Erscheinungsdatum: 21.03.2016

Die Projektwochen führten Studierende der Konservierung und Restaurierung in die Barockzeit

Studierende der Konservierung und Restaurierung arbeiteten in der Neustädter Hof- und Stadtkirche St. Johannis in Hannover. Dort waren in einem winzigen Raum im Turmbereich Teile des ehemaligen prächtigen Kanzelaltares abgestellt. Bei einem Kontrollgang im letzten Jahr stellte der Küster aktiven Befall von holzzerstörenden Insekten fest. Über die Ev.-luth. Landeskirche Hannovers wurde diese akute Situation an die HAWK getragen und es entwickelte sich sehr schnell eine umfassende Projektaufgabe für die Studierenden der Studienrichtung Konservierung und Restaurierung von gefassten Holzobjekten und Gemälden unter Leitung von Dipl.-Rest. Ina Birkenbeul.

Vor Ort haben die Studierenden des ersten Semesters innerhalb von zwei Wochen alle Teile aus dem Depotraum geborgen, fotografiert, die künstlerischen Techniken erfasst, den Zustand dokumentiert, Notsicherungen vorgenommen und den Staub von den Oberflächen entfernt. Nach dieser Sicherung und Dokumentation von 77 großen Objekten und unzähligen kleinteiligen Fragmenten, konnten die Studierenden mit der Zuordnung der Stücke in die ehemalige barocke Ausstattung beginnen.

Während der Bombardierung Hannovers 1945 ging auch die Neustädter Hof- und Stadtkirche in Flammen auf. Zuvor hatte der damalige Küster alles versucht, die reiche barocke Innenausstattung zu retten. Zentrales Objekt der Kirche war der Kanzelaltar von 1759. Nach einem Entwurf des Architekten Heumann, jun. wurde der bedeutende Hofbildhauer Johann Friedrich Ziesenis, zusammen mit dem Tischler Varen und dem Hofvergolder Johann August Bartels mit der Ausführung betraut. Die gestalterische und technische Umsetzung - so lässt sich aus den Ausstattungsresten noch heute deutlich erkennen - ist technisch hochwertig und meisterlich ausgeführt. Anhand der einzelnen Stücke konnte das erste Semester die bildhauerischen Techniken sehr gut studieren.

In den 1950er Jahren wurde die Kirche sehr puristisch wieder aufgebaut, nichts erinnerte an die reiche Innenausstattung. Doch die Kirchengemeinde akzeptierte diese Ausstattung nicht und in den 90er Jahren wurden nach einer Umgestaltung die großen erhaltenen Skulpturen des Kanzelaltares an die Altarwand drapiert. Mit einer Führung durch die Gestaltungsgeschichte dieser Kirche von Dr. Thorsten Albrecht, Kunstreferent der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers, wurde den Studierenden die schwierige gestalterische Entwicklung von Kircheninnenräumen von der Nachkriegszeit bis in unsere Zeit vor Augen geführt.

Die wieder aufgefundenen Teile der ehemaligen Ausstattung mussten nun von den Studierenden zugeordnet werden. Das gelang sehr gut anhand von historischen Aufnahmen aus der Kirchengemeinde. Darüber hinaus war die Gruppe in den Archiven der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers und des Nds. Landesamtes für Denkmalpflege auf der Suche nach historischen Abbildungen, und lernte dabei gleich das Arbeiten mit Archivmaterial.

Erstes Etappenziel des Projektes war das Verpacken aller Teile, um sie in die Stickstoffkammer des Nds. Landesmuseums Hannover zu transportieren. Dort wurde den Studierenden von Restaurator Jan Hoffmann eingehend die Technik der Begasung zur Bekämpfung von holzzerstörenden Insekten mit Stickstoff erklärt.

Das erste Projekt im Verlauf des Bachelorstudiums bietet über das Erlangen von fachlichen Kompetenzen hinaus die Gelegenheit, sich als Gruppe außerhalb der HAWK besser kennenzulernen. Das Verhalten im Team, gute Arbeitsorganisation, soziale und kommunikative Kompetenzen sind gefragt.

Inzwischen sind alle Ausstattungsteile in der Kirche zurück und das Projekt wird fortgeführt. Denn die Studierenden stellten fest, dass nahezu alle Teile der Bekrönung vorhanden sind. So wird im nächsten Semester eine Studentin in ihrer Bachelor-Thesis untersuchen, welche konservatorischen und technischen Arbeiten nötig sind, um die Bekrönung aufzubauen, und dann wird es sicherlich wieder eine sehr arbeitsreiche Projektwoche geben, bei der viele Hände nötig sind …

Weitere Informationen:

Dipl.-Rest. Ina Birkenbeul

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