Erscheinungsdatum: 23.11.2015

Tastmodelle als Teilhabechancen für Menschen mit und ohne Sehbeeinträchtigung

Ist Ihnen schon mal aufgefallen, dass ein geburtsblinder Mensch vor Etwas steht und ebenso freimütig wie treffsicher erzählt, was es dort zu sehen gibt?

Es ist genau diese Szenerie, die Studierende der Fakultät Soziale Arbeit und Gesundheit ins Staunen versetzte und ihr bisheriges Bild über Menschen mit Sehbehinderung in Frage stellte. Denn, kann Tasten Sehen bedeuten und umgekehrt? Und inwiefern eignen sich Tastmodelle als Teilhabechancen für Menschen mit und ohne Sehbeeinträchtigung?

Forscherisches Lernen partizipativ und transdisziplinär gedacht
Die beiden wissenschaftlichen Mitarbeiter/innen Björn Sedlak und Kerstin Schmid von der Fakultät Soziale Arbeit und Gesundheit widmen sich in einer transdisziplinären Logik wie einer forscherisch-experimentell angelegten Weitung ihrer Seminare »Sehen und Gesehen werden« sowie »Gesellschaftliche, strukturelle und institutionelle Inklusions- und Ausgrenzungsprozesse«, indem sie der Konzeptualisierung innerer Bilder am Beispiel von 3D-Tastmodellen als Teilhabechance von Menschen mit und ohne Sehbeeinträchtigung nachspüren.

Kooperation
Für ihr Vorhaben konnte der Blindenverband Niedersachsen e.V., ein ebenso kompetenter wie engagierter Kooperationspartner/in, gewonnen werden. Der BVN vertritt die Interessen und Belange blinder und sehbehinderter Menschen Niedersachsens in allen Lebensbereichen.

Teilnehmer/innen
Teilnehmende waren einerseits interessierte Studierende mit ganz unterschiedlichen Vorerfahrungen aus beiden Seminaren, sowie Menschen mit Sehbeeinträchtigung unterschiedlichen Ausprägung.

...und Action
Neben speziellen 3-D-Tastmodellen für Menschen mit Sehbeeinträchtigung wurde der Stich von Matthaeus Merian, der das Stadtbild um 1641 abbildet im Versuch als ungewöhnliches 3-D-Tastmodell genutzt. Studierende wurden mit verbundenen Augen ebenso wie Menschen mit Sehbeeinträchtigung gefordert, sich assoziativ wie tastend einen Parcours zu erschließen. In einer gestaffelten Rolle als Proband/inn/en, Beobachter/innen wie später Diskutant/inn/en wurde die Expertise wie erste Ad-hoc-Analysen einzelner Beteiligter in einem Ansatz der Aktionsforschung partizipativ verwoben und Sichtungsweisen diskursiv hinterfragt. Gewidmet wurde sich der Konzeptualisierung innerer Bilder im Vergleich als Basis der Chanceneröffnung ebenso, wie der praktische Nutzen von 3D-Tastmodellen als Stadterlebnis im Betrachtungsfokus lag. In gemixten Rekonstruktionsgruppen werden die gewonnen Ergebnisse vertiefend in den Blick genommen und mit den Expert/inn/en in eigener Sache diskutiert werden.

Björn Sedlak forscht im Rahmen seiner Dissertation an der Fakultät Soziale Arbeit und Gesundheit zu visuellem Verstehen in der Praxis Sozialer Arbeit, Kerstin Schmid promoviert zum Thema Teilhabemöglichkeit von Menschen mit einer schweren Mehrfachbeeinträchtigung.

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