Erscheinungsdatum: 24.07.2014

Mit der Selbstständigkeit wächst die Unabhängigkeit - aber auch die Verpflichtung

Mit der Selbstständigkeit wächst die Unabhängigkeit - aber auch die Verpflichtung

Nadine Weiberg, Manfred Ide und Christopher Herbon sind alle um die 30 Jahre alt. Trotzdem sind sie schon ihr eigener Chef. Mit ihrem Start-Up FOVEA entwickeln sie Apps für Förster/innen, Waldbesitzer/innen und holzverarbeitende Betriebe.


Digitale Medien
„Eigentlich wollte ich schon immer selbständig sein. Aber überall wurde mir gesagt, dass als erster Schritt ein fester Job besser sei“, erzählt Nadine Weiberg (29). Sie studiert Gestaltung im Kompetenzfeld Digitale Medien an der HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim/Holzminden/Göttingen. Und tatsächlich: Angestellt sein in irgendeiner Agentur, vielleicht sogar in Festanstellung, so ist der Weg, den die meisten anstreben. Zumindest für die ersten Jahre, und dann mal sehen, was kommt. Für Nadine Weiberg kommt es direkt anders und eigentlich, wie ersehnt.

Direkt in den Chefsessel
Zusammen mit ihren Kollegen Manfred Ide (30) und Christopher Herbon (26) wechselt Weiberg vom Studium direkt in den Chefsessel. Gemeinsam gründen sie das Start-Up FOVEA. „Man hat jetzt eine feste Position über die nächsten Jahre“, sagt Weiberg über ihre Zukunft. Aber leicht ist das Leben als Neuunternehmer/in nicht.

Einsatzort Wald
Das Gründerteam entwickelt Applikationen, kleine Programme, die auf mobilen Geräten wie Smartphones und Tablets laufen. Ungewöhnlich ist der Einsatzort ihrer FOVEA-Technik – es geht in den Wald. „Käferkunde“ heißt eine App, mit der sich kleine Krabbeltiere schnell und einfach bestimmen lassen. Unterdessen gibt es mit Waldinvent Pro eine weitere App für Smartphones, mit deren Hilfe sich die Grundfläche des Waldbestandes pro Hektar schätzen lässt.
Bekannt ist das Start-Up aber vor allem für seine Holzvermessungs-App, die die Arbeit von Förstern und holzverarbeitenden Betrieben sehr viel leichter macht.

Software für den Forst
Den Einfall für die App hatte Ide, der an der HAWK-Fakultät Ressourcenmanagement Forstwirtschaft studierte. „Die Idee ist, dem Förster eine Software zur Verfügung zu stellen, die die Arbeit erleichtert und teure Geräte ersetzt“, fasst er zusammen. Fachliche Unterstützung bekam er dabei von Prof. Dr. Bettina Kietz und Prof. Dr. Wolfgang Rohe. Auch seine zwei Mitstreiter fand er durch die Empfehlung von Professoren an anderen Fakultäten der HAWK. Jeder kommt aus einer anderen Fachrichtung und übernimmt andere Aufgaben.

Balance zwischen Absprache und Freiraum
So stammt das Interfacedesign von Weiberg, die in der Aufteilung der Kompetenzen einen großen Vorteil sieht. „Ich habe totale Freiheit bei meiner Gestaltung“, sagt sie. Die richtige Balance zwischen Absprache und Freiraum mache die Arbeit angenehm und das Produkt erfolgreich, ist ihre Meinung. Fachliche Hilfe bekommt der kreative Teil des Start-Ups vor allem von Prof. Stefan Wölwer von der Fakultät Gestaltung.

Unbekanntes Terrain
„Die Herausforderung daran ist, dass man sich auf unbekanntes Terrain vorwagt“, sagt Herbon über die App-Benutzung im Wald. Herbon ist Doktorand der Informatik an der HAWK-Fakultät Naturwissenschaft und Technik. Bei FOVEA übernimmt der Absolvent des Studiengangs Elektro- und Informationstechnik die Verantwortung für die Softwareentwicklung. Aber nicht nur das Thema Holzwirtschaft ist neu. Als Gründer müsse man plötzlich eine Menge Verantwortung übernehmen, sagt Herbon. Zum Beispiel für seine Mitarbeiter/innen.

Acht Softwareentwickler
Acht Softwareentwickler haben die drei FOVEA-Gründer eingestellt. Die meisten sind Masterstudierende aus dem Elektro- und Informationstechnik-Studiengang der HAWK. Einige bringen sich mit ihrer Masterarbeit in das Unternehmen ein und helfen mit ihrer eigenen Forschungsarbeit, die App weiter zu verbessern. Auf diese Weise beschäftigt sich Benjamin Otte (27) mit der Genauigkeit der Holzstammvermessung. „Im Studium schreibt man nur kleine Programme“, erzählt Otte. Mit der Arbeit bei FOVEA habe er gelernt, kompliziertere Programmstrukturen aufzubauen. Auch eine genauere Sicht auf die Arbeitsweise eines Unternehmens habe er hier erhalten: „Wenn ein Betrieb riesig ist, dann bekommt man nicht so viel mit. Hier habe ich miterlebt, wie ein Unternehmen aufgebaut wird.“ Betreut werden die Abschlussarbeiten von Prof. Dr.-Ing. Bernd Stock, der auch in wissenschaftlichen Fragen dem FOVEA-Team zur Seite steht.

"Wir sagen sofort Bescheid"
Mareike Müller (25) ist die einzige Frau im Entwicklungsteam. Ein Problem hat sie damit nicht. „Ich bin total froh, in diesem Metier gelandet zu sein“, sagt die Studentin. Das liege auch an der Art, wie das Gründerteam mit seinen Mitarbeitern umgehe, findet Müller: „Wir sagen sofort Bescheid, wenn irgendetwas nicht stimmt.“

Viele Preise
Für ihre App haben die Gründer mittlerweile viele Preise erhalten. Ihre wichtigste Auszeichnung bekamen sie jüngst verliehen – den IKT-Innovationspreis, der vom Bundeswirtschaftsministerium ausgerichtet wird. „Ganz abgesehen davon, dass es ein gut ausgearbeitetes Geschäftsmodell braucht, ist für Förderungen und Wettbewerbe enorm viel Papierkram erforderlich“, erklärt Weiberg. Anträge und Anhänge müssen organisiert und ein nachvollziehbarer Businessplan erstellt werden. „Außerdem müssen Texte verständlich geschrieben werden, dass auch jemand, der nicht vom Fach ist, die Geschäftsidee beziehungsweise das Produkt versteht“, weiß sie.

  • 2014 KWF Innovationspreis
  • 2014 Innovationsförderprogramm des Nds. Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr
  • 2013 „DurchSTARTer 2013“
  • 2013 Göttinger Innovationspreis, 2. Platz in der Kategorie Gründung
  • 2013 innovate!Interaction Award
  • 2013 Dritter Platz beim Nachwuchspreis Neue Medien für die App Käferkunde
  • 2013 Red Dot Junior Award für die App Käferkunde
  • 2012 Innovationspreis der HAWK
  • 2012 Exist-Gründerstipendium

Wie man sich bewirbt
Wie genau man sich für Preise bewirbt, hat das Trio bei der Gründerinitiative der HAWK gelernt. Aber auch andere Schwierigkeiten wurden hier besprochen. Wie man ein Unternehmen anmeldet, wie man Kunden akquiriert, sich um EU-Fördermittel bewirbt, was für Versicherungen nötig sind oder wie man Mitarbeiter einstellt zum Beispiel. „Die Atmosphäre für Gründer an der HAWK allgemein ist großartig: Inzwischen hat sich dank der Gründerinitiative um Dr. Stephanie Rabbe und Prof. Dr. Christoph Kolbeck eine richtige Gründerkultur gebildet“, sagt Weiberg. Wichtig sei dabei auch die Vernetzung zwischen den Gründern, findet Ide. Oft stehe man vor ähnlichen Problemen. Dann sei es gut, mal bei anderen fragen zu können, wie man die Dinge am besten regelt, sagt der studierte Förster. Zusammen mit anderen Gründern der HAWK habe man deshalb auch einen Stammtisch gegründet, bei dem man sich regelmäßig austausche, berichtet Weiberg.

Kundenzufriedenheit
Das Wichtigste sei aber die Entwicklung des Produkts und die Kundenzufriedenheit. Dafür besucht Ide Kunden im gesamten Bundesgebiet, um Funktionsweisen zu erklären und Verbesserungsvorschläge zu sammeln. Für ihn sei das Besondere an der Holzvermessungs-App, dass man in wenigen Sekunden und ohne Internetverbindung oder Notebook ein sehr genaues Ergebnis erhält: „Es wird lediglich ein iPhone oder iPad benötigt. So ein einfaches und dabei effizientes System gibt es nur von FOVEA.“

Rat von den Professoren
„Das Geheimnis liegt vor allem in der leichten Bedienung“, findet Herbon. Ein weiteres Markenzeichen sehe er in der Nähe zur HAWK und zur Forschungsszene. So helfe nicht nur die Gründerinitiative bei allen unternehmerischen Fragestellungen. Bei ihren Professoren würden sie zusätzlich den fachlichen Rat erhalten, so Herbon. Aber auch mit der Bereitstellung von Material und Büroraum während des EXIST-Stipendiums unterstützten die HAWK-Fakultäten die Arbeit von FOVEA. „Ohne die Hochschule würde es FOVEA, vor allem in dieser Zusammenstellung, vermutlich nicht geben. Abgesehen vom Know-how, das wir uns über die HAWK während des Studiums angeeignet haben, war die Hochschule der zentrale Punkt für die Entstehung von FOVEA“, erklärt Weiberg. Das Beispiel von FOVEA und vielen anderen Gründungen kann auch den Studierenden Mut machen, denselben Weg zu beschreiten. Denn während des Studiums können Sie sich der Unterstützung aus der Hochschule gewiss sein.

Internationale Ausrichtung
Bei FOVEA wird derzeit die Holzvermessungs-App weiter verbessert. Aber auch neue Apps zur Arbeit im Wald sollen entwickelt werden, sagt Weiberg über die Zukunft von FOVEA. „Wir haben fast alle Großkunden in Deutschland abgedeckt“, freut sich Ide über die Verbreitung der App. Für die Zukunft kann sich Herbon deshalb auch eine internationale Ausrichtung vorstellen: „Ich sehe die Entwicklungschancen in Deutschland und weltweit.“

Mehr Informationen:

Fakultät Naturwissenschaften und Technik
Fakultät Ressourcenmanagement
Fakultät Gestaltung
HAWK plus Gründung
FOVEA


Die Geschichte vom HAWK-Gründerteam FOVEA macht Mut zum Nachahmen Die Geschichte vom HAWK-Gründerteam FOVEA macht Mut zum Nachahmen