amalia Bibliothek, dem Roemer- und Pelizaeus Museum Hildesheim, dem Stadtarchiv Hildesheim  und der Technischen Informationsbibliothek Marbach, der Staatbibliothek Berlin – Preußischer Kulturbesitz.  Unter ihnen waren auch zwei Referentinnen mit einem engen Bezug zur HAWK.

Die Referentin Ingrid Kohl studiert gerade berufsbegleitend im Masterstudiengang Konservierungs- und Restaurierungswissenschaft. Seit acht Jahren arbeitet sie als Leiterin der Restaurierungswerkstatt am Brandenburgischen Landeshauptarchiv in Potsdam.  Dort wird das Prinzip „Restaurierung on demand“ angewandt, das sie in ihrem Vortrag vorstellte. Beschädigte Objekte und kleinere Bestände werden bei einer Nachfrage konserviert oder restauriert und dann  zur Verfügung gestellt. „Die Orientierung an der Benutzernachfrage hat den unschlagbaren Vorteil, dass die begrenzten Mittel gezielt eingesetzt werden“, sagt die Diplom-Restauratorin. Aus ihrem Studium in Hildesheim plant sie aktuell Strategien zur Planung  von Mengenbehandlungen an ihren Arbeitsplatz in Brandenburg zu übertragen.

Johanna Kraemer ist Absolventin der HAWK und leitet den Bereich Konservierung an der Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar. Sie nahm  die Mengenorientierung für die Erhaltung von Kulturgut mit an die Herzogin Anna Amalia Bibliothek, führte sie in ihrem Vortrag aus. Gerade für die Weimarer Institution mit mehr als einer Million Bänden sei dieser Ansatz besonders passend, gerade auch nach den verheerenden Brandfolgen von 2004.  „Aktuell arbeiten wir an einer systematischen Mengenkonservierung“, so Kraemer, nachdem standardisierte Mengenrestaurierungsverfahren  für 118 000 geschädigte Bände vorlägen.

„Beim persönlichen Kontakt lassen sich Fragen und Hintergründe zu den Lösungsansätzen aus den Fachvorträgen am besten klären“, lobt Dr. Michael Schütz, Leiter des Stadtarchives und HAWK-Honorarprofessor das neue Format. Dass die Nutzung der Bände bei der Auswahl für die Restaurierung die erste Priorität darstelle, entspreche nicht seiner Vorstellung von ganzheitlicher Herangehensweise, würde aber durch die Umstände vorgegeben. Michael Schütz stellte die Wissenschaftliche Bibliothek vor und in diesem Zusammenhang auch die Kooperation mit der HAWK im Zusammenhang mit der Ausstellung „Bücher erhalten – Hildesheimer Studierende erproben Strategie“.

„Zwei große Themen haben sich heute herauskristallisiert, um weiter bearbeitet zu werden: zum einen die Planung der Mengenbehandlung und zum anderen die Auswahl der Bestände“, zog Prof. Ulrike Hähner ein Fazit der erfolgreichen Veranstaltung. Diese werden auch in die Lehre der HAWK einfließen. Eine Wiederholung der Veranstaltung ist in jedem Fall geplant. Inwieweit dies wieder in den gut geeigneten Räumlichkeiten des Römer- und Pelizaeus-Museum stattfinden werde, möchte sie gemeinsam mit der Leiterin des Museum Prof. Dr. Regine Schulz beraten. Regine Schulz hatte in ihrem Vortrag u.a. auf die weltweite Situation der Zerstörung von Kulturstätten hingewiesen und damit ein weiteres wichtiges Thema angesprochen.

Zum Hintergrund

Am 16. Februar 2016 wurde im Roemer- und Pelizaeus Museum die Ausstellung „Bücher erhalten – Hildesheimer Studierende erproben Strategie“ eröffnet. Die Inhalte und die Konzeption der Ausstellung sind in enger Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv Hildesheim und der Herzogin Anna Amalia Bibliothek Weimar während Lehrveranstaltungen im  Bachelor- und Masterstudiengang entstanden. Für die wissenschaftliche Bibliothek des Stadtarchivs Hildesheim wurden - aufbauend auf den Erfahrungen aus Weimar - Bücher durch Studierende restauriert und strategische Grundlagen für die langfristige Erhaltung der Wissenschaftlichen Bibliothek des Stadtarchivs Hildesheim entwickelt, die in die vorhandene Archivorganisation eingebunden werden können. Zustandserhebung, Ressourcenkalkulation, Zielsetzung und Objektgruppenbildung sollen die Arbeiten der Bestandspflege, Konservierung und Restaurierung sowie die Benutzung erleichtern.

Nach dem verheerenden Brand 2004 in der Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar sind in einer bisher einzigartigen interdisziplinären Zusammenarbeit für große Mengen Bücher mit beschädigten Einbänden Konservierungs- und Restaurierungsmethoden entwickelt worden. Die in den Bibliotheksalltag integrierte Ablaufplanung, die diese Arbeiten steuerte, wurde von Prof. Ulrike Hähner (HAWK) analysiert. Ulrike Hähner ist auch Mitkuratorin der Ausstellung „Restaurieren nach dem Brand“, die zunächst 2014 im historischen Bibliotheksgebäude in Weimar gezeigt wurde und dort seit Mitte 2016 dauerhaft zu sehen ist.

An der HAWK gibt es für den Bereich der Schriftgut- und Graphikrestaurierung die Möglichkeit sich auf Bestandserhaltungsmanagement zu spezialisieren und einen Minor zu erwerben.  Auch auf dieser Basis hatte Prof. Ulrike Hähner das erste HAWK Symposium „Austausch zur Organisation der Aufgabe Erhalten von Kulturgut“ ins Leben gerufen.