Erscheinungsdatum: 17.11.2010

<P>Die Aula im Gebäude der Fakultät Bauwesen bot dafür mit ihrem stimmungsvollen historistischen Gepräge den idealen Rahmen.<BR></P>

Anlässlich des 70. Geburtstags ihrer emeritierten Professorin Jirina Lehmann hat die Fakultät Erhaltung von Kulturgut jetzt ein Symposium zur Kunsttechnologie und Werkstoffgeschichte Hildesheimer „Kunst- und Werck-Spiegel“ 2010 veranstaltet. Die Aula im Gebäude der Fakultät Bauwesen bot dafür mit ihrem stimmungsvollen historistischen Gepräge den idealen Rahmen.


Mehr als 200 Gäste aus allen Teilen der Bundesrepublik waren der Einladung gefolgt, was den überwältigenden Zuspruch für das Thema und den Wunsch, die Jubilarin zu ehren, zum Ausdruck brachte. Das Symposium war gleichzeitig als Ehemaligentreffen angekündigt, das die Absolvent(inn)en der Fakultät zusammenführen sollte. Die Wiedersehensfreude, das große gegenseitige Interesse am Werdegang der Kommilitoninnen und Kommilitonen sowie an der Entwicklung „ihrer“ Fakultät gestalteten die Atmosphäre, die gleichsam von einem festlichen Hochgefühl getragen war.

Der Titel des Symposiums Hildesheimer „Curieuser Kunst- und Werck-Spiegel“ 2010 ist in listiger Abwandlung des Nürnberger Originals von 1696 eine Anspielung auf die Gattung der historischen Anleitungsliteratur zur Kunsttechnologie, die Jirina Lehmann ihren Studierenden mit größtem Engagement nahe gebracht hat.
Das Wörtchen „curieuse - kurios“ hat es den Veranstaltern dabei besonders angetan: im heutigen Sprachgebrauch reduziert auf die Bedeutung „komisch“, „seltsam“ oder immerhin „merkwürdig“, meinte es ursprünglich „wissenswert“, ja „wissbegierig“, sogar „neugierig“, „interessiert“ und auch „sorgfältig“. – Das sind Attribute, die sich sehr gut mit Kunsttechnologie und Quellenforschung verbinden lassen und daher als passend empfunden wurden.

Die Werkstoffgeschichte als Verbindung der schriftlichten Quellenaussagen mit dem technologischen Befund am historischen Original, war und ist ein zentrales Forschungs- und Lehrgebiet von Frau Professor Lehmann. In dem Bewusstsein, dass viele kunsttechnologische Untersuchungsergebnisse, die bei der restauratorischen Befundsicherung sozusagen „anfallen“, unpubliziert und der Fachwelt damit vorenthalten bleiben, bot die Fakultät mit dem Symposium ein Forum, interessante Funde aus der Praxis vor- und zur Diskussion zu stellen.
Durchwegs neuartige Aspekte der Praxisforschung aus unterschiedlichsten Kunst- und Materialgattungen kamen in der stolzen Abfolge von 12 Beiträgen zum Aufleuchten.

Hans Michaelsen sprach beispielsweise zur fast vergessenen Technologie farblich gestalteter Dielenböden und Jens Klocke rollte mit der Frage „Echt oder falsch?“ einen Indizienprozess aus kunsttechnologischer Sicht auf. Andere Vorträge bezogen sich auf konkrete Kunstwerke, wie z.B. den spätmittelalterlichen Marienaltar im Kloster Wienhausen. Die Funde waren keinesfalls auf den niedersächsischen Kulturkreis begrenzt. Tjalda Eschebach behandelte unter dem Titel „Rote Farblacke in der Wandmalerei“ eine Plafondmalerei im Antikentempel im Park Sanssouci in Potsdam von 1769, die im Rahmen eines Projektes der Fachhochschule Potsdam wissenschaftlich untersucht wurde. Julia Schultz referierte über den immunologischen Nachweis von tierischen Bindemitteln, dem ihre laufende Dissertation gewidmet ist.

Auch die Jubilarin beteiligte sich an den Fachvorträgen. Ihre persönlichen Worte an das Auditorium ihrer ehemaligen Studierenden und Kollegen wurden mit stehenden Ovationen quittiert.

Ein weiterer Höhepunkt des Programms war die Präsentation des Ergänzungsbands zu Thomas Bracherts Standardwerk „Lexikon historischer Maltechniken“, eine Neuerscheinung des Hornemann-Instituts.
Nach dem Sektempfang, der das Bedürfnis der Alumni nach Austausch und Diskussion in angeregter Stimmung befriedigte, hielt Frau Dr. Cornelia Weyer aus Düsseldorf die Laudatio auf die Jubilarin, die ihre ersten dreißig Jahre im Prag der sozialistischen Ära verlebte und in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts für die akademische Ausbildung der Restauratoren in der BRD kämpfte. Jirina Lehmann gilt als Gründungsprofessorin der Fakultät Erhaltung von Kulturgut an der HAWK, die es ohne sie in der gegenwärtigen etablierten Form nicht gäbe.

Der Festvortrag von Dr. Bernd Bünsche führte noch einmal zurück zu sensiblen scharfsinnigen Beobachtungen zur Zusammensetzung von Kittmassen und Grundierungen an Gemälden, denen das Publikum trotz fortgeschrittener Stunde gebannt lauschte.

Das Symposium hatte nicht nur Titel und Thema, es hatte auch ein bildliches Motiv, ein Leitmotiv sozusagen. Was würde zu einem Geburtstag besser passen als Blumen und Blüten? Und in Zusammenhang mit dem Rahmenthema bieten sich natürlich die Kunstblumen des 18. Jahrhunderts geradezu zwingend an. In ihrer unvergänglichen Schönheit waren sie als Schmuck verehrungswürdiger Reliquien den rasch welkenden Naturblumen weit überlegen. So zeigt das Plakat zum Symposium die zarten Gebilde in barocken Klosterarbeiten, die als sogenannte Hausenblasenblüten identifiziert werden können. Was läge näher, als sich in experimenteller Rekonstruktion nach historischer Quellenschrift der Herstellung dieser hinreißenden Blüten zu widmen, um sie als adäquates Geschenk für die Jubilarin zu einem bunten Strauß zu winden?
Unter der Anleitung von Jens Klocke hat das 3. BA-Semester in praktischen Übungen zur Werkstoffgeschichte eine beispiellose Produktion gestartet.

Im Ergebnis durfte jeder der Vortragenden der Jubilarin eine Blüte als einzigartiges kleines Kunstwerk überreichen.


Die Aula im Gebäude der Fakultät Bauwesen bot dafür mit ihrem stimmungsvollen historistischen Gepräge den idealen Rahmen.

70. Geburtstag der emeritierten Professorin Jirina Lehmann. (Foto: Miriam Reiche) 70. Geburtstag der emeritierten Professorin Jirina Lehmann. (Foto: Miriam Reiche)