Erscheinungsdatum: 17.08.2016

Architektur- und Bauingenieur-Studierende erkunden gemeinsam die Faszination der Autonomen Provinz Südtirol

Der Mix macht es: Italienisches Flair und alpenländische Tradition begegnen sich nicht nur in der Provinzhauptstadt Bozen. Das Programm war typologisch breit aufgestellt. Nicht nur Architektonisches und Ingenieurtechnisches stand im Fokus der außerhäusigen Lehrveranstaltung, sondern auch die noch immer und in jüngster Zeit wieder verstärkt umstrittenen Baudenkmale und Denkmäler der Mussolini-Ära galt es zu begreifen.

Die konstruktiv-kritische Auseinandersetzung mit der Baukultur stand im Mittelpunkt der Studienreise. Ob im Kontext der Messner-Mountain-Museen wie dem MMM Corones auf dem Kronplatz, dessen Kuppe inzwischen nicht nur im Winter Skizirkus pur ist, sondern auch im Sommer regelrecht in seine baulichen Einzelkomponenten zerfällt: Seilbahnstationen im Gestaltungsduktus der jeweiligen Erbauungszeit, Freizeiteinrichtungen wie das „Tippi“-Dorf, Quadbahnen, u.v.m. Unbeschadet dessen ist der von Zaha Hadid erschaffene, 2015 eröffnete MMM-Bau ein ‚Kronjuwel‘ im von ihr gewohntem sinnlichen Formenkanon. Und doch war die Gruppe überrascht, wie klein das Bauwerk im Vergleich zu den bekannten Abbildungen in den Magazinen erscheint und so gar nicht in den Berg hineingemeißelt wirkt, sondern eher als ein ‚on top‘ unter dem bescheidenen Erd- und Gesteinshügel.

Das historische Bozen mit der berühmten Laubengasse, dem weitläufigen Walther-von-der Vogelweide-Platz, dem betriebsamen Obstmarkt, den stattlichen Handelshäusern oder dem legendären Parkhotel Laurin bildet den Kern der flirrenden Stadt. Um das im Faschismus stark erweiterte Bozen zu erreichen, muss man die Talfer überschreiten, deren Promenaden bis zum noblen Gries reichen, ist sie, die Insigne des Faschismus, schon von weitem sichtbar: das umstrittene und inzwischen mit einem roten Leuchtband kontextualisierte Siegesdenkmal. Immer wieder wird dessen Eliminierung gefordert. Doch „was würde sich besser eignen, jungen Menschen und unseren Nachfahren den menschenverachtenden Faschismus, die jüngere Geschichte des Landes und der geglückten Autonomie zu vermitteln, als diese Bauten. Sie dürfen weder entfernt, noch der öffentlichen Sichtbarkeit entzogen werden, wie von den Politikern für das Mussolini-Relief am ehemaligen faschistischen Parteigebäude in Form einer vorgesetzten intransparenten Scheibe angedacht, da sie gleichsam Beweisstücke für eine schwierige Zeit sind.“ Mit diesen Worten forderte eine Radiosendung nach der Tagung „Umstrittene Denkmale“ im Jahr 2012, bei der Prof. Dr.-Ing. Birgit Franz und Prof. Dr.-Ing. Georg Maybaum, die Initiatoren der aktuellen Südtirolexkursion, zu den Akteuren gehörten, deren kontextualisierten Erhalt.

Das Programm war auch ansonsten dicht gedrängt: Die Umnutzung alter Burgen wie jene über Bruneck zum MMM Ripa, die Sicherung und Zugänglichmachung gigantischer Festungen wie der Franzensfeste, der Laaser Marmorabbau mit seinen wagemutigen Infrastrukturen in den Bergen als potentielles Welterbe, unterirdische Erweiterungen von Weingütern zum Schutz der Kulturlandschaft wie im Weingut Manincor, Verkehrsbauten zur Erschließung von Naturerbestätten in den welterbegeschützten Dolomiten wie am Karer See, Nachnutzungen von Passhöhenhotels, Hangsicherungen der zerfallenden Alpenhänge, Seilbahntechnologien und grandiose Bauten der Energiegewinnung wie das denkmalgeschützte Kardaunwerk standen jeweils für typologische Herangehensweisen in der Autonomen Provinz Bozen. In Summa zeigte sich, Südtirol setzt im Neubau wie im Umgang mit dem (denkmalgeschützten) Bestand auf höchste Qualität, beginnend bei der (Wettbewerbs-)Planung bis zum letzten Ausführungsdetail. Eigentlich hätte das Programm noch dichter gedrängt sein müssen, es gäbe noch so viel zu sehen und zu diskutieren. Oder noch besser: die Reise hätte viel länger gehen sollen.

Weitere Informationen:

Prof. Dr. Birgit Franz

Prof. Dr. Georg Maybaum

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