Erscheinungsdatum: 25.09.2014

Barockengel zieht mit der HAWK von der Kaiserstraße auf den Campus Weinberg

Eine große Operation steht in der Kaiserstraße 19 an. Der OP-Tisch ist bereits vorbereitet, heute soll ein besonderer Patient verarztet werden: ein Engel. Die Diplom-Restauratorinnen haben ihm bereits die Flügel abmontiert. Er wird die Strecke von der HAWK-Restaurierungswerkstatt zum neuen Campus Weinberg der Hochschule in einem Umzugstransporter hinter sich bringen. Doch vorher gilt es, den Engel aus der Barockzeit fachgerecht zu verpacken. Dazu haben sich Werkstattleiterinnen Ina Birkenbeul und Kerstin Wäcken die Bachelorabsolventin Johanna Elebe zur Hilfe geholt. Als Restauratorinnen mit dem Fachgebiet Gemälde und gefasste Holzobjekte sind die drei wahre Meisterinnen bei der Verpackung von kostbaren Kunstwerken und Objekten.

Posaune verpackt
Der erste Schritt ist eine genau Planung, denn der Engel ist nicht nur besonders groß - rund 1,50 Meter - sondern auch mit seinen 30 Kilo besonders schwer. Durch die Posaune, die er spielt, sind seine lebensechten Hände nach vorne ausgestreckt und müssen besonders gesichert werden – eine weitere Herausforderung für das Trio. Die Posaune liegt bereits sicher verpackt im Nachbarraum. „Es musste zunächst überprüft werden, ob die Holzsubstanz stabil ist und die Farbschicht haben wir an einigen Stellen nachgefestigt“, erzählt Ina Birkenbeul über die abgeschlossenen Sicherungsmaßnahmen.

Als erstes umwickelt Johanna Elebe den blondgelockten Kopf vorsichtig mit einem atmungsaktiven Flies aus Polyester. Mit einem Klebeband sichert die 27-Jährige den Kopfverband. Gemeinsam hüllen die Restauratorinnen den Körper des Engels zunächst in diesen Flies ein, bevor sie ihn außen mit einer Polsterfolie ummanteln, die sie mit Klebeband befestigen. An den von ihnen angebrachten Tragegurten heben sie ihn vorsichtig auf den OP-Tisch aus den 80er Jahren - jetzt ist der Engel „reisefertig“, gemeinsam mit 60 anderen Kunstobjekten aus der Werkstatt.
„Der Engel ist schon lange bei uns, er ist ein interessantes Studienobjekt“, erzählt Ina Birkenbeul über den Auftrag des Römer- und Pelizaeus-Museums, mit dem die Hochschule eine umfassende Kooperation verbindet. Der Engel zählt zur stadtgeschichtlichen Sammlung von Hildesheim und steht mit seinem Pendant, einem Engel ohne Trompete, im Depot des Museums. „Trotz intensivster Recherchen unser Studierenden, konnten wir keinen genauen Herkunftsort oder andere Daten herausbekommen“, bedauert Ina Birkenbeul.

Vor seinem Einzug in die Werkstatt in der Kaiserstraße war es für den Neuzugang zunächst nach Hannover gegangen, wo die Lindenholz-Skulptur in einem Spezialverfahren von zerstörenden Insekten befreit wurde. Dann untersuchten die Restauratorinnen die Farbschichten und fanden heraus, dass neben der Ursprungsfassung aus Gold und Silber im Laufe der Zeit noch zwei weitere Farbschichten hinzugekommen waren: zum einen eine Steinfassung und zum anderen eine hellgrüne und hellblaue Schicht aus den 50er Jahren. Wegen der hohen belastenden Spannung der aktuellsten Farbaufträge entschieden sich die HAWK-Expertinnen dazu, die Farbschichten Stück für Stück wieder bis zur ersten Fassung abzutragen – eine sehr zeitintensive und anspruchsvolle Aufgabe, die sich auch in der neuen Werkstatt fortsetzt. Der Standsockel ist bereits professionell restauriert.

Gute Planung
„Wegen des Umzuges haben wir noch keine neuen Studienobjekte von unseren Kooperationspartnern für das neue Semester angefordert und versucht, unsere Aufträge möglichst abzuschließen“, erzählt Ina Birkenbeul, die sich seit rund einem Jahr intensiv mit den Umzugsplänen beschäftigt. Seitdem heißt es: erfassen, entscheiden, entrümpeln oder einpacken. „Der interessanteste Fund war die allererste Probenplatte von 1989“, so Birkenbeul und holt eine Platte hervor, auf der Studierende verschiedene Überzüge einem Materialtest unterzogen hatten. Für Ina Birkenbeul ist der Umzug auch ein persönlicher Abschied, denn nach der Gründung der Werkstatt im Wintersemester 1988/89 übernahm sie bereits 1990 die Leitung. „Damals war noch unklar, was ein Restaurator an einer Hochschule arbeiten würde“, erinnert sie sich an die Anfänge der Studienrichtung. Sie selbst hatte in den Hamburger Museen gelernt. Heute freut sie sich auf den Umzug auf den Campus Weinberg, denn durch die „Insellage“ der Werkstatt ergaben sich vorher weniger Kooperationsmöglichkeiten mit anderen HAWK-Kollegen und Studienrichtungen.

Dipl.-Rest. Ina Birkenbeul
Konservierung und Restaurierung
GefassteHolzobjekte und Gemälde

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